APA - Austria Presse Agentur

Gedenken an die ersten Schritte zur Republiksgründung

Mit einer Festsitzung haben Österreichs Parlamentarier am Sonntag des ersten Zusammentretens der "Provisorischen Nationalversammlung" vor genau 100 Jahren und damit der entscheidenden Schritte zur Republiksgründung gedacht. Zu Wort meldeten sich die Klubchefs der Parlamentsfraktionen. Aufrufe zum Schutz der Demokratie gab es auch von Historiker- und Politikberaterseite.

Die Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx erinnerte an die Ereignisse des 21. Oktober 1918. Die deutschen Abgeordneten des Reichstags, 208 Männer, traten damals im Niederösterreichischen Landhaus in Wien zusammen. Sie seien sich der historischen Bedeutung dieses Moments durchaus bewusst gewesen: "Auf der Tagesordnung stand nichts Geringeres als die Gründung eines neuen Staates."

In der Veranstaltung genau an diesem Ort erinnerte die Historikerin an die weiteren Stationen: Die Konstituierung des Staates "Deutsch-Österreich" am 30. Oktober und die Proklamation am 12. November 1918. Die zentralen staatlichen und politischen Grundlagen, aber auch wesentliche sozialpolitische Bestimmungen, seien in diesem Tagen der Ersten Republik geschaffen worden, betonte Stelzl-Marx, doch auch die Sehnsucht nach dem Anschluss an Deutschland sei am Anfang gestanden.

Nach dem Anschluss und dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte die zweite Republik "auf der gescheiterten, umkämpften, erkämpften ersten Republik" aufbauen, so Stelzl-Marx. "Wenn wir uns heute in diesen Minuten an die Tage der Entscheidung 1918 zurückerinnern, wird eines deutlich: Die Demokratie ist ein zerbrechliches Gut, das es nach wie vor permanent zu schützen gilt." Von einer Verantwortung, die es weiterzuschreiben gelte, sprach auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Von Politikberater Thomas Hofer kam die Aufforderung an die politischen Akteure, sich gegen die aktuelle Erregungskultur zu stellen, zur medialen Alphabetisierung der Menschen beizutragen, selbstbewusst Gestaltungswillen zu zeigen und sich auch scheinbar unerreichbare Ziele zu setzen. Dabei redete er der Vision eines noch fester verankerten und besser gewappneten Demokratieverständnisses das Wort.

Die Reden der Klubchefs fielen dann entsprechend ihrer politischen Verankerung aus. So lobte ÖVP-Klubobmann August Wöginger den Mut der Politiker vor 100 Jahren, anstehende Probleme anzugehen und gemeinsame Lösungen zu finden. Diese Prämisse leite auch die aktuelle Bundesregierung, meinte er. Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) beklagte, dass in der Ersten Republik den Menschen und dem politischen Gegner zu wenig zugehört worden sei. In der Zweiten Republik sei das anders gewesen, dies habe ihren Erfolg ausgemacht.

Walter Rosenkranz (FPÖ), der in seiner Rede so wie Wöginger die Republik Österreich hochleben ließ, erinnerte daran, dass im niederösterreichischen Landhaus auch die bürgerliche Revolution im März 1848 ihren Anfang genommen hatte. Er hob den Geist von 1918 und 1945 hervor: "Wir haben Verantwortung auch gegenüber jenen, die uns die Republik so aufgebaut und hinterlassen haben." Beate Meinl-Reisinger (NEOS) äußerte einmal mehr ihre Sorge um die offene Gesellschaft. "Es gibt keine Demokratie ohne liberale Grundprinzipien", betonte sie.

Alfred Noll (Liste Pilz) erinnerte an die Historie des Nationalfeiertags am 12. November, der von den Christlichsozialen bald negiert wurde, vom FPÖ-Vorgänger VdU nach dem Zweiten Weltkrieg aber unterstützt wurde, weil er das Bekenntnis zum Anschluss an Deutschland enthielt. Auf das Jahr 1918 habe man jedenfalls allen Grund stolz zu sein. Die Menschen hätten damals die Zuversicht gehabt, "dass Änderungen nicht nur notwendig, sondern auch möglich sind".