Flüchtlingsrat übt heftige Kritik an der europäischen Flüchtlingspolitik

Flüchtlingsrat kritisiert Kriminalisierung von Seenotrettern
Der Europäische Flüchtlingsrat (ECRE) hat eine düstere Bilanz über die letzten drei Jahre europäische Flüchtlingspolitik gezogen. Man ortet eine "Kultur der Rechtswidrigkeit".

Die österreichische EU-Präsidentschaft habe eine gemeinsame Lösung in der Asylfrage hintertrieben, resümierte Karl Kopp, ECRE-Vorstandsmitglied und Europasprecher von Pro Asyl Deutschland. Im Rahmen des diesjährigen Jahrestreffs wurde der Frage nachgegangen, was seit der Ankündigung der österreichischen Regierung, die Balkanroute zu schließen, passiert sei. Europa sei von einem gemeinsamen Schutzsystem "Lichtjahre entfernt", stattdessen werde die Asylfrage externalisiert, sagte Kopp bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Europäische Abschottungspolitik: Was sind die Folgen für die Menschen auf der Flucht?" im Albert Schweitzer Haus. "Heute haben wir die Situation, dass die wenigen, die versuchen, Leben zu retten, kriminalisiert werden", kritisierte er in Bezug auf den Einsatz der Seenotrettung. Die Kooperation Europas mit der libyschen Küstenwache seit 2017 nannte er den "blutigsten aller Deals".

Asylsuchende bleiben am Balkan

"Diese Leute retten die Würde aller Europäer", erinnerte Christoph Riedl von der Diakonie Österreich. "Doch sogar eine renommierte Organisation wie Ärzte ohne Grenzen musste ihre Seenotrettung einstellen und Aquarius wird voraussichtlich nicht mehr auslaufen können", warnte er. Martin Rozumek, von der tschechischen Flüchtlingshilfeorganisation OPU, prangerte eine herrschende "Kultur der Rechtswidrigkeit" gegenüber Asylsuchenden an, die in vielen EU Ländern wie Ungarn, Slowakei oder Tschechien ohne Konsequenzen bliebe. Für die Wiederherstellung dieser Rechte will ECRE mit der Kampagne im Vorfeld der Europawahlen kämpfen. Er kritisierte, dass sich Tschechien, Ungarn und Slowenien aus der Verantwortung zögen und große Flüchtlingslager leer stünden, während viele Asylsuchende stattdessen in den Balkanländern wie etwa in Bosnien oder Serbien landeten.

Keine einheitliche Lösungen

An dieser Stelle verwies Aniko Bakonyi vom ungarischen Helsinki-Komitee auf die Politik ihres Landes, das seit eineinhalb Jahren verstärkt auf "Push-backs" setzt. Während zwischen Jänner und September 4.000 Mal versucht wurde, Ungarn zu durchqueren, wurden 2.700 "push-backs" durchgeführt, bei denen Flüchtlinge mit brutalen Methoden und ohne Asylverfahren vor die Außengrenzen Europas gebracht worden seien. Insgesamt seien in dem Zeitraum 560 Asylanträge in Ungarn gestellt worden. "Mehr Anträge wurden von den Behörden aber gar nicht akzeptiert", erklärte sie. Nach Ansicht von Adriana Romer von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe liegt die Lösung in rechtsstaatlichen und fairen Asylverfahren innerhalb Europas. In der Schweiz werde mit 1. März ein neues Asylverfahren eingeführt, dass den Prozess beschleunigen soll, berichtete sie. Der Großteil der Entscheidungen solle dann innerhalb von 140 Tagen getroffen werden, während für besonders komplizierte Fälle eine Frist von einem Jahr vorgesehen sei.

Deutlich weniger Asylanträge in Österreich 

Um die Qualität der Verfahren gleichzeitig zu verbessern, bekomme jeder Asylsuchende eine unabhängige Rechtsberatung an die Seite gestellt, welche in erster Linie von Hilfswerken geleitet werden solle. Zwischen Jänner und Ende November seien in der Schweiz rund 16.000 Anträge gestellt worden, 2017 lag die Zahl für das gesamte Jahr bei rund 18.000, berichtete die Juristin. In Österreich wurden im Vergleich dazu 2017 insgesamt 24.735 Asylanträge gestellt, 2018 waren es 13.400.

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