APA - Austria Presse Agentur

ÖGB übt massive Kritik an Reform der Sozialversicherungen

Der ÖGB übt in seiner Begutachtungs-Stellungnahme wie erwartet massive Kritik an der geplanten Reform der Sozialversicherungen. Präsident Wolfgang Katzian meinte am Freitag bei der Präsentation, dass die Regierungspläne nicht vor dem Verfassungsgerichtshof halten werden und forderte neue Verhandlungen. Gleichzeitig kündigte er auch neue Proteste der Gewerkschaft an.

Katzian befürchtet, dass die Regierung ihre Pläne schon am kommenden Mittwoch im Ministerrat beschließen und die zahlreichen kritischen Stellungnahmen, u.a. vom Rechnungshof, vom Tisch wischen werde. Er sei "sehr skeptisch", dass die vielen Anregungen in den verbleibenden vier Tagen noch eingearbeitet werden können. Der ÖGB werde sich mit seinen Abgeordneten in den zwei dazu geplanten Sitzungen des Sozialausschusses einbringen aber auch außerhalb des Parlaments seine "öffentlichen Aktivitäten" fortsetzen. Auf die Frage, ob damit weitere Demonstrationen gemeint sind, sagte Katzian: "Man wird unseren Protest in der Öffentlichkeit wahrnehmen."

So wie andere Organisationen hält auch der ÖGB den Gesetzesentwurf in mehreren Punkten für "massiv verfassungswidrig". Die Gewerkschaft werde sich an den VfGH wenden, wenn einzelne Personen davon betroffen sind, werde man diese unterstützten. Katzian geht aber davon aus, dass vorher schon andere Möglichkeiten genutzt werden, etwa eine Beschwerde von einem Drittel der Abgeordneten.

Für den ÖGB ist die geplante Reform "im Endeffekt ein Angriff auf die Rechte der ArbeitnehmerInnen im Rahmen der Selbstverwaltung sowie durch die Zerschlagung bestehender, gut funktionierender Strukturen, eine Gefahr für die Versorgung von über 7 Mio. Versicherten", heißt es in der Begutachtungs-Stellungnahme. Es drohen "gravierende Verschlechterungen, vor allem für derzeit GKK-versicherte Personen". Der ÖGB fordert daher "einen Neustart mit einer Rückkehr zu intensiven Verhandlungen mit Experten".

Der ÖGB sieht eine de facto Abschaffung der Selbstverwaltung, weil die geplante Parität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht dem Prinzip der Repräsentanz der Versicherten entspreche. In der geplanten Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) können künftig die Arbeitgeber alle Entscheidungen blockieren. Katzian verwies hier darauf, dass die Selbstverwaltung von den Arbeitern im Bergbau und in der Industrie im 19. Jahrhundert zum Teil blutig unter Einsatz ihres Lebens erkämpft worden sei. Zudem würden die erweiterten Aufsichtsbefugnisse des Sozial- und Finanzministeriums die Selbstverwaltung einschränken.

Das von der Regierung propagierte Ziel der gleichen Leistungen für gleiche Beiträge werde nicht erreicht, im Gegenteil. Durch die Zerstörung des Hauptverbandes würden die Systeme weiter auseinanderdriften, weil es keine starke Koordination mehr gebe. Es drohe eine Drei-Klassen-Medizin für Beamte, Selbstständige und Bauern, sowie für die sieben Millionen Versicherten der ÖGK.

Statt der von der Regierung versprochenen Gesundheitsmilliarde werde dem System im Gegenteil mehr als eine Milliarde bis 2023 entzogen. Dazu kämen noch Kosten für die Fusion und für neue Verträge, die die Regierung verschwiegen habe, schließt sich der ÖGB auch der Kritik des Rechnungshofes an.

Durch die Verlagerung der Beitragsprüfung zur Finanz könne der ÖGB Fälle von Schwarzunternehmertum, Lohn- und Sozialdumping sowie Scheinselbstständigkeit nicht mehr auf eigene Initiative untersuchen. Für die Versicherten könne dies niedrigeres Krankengeld, Wochengeld, Arbeitslosengeld und langfristig auch niedrigere Pensionen bedeuten, erläuterte der Leitende Sekretär Bernhard Achitz die Befürchtungen des ÖGB.