Hilfsorganisationen üben Kritik an Mindestsicherungsplänen
"Es geht hier um das letzte soziale Netz", stellte Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter in einer Pressekonferenz klar. Er ist derzeit Vorsitzender der "Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt" (BAG), zu der sich Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe zusammengeschlossen haben. Der jetzige Basisbetrag von rund 863 Euro sei schon nicht üppig. "Die neue Regelung ist noch weniger armutsfest", kritisierte Wachter. Denn viele Menschen würden von Abschlägen betroffen sein. Dabei sei die Mindestsicherung keine Versicherungsleistung, sondern eine Fürsorgeleistung.
"Die Uridee des sozialen Wohlfahrtsstaats war nicht die Verteilung von Almosen, sondern die Teilnahme aller Bürger am demokratischen Leben, um nie wieder faschistische Strukturen erwachsen zu lassen", betonte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger: "Und im Gedenkjahr geht die Bundesregierung her, kürzt das Mindeste und versucht wieder Almosen für einige Wenige einzuführen." Die Kriminalitätsrate im Land liege nicht zuletzt wegen des Sozialstaats so niedrig. "Diese Regierung gefährdet den sozialen Frieden", adressierte der Volkshilfe-Chef an ÖVP und FPÖ.
"Zutiefst empört" zeigte sich Fenninger über den "brutalen Akt", die Beträge für Kinder zu staffeln: "Hier wird Kinderarmut produziert anstatt sie zu bekämpfen." Wachter ergänzte, dass derzeit 80.000 Kinder Mindestsicherung bezögen. "Die meisten davon werden künftig weniger bekommen", appellierte er an den Bund, diesen "falschen Weg" noch einmal zu überdenken. Familien mit einem Kind bekommen laut BAG-Berechnungen um 3 bis 12 Prozent weniger. Mit drei Kindern seien es schon minus 19 bis 46 Prozent.
Der Caritas-Generalsekretär geißelte zudem das Regierungsvorhaben, Zuwanderern mit schlechten Deutschkenntnissen den Bezug um 300 Euro zu kürzen: "Die Regierung spart in allen Bereichen der Integration. Es gibt zu wenig Deutschkurse. Viele haben gar nicht die Möglichkeit, die Sprache zu lernen." Den Differenzbetrag als Sachleistung zu ersetzen - u.a. für Sprachkurse - sei problematisch: "Davon kann niemand Essen für seine Kinder kaufen oder seine Wohnung heizen."
Diakonie-Direktorin Maria Moser nannte den Entwurf zum neuen Rahmengesetz "almosenhaft" und "paternalistisch". Durch die zahlreichen geplanten Kann-Bestimmungen der Länder bleibe die Regelung ein "Fleckerlteppich ohne Rechtsanspruch". "Verkauft wird das Ganze als Gesetz für mehr Gerechtigkeit." Allerdings stimme die Unterscheidung zwischen Faulen und Fleißigen nicht. Denn die Mehrzahl der Bezieher gehe sehr wohl arbeiten, verdiene aber zu wenig und falle somit unter die "Aufstocker". Dazu kämen noch chronisch Kranke oder Menschen, die eine zu geringe Pension beziehen und deshalb Zusatzgeld in Form der Mindestsicherung bekommen.
Fenninger stieß sich an der Argumentationslinie, wonach jene, die nichts einzahlen, auch nichts erhalten sollten. Wenn man diese Logik weiterdenke, gäbe es auch keine Hochwasser- oder Erntehilfe mehr. "Und außerdem tut man so, als würde Österreich zusammenbrechen, wenn man nicht endlich bei der Mindestsicherung kürzt." Dabei machten diese Unterstützungsleistungen gerade einmal 0,9 Prozent der Sozialausgaben aus, gab das Podium zu bedenken.
Das Rahmengesetz für die neue Mindestsicherung hat die Regierung unlängst in Begutachtung geschickt. Schlagend werden diese Neuregelungen aber frühestens im Herbst 2019. Denn nach Beschluss des Rahmengesetzes haben die Länder noch einige Monate Zeit, um die Regelungen auf Länderebene umzusetzen - das dürfte bis Ende des Jahres dauern.
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