Netrebko und Holender auf ukrainischer "Staatsfeindeliste"
Begründet wird die Nennung von Österreichern von den anonymen Betreibern der Internetseite "Mirotworez" ("Friedenstifter") in den meisten Fällen mit unautorisierten Besuchen auf der von Russland 2014 annektierten Halbinsel Krim sowie in den selbsternannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine. Deren Territorium wird nicht von der Regierung in Kiew kontrolliert.
Konkret betrifft dieser Vorwurf den Wiener Musiker Louie Austen, der nach Angaben der Internetseite 2017 in einem Luxushotel im Krim-Städtchen Jalta sang, sowie den Wiener DJ Phil Speiser, der als Teil der deutschen Band Scooter 2017 ebenso auf der Krim auftrat. Betroffen ist auch Ex-Staatsoperndirektor Ioan Holender, der im Oktober für ServusTV einen Dokumentarfilm auf der Krim drehte und gegenüber einem russischen Fernsehsender die Halbinsel dabei als "russischer als russisch" bezeichnete.
Die Teilnahme an sportlichen und kulturellen Veranstaltungen auf der Krim führte zur Eintragung des österreichischen Kampfsportlers Wilhelm O. sowie der Linzer Friedensforscher Wilhelm und Liz A.. Die FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein, Johann Hübner und Detlef Wimmer sowie der Wiener Geschäftsmann Alfred K. wurden für ihre Teilnahmen am offiziösen Jalta-Wirtschaftsforum gelistet, der sozialdemokratische Ex-Bürgermeister von Wels, Peter Koits, der Welser Unternehmer Bernhard P. und der Grieskirchener Erwachsenenbildner Herbert S. verdanken ihre Erwähnung einem Besuch 2015 in Saki, einer Partnerstadt von Wels auf der Krim.
Aktivitäten im Zusammenhang mit den abtrünnigen "Volksrepubliken" von Donezk und Lugansk sind indes nur in wenigen österreichischen Fällen von Relevanz. Die österreichisch-russische Star-Sopranistin Anna Netrebko kommt in der Liste vor, weil sie Ende 2014 gemeinsam mit einem separatistischen ukrainischen Politiker aufgetreten war, Ex-Politiker Ewald Stadler werden Reisen in die "Donezker Volksrepublik" sowie auf die Krim vorgeworfen. Dem rechten Aktivisten Patrick Poppel, der in Wien einen Verein namens "Suworow-Institut" leitet, werden unter anderem eine kürzliche Wahlbeobachtung in der "Donezker Volksrepublik" sowie "antiukrainische Propaganda" angelastet. Illegale Grenzübertritte werden auch im Fall des sozialdemokratischen Gewerkschaftsaktivisten Alfred Almeder genannt. Der Wiener hatte zuletzt vergeblich seine Streichung von der Liste verlangt.
Zwei weiteren Personen mit ehemaligem oder aktuellem Wohnsitz in Österreich wird von der ukrainischen Liste indes persönliches Engagement vorgeworfen. Der laut "Mirotworez" bis 2015 in Wien ansässige Surab S. soll sich als Söldner in der "Lugansker Volksrepublik" verdingen, bei der angeblich in Wels wohnhaften Schnischana K. soll es sich um eine Autorin eines pro-russischen Propagandamediums handeln.
Die vom nunmehrigen ukrainischen Parlamentsabgeordneten Anton Heraschtschenko (Volksfront) initiierte Internetseite "Mirotworez" gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Ermordung von zwei prominenten pro-russischen Aktivisten in der Ukraine als umstritten. Der Publizist Oles Busyna sowie der Politiker Oleh Kalaschnikow waren 2015 zeitnah zur "Mirotworez"-Veröffentlichung ihrer Kontaktdaten in Kiew ermordet worden. Kritiker der Internetseite sprachen in Folge von einer "Todesliste".
Heraschtschenko, der als enger Mitstreiter von Innenminister Arsen Awakow gilt, betonte am Dienstag gegenüber der APA, dass die Gelisteten nicht gefährdet seien. Nur jene, die gegen ukrainische Gesetze verstoßen hätten, drohte im Zusammenhang mit der Liste Gefahr (durch staatliche Strafverfolgung; Anm.), ergänzte der Parlamentarier.
Nichtautorisierte Grenzübertritte in die "temporär okkupierten Gebiete der Ukraine" können nach dem ukrainischen Verwaltungsstrafrecht mit Geldstrafen geahndet werden. Falls der Reisende damit das Ziel verfolgt, den nationalen Interessen der Ukraine zu schaden, kann dies nach dem Strafrecht aber auch mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren sanktioniert werden.
Von diesbezüglichen Strafverfahren gegen österreichische Staatsbürger ist nichts bekannt. In manchen Fällen dürfte eine Strafverfolgung aber auch kaum möglich sein, weil einige der auf der "Mirotworez"-Liste genannten Politiker und Aktivisten für ihre Grenzübertritte vom ukrainischen Geheimdienst SBU mit einem mehrjährigen Einreiseverbot in die Ukraine belegt wurden.
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