APA - Austria Presse Agentur

EU-Grüne wollen Kommissionspräsidenten nicht direkt absegnen

Die europäischen Grünen wollen nach der kommenden EU-Wahl nicht einfach den Spitzenkandidaten der größten Partei als Kommissionspräsident absegnen wie beim letzten Mal. "Wir werden ganz klare Bedingungen auf den Tisch legen", sagte der Grüne Co-Spitzenkandidat für die Europawahl, Bas Eickhout, im Gespräch mit der APA in Wien.

Eickhout kündigte an, dass die Grünen die Kandidaten entlang dreier Prinzipien prüfen werden: Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und demokratische Werte.

Der niederländische EU-Abgeordnete kritisierte das bisherige Auftreten des Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, als "nicht glaubwürdig". Besonders übte er Kritik an Webers Umgang mit dem Konflikt rund um die Suspendierung der EVP-Mitgliedschaft der ungarischen Regierungspartei Fidesz von Viktor Orban. "Er macht Parteipolitik. Er will sein Gesicht wahren, hat eine echte Entscheidung aufgeschoben."

Der bayerische Christlichsoziale müsse als voraussichtlich aussichtsreichster Kandidat für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zeigen, wessen Unterstützung er in Anspruch nehmen wolle, forderte Eickhout: "Es versucht weiterhin, die rechte Seite zufriedenzustellen", etwa die türkis-blaue österreichische Regierung. "Weber muss auch auf die progressive Seite schauen. Und da werden die Grünen gebraucht."

Laut Umfragen dürfte die EVP als voraussichtlich stärkste Partei nach den Wahlen im Mai die besten Chancen haben, den künftigen Kommissionspräsidenten zu stellen. Es wird aber auch erwartet, dass die EVP und die Sozialdemokraten keine gemeinsame Mehrheit im Europaparlament mehr haben werden. Das dürfte den Einfluss der kleineren Fraktionen wie der Grünen oder der Liberalen (ALDE) auf die Besetzung der EU-Topjobs erhöhen.

Bezüglich der EU-Wahl ermutigte Eickhout die angeschlagenen österreichischen Grünen, an ihren zentralen Themen dranzubleiben: "Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit." Diese Themen beschäftigten die Menschen und "viele verstehen, dass man dafür Grüne braucht". Im Jahr 2012, als seine eigene Partei GroenLinks in der Krise steckte, habe sie sich ihrerseits die Grünen in Österreich zum Vorbild genommen. Bei den jüngsten niederländischen Parlamentswahlen 2017 konnte GroenLinks mit 9,1 Prozent das beste Ergebnis seiner Geschichte einfahren. Der Niederländer zeigte sich zuversichtlich, dass sich die Österreicher ebenfalls erfangen werden: "Sie können sehen, dass die Grünen in Österreich ein Comeback machen."

Bezüglich des Brexit zeigte sich der EU-Spitzenkandidat kritisch gegenüber der britischen Premierministerin Theresa May. Diese habe es bisher verabsäumt, eine parteiübergreifende Mehrheit zu finden. "Dieses Thema ist zu wichtig, um Parteipolitik zu betreiben." May hat nur zwei Optionen nach Meinung Eickhouts: Entweder sie beginnt mit den anderen Parteien zu reden, oder sie legt ihren Deal dem Volk zur Abstimmung vor. "Wenn May bereit ist, ihre Taktik zu ändern, sollten wir (als EU, Anm.) ihr die Zeit geben." Er lobte gleichzeitig die Verhandlungen der EU-Kommission mit den Briten: "Wir sind gegenüber der Kommission kritisch - aber nicht beim Brexit."

Der EU-Spitzenkandidat, der gemeinsam mit seiner deutschen Co-Kandidatin Ska Keller antritt, hat den Klimaschutz das zentrale Thema des heurigen Europawahlkampfes genannt. Bei den konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur setzen die Grünen vor allem auf eine Reform der europäischen Landwirtschaftspolitik. Derzeit konzentriere sich diese allzu einseitig auf die landwirtschaftliche Produktion: "Das ist eine sehr altmodische Art, über Landwirtschaft zu denken." Dabei sei es wichtig, "das Bufferpotenzial unseres Ökosystems" zu erhöhen: "Unsere Landschaften müssen für mehr (Wetter-)Extreme vorbereitet sein." Als Beispiel nannte er die Rolle der Agroforstwirtschaft, einer Kombination von Baumpflanzungen und Ackerbau auf derselben Grundfläche.

Im sozialen Bereich sprechen sich die Grünen für einen europaweiten Mindestlohn aus. Dieser müsste nach Kaufkraftparität im jeweiligen Land ermittelt werden, stellte Eickhout gegenüber der APA klar. "Jeder möchte auf dem gleichen Niveau bezahlt werden." Das Tieferstapeln bei den Löhnen müsse "gestoppt" werden: "Wo ist die Grenze für den niedrigsten Lohn?" Der EU-Abgeordnete befürchtet nicht, dass dadurch mehr Firmen aus Europa abwandern: "Viele Industrieunternehmen wollen in Europa bleiben", betonte er: "Wir haben die beste Infrastruktur, gut ausgebildete Arbeitskräfte und einen sehr großen Markt." Er plädierte für mehr Selbstbewusstsein der Europäer: "Wir müssen Vertrauen in unser Modell haben!"