Regierung präsentiert im Ministerrat Mindestsicherungspaket
Geregelt wird das bundesweit harmonisierte Modell, das bisher durch unterschiedliche Landesgesetze (auf Basis einer mittlerweile ausgelaufenen 15a-Vereinbarung) geregelt wurde, in einem Grundsatzgesetz, mit dem der Bund den Bundesländern einen Rahmen und Grundprinzipien für die neue Mindestsicherung vorgibt. Bei der Höhe der monatlichen Mindestsicherung orientieren sich ÖVP und FPÖ am Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz von derzeit 863 Euro. Für einen allein stehenden Mindestsicherungsbezieher gibt es 100 Prozent, für ein Paar zwei Mal 70 Prozent des Richtsatzes bzw. 1.208 Euro.
Für Kinder soll es künftig gestaffelte Beträge geben: für das erste Kind 25 Prozent, für das zweite Kind 15 Prozent und ab dem dritten Kind 5 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes. Von einer völligen Deckelung hat man aus verfassungsrechtlichen Gründen abgesehen.
Eines der Hauptziele von Türkis-Blau ist der "Stopp der Zuwanderung ins Sozialsystem". Zuwanderer mit nicht ausreichenden Deutschkenntnissen sollen deshalb eine gekürzte Mindestsicherung von 563 Euro erhalten. Die 300 Euro Differenz auf die volle Mindestsicherung erklärt die Regierung als Sachleistung zum "Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit". Damit sollen Sprachkurse finanziert werden. Voraussetzung für den Erhalt der vollen Sozialhilfe ist Deutsch-Niveau B1 oder Englisch-Niveau C1. Für den Nachweis beim Sozialamt braucht es ein Sprachzertifikat, einen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache oder die Vorsprache bei der Behörde, was etwa für der deutschen Sprache mächtige Österreicher ohne Pflichtschulabschluss ausreichen würde.
Für Drittstaatsangehörige sowie EU- und EWR-Bürger plant die Regierung eine fünfjährige Wartefrist. Unionsbürger mit einem kürzeren rechtmäßigen Aufenthalt haben nur dann uneingeschränkten Zugang zur Sozialhilfe, wenn sie sich etwa als Arbeitnehmer in Österreich befinden. Im Gesetz ist dazu eine Einzelfallprüfung vorgesehen. Nach Ansicht von Regierungsvertretern ist eine solche Lösung unionsrechtlich zulässig. Asylberechtigte haben erst ab dem Zeitpunkt Anspruch auf Mindestsicherung, ab dem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird, Asylwerber sollen wie schon jetzt keinen Leistungsanspruch bekommen.
Für Alleinerzieherinnen ist zusätzlich zur Mindestsicherung ein Bonus vorgesehen: bei einem Kind 12 Prozent vom Ausgleichszulagenrichtsatz (derzeit 103,5 Euro), bei zwei Kindern 21 Prozent (181 Euro), bei drei Kindern 27 Euro (233 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent. Personen mit Behinderung sollen einen Zuschlag von 18 Prozent (155 Euro) erhalten.
Um die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen sollen laut den Regierungsplänen die Länder die Möglichkeit bekommen, einen Zuschlag von bis zu maximal 30 Prozent für Wohnkosten zu vergeben. Dies könnte etwa in Städten mit besonders hohen Immobilienpreisen wie Innsbruck oder Salzburg notwendig sein. Die Bundesregierung will damit Bedenken aus den westlichen Bundesländern Rechnung tragen.
Fällt jemand in die Mindestsicherung, dann sollen die Länder auch künftig die Möglichkeit des Vermögenszugriffs haben. Zusatz: "wenn die Notlage dadurch nicht verschlimmert wird". Ein Auto, das zur Fahrt in die Arbeit benötigt wird, soll etwa vom Zugriff ausgenommen sein. Zudem definiert die Regierung in ihrem Paket ein "Schonvermögen" von 600 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (knapp 5.200 Euro), bis zu dem künftig kein Zugriff möglich sein soll. Zugleich wird die "Schonfrist" für den Zugriff auf das Eigenheim bzw. die pfandrechtliche Eintragung im Grundbuch von sechs Monaten auf drei Jahre erhöht.
Sozialhilfeempfänger sollen künftig für einen befristeten Zeitraum auch zusätzliche Einkünfte lukrieren dürfen. Für jene, denen es gelingt, aus der Mindestsicherung heraus eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ist laut Regierung ein Freibetrag von bis zu 35 Prozent des Nettoeinkommens vorgesehen. Dieser Gehaltsteil soll für bis zu 12 Monate von einer Anrechnung ausgenommen werden. Türkis-Blau will so stärkere Arbeitsanreize setzen.
Begleitend zum Mindestsicherungspaket präsentiert die Koalition auch erste Modellrechnungen und Beispiele zu den Auswirkungen der Reform. Für Alleinstehende ändere sich demnach im Vergleich zur bisherigen Praxis in den verschiedenen Bundesländern kaum etwas, Personen mit Behinderung würden profitieren, bei Mindestsicherungsbeziehern mit geringen Deutschkenntnissen würde weniger Geld als bisher ausgezahlt, Alleinerzieherinnen bekämen künftig mehr, bei Familien mit Deutschkenntnissen käme es zu geringfügigen Änderungen, Familien mit geringen Deutschkenntnissen erhielten demnach weniger Geld.
In der Regierungssitzung am Mittwoch verabschieden ÖVP und FPÖ eine Punktation, der entsprechende Gesetzesentwurf soll im Lauf der Woche in Begutachtung gehen. Die Begutachtungsphase läuft sechs Wochen bis Mitte Jänner, im Februar/März soll das Gesetz den parlamentarischen Prozess durchlaufen und beschlossen werden. Das Grundsatzgesetz soll mit 1. April 2019 in Kraft treten. Danach haben die Bundesländer in einer mehrmonatigen Übergangsfrist bis Ende 2019 Zeit, um die entsprechenden Landesgesetze zu erlassen. Die genauen Ausführungsbestimmungen sowie konkreten Sanktionen bei Missbrauch oder Arbeitsunwilligkeit müssen die Länder nämlich selbst festlegen.
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