APA - Austria Presse Agentur

Van der Bellen besuchte im Libanon Flüchtlingscamp

Es war ein fast frostiger Empfang, der Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag zu Beginn seiner Libanon-Reise bereitet wurde. Rein meteorologisch natürlich, denn insbesondere die Kinder im Flüchtlingslager Haoush Er Rafqa hatten Ihren Spaß. Schließlich hatte der hohe Gast aus Österreich auch Spielzeug mitgebracht.

Fußbälle, Frisbees, Buntstifte und "Manner-Schnitten" wurden als Geschenke verteilt, als der trotz Mantel und Schal sichtlich fröstelnde Bundespräsident gemeinsam mit seiner Ehefrau Doris Schmidauer das knapp zwei Autostunden von Beirut entfernt gelegene Camp durchwanderte.

Eine kalte Brise wehte durch das Zeltlager in der Bekaa-Ebene im Nordwesten des Libanons nahe der syrischen Grenze. Doch zeigte sich Lisa Taschler, Chefin des Libanon-Büros des Österreichischen Roten Kreuzes, mit dem Wetter gar nicht unzufrieden. Es regne hier oft ("Dann wird es schlammig"), erzählte die junge Frau, die seit zwei Jahren im Zedern-Staat stationiert ist, und im Winter sinken die Temperaturen sogar auf den Gefrierpunkt. "Dann haben wir hier Schnee".

Rund 90 Familien oder insgesamt um die 400 Personen leben unter rudimentärsten Bedingungen in dem 2015 errichteten Lager. Das österreichische Rote Kreuz sorgt mit Unterstützung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeitsagentur (Austrian Development Agency/ADA) und gemeinsam mit seinen libanesischen Kollegen für überlebenswichtige Einrichtungen wie Sanitäranlagen ("Pro Familie gibt es eine Latrine, das ist auch eine Frage der Menschenwürde") und eine basismedizinische Betreuung.

Letztere wird zu 90 Prozent von syrischen Flüchtlingen in Anspruch genommen, zu zehn Prozent aber auch von der lokal ansässigen libanesischen Bevölkerung. Es werde nämlich streng darauf geachtet, dass die Hilfe nicht einseitig sei, erzählte mit Gerry Foitik ebenfalls ein Vertreter des Roten Kreuzes.

Im Libanon, der abgesehen von einer über elf Millionen Menschen zählenden Diaspora in (fast) aller Welt selbst über knapp unter fünf Millionen Einwohner verfügt, leben nach Schätzungen rund 1,2 bis 1,3 Millionen Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Damit hat der Libanon laut UNHCR im Verhältnis zur eigenen Bevölkerung weltweit die meisten Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen.

Die Zahl der offiziell registrierten Flüchtlinge schwankt je nach Angaben von Organisationen wie dem Flüchtlingskommissariat UNHCR oder dem Roten Kreuz. Sie bewegt sich aber stets bei einem Wert von rund einer Million.

Der Zugang des Libanons - sowohl der Behörden, als auch der von einer ethnischen wie religiösen Diversität geprägten Bevölkerung (Schätzungen sprechen von 34 Prozent Schiiten, 22 Prozent Sunniten, 22 Prozent Maroniten, sieben Prozent Drusen, sechs Prozent Griechisch Orthodoxen sowie vier Prozent Griechisch-Katholiken und anderen) - gegenüber den hilfsbedürftigen Migranten aus dem Nachbarland sei "gastfreundlich", aber auch "pragmatisch", berichtete Foitik.

Solange der Krieg im Syrien andauere und Unterstützung nötig sei, werde diese gewährt werden. Allerdings sei man im Libanon ebenso darauf bedacht, keine permanenten Strukturen für eine darüber hinaus dauernde Sesshaftigkeit entstehen zu lassen.

So ist in den meisten Fällen bei Flüchtlingslagern eben kein Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung, das Abwassermanagement oder das Stromnetz vorgesehen. Daher stehen in den Zelten auch einfache Holzöfen, die einer mitteleuropäischen TÜV-Überprüfung vielleicht nicht unbedingt standhalten würden. Brände, so Lisa Taschler, sind daher leider keine Seltenheit.

"Wir wissen, dass die Situation der Flüchtlinge schlecht ist", zog daher auch Van der Bellen eine gemischte Bilanz seiner Visite in dem Camp. "Aber hier werden wenigstens die Grundbedürfnisse erfüllt." Das Rote Kreuz mache aus der Situation immerhin das Beste.

Weitere Verbesserungen der Lebensbedingungen sind aber nicht absehbar, denn auch fixe Bauten für Wohnungen oder die Befestigung von Straßen werden von libanesischer Seite tunlichst vermieden, um keine dauerhaften Lösungen zu schaffen.

Diese Vorsicht ist auch eine Folge der Erfahrungen der Libanesen mit palästinensischen Flüchtlingen, die in den vergangenen Jahrzehnten im Zuge des Nahost-Konflikts mit Israel in den Libanon kamen und nun teilweise schon seit mehreren Generationen hier leben. Ihre Zahl beträgt unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 200.000 und 500.000.

Neben Zeltlagern dienen oft frühere Arbeitersiedlungen, Lagerhallen oder ehemalige Supermärkte als Flüchtlingsquartiere. Befinden sich diese in entlegenen Gegenden ohne Nahversorgung, kümmert sich beispielsweise das Rote Kreuz um Nahrungsmittel.

In der Nähe von Siedlungen und Städten werden die Flüchtlinge mit Prepaid-Kreditkarten ausgestattet, die ausreichen, um das Allernötigste zum Überleben zu besorgen. Rund 71 Prozent der syrischen Familien im Libanon haben aber dem Roten Kreuz zufolge pro Tag weniger als 3,84 Dollar pro Person und Tag zur Verfügung. Mit dieser Summe ist die nationale Armutsgrenze definiert.

Prinzipiell gebe es aber ein großes Engagement - sowohl von staatlicher Seite als auch durch die Zivilgesellschaft - um den Vertriebenen eine Perspektive zu geben, hieß es bei dem Besuch von Van der Bellen, der am Dienstag Präsident Michel Aoun treffen und am Mittwoch den rund 175 Bundesheer-Soldaten der UNO-Friedensmission UNIFIL einen Besuch abstatten wird.

Der Schulunterricht werde vielerorts in zwei Schichte abgehalten. Am Vormittag besuchen libanesische Kinder die Schulen, am Nachmittag sind dort die Buben und Mädchen anzutreffen, deren Familien vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Manche der Kleinen sind schon im Libanon geboren - sie haben die vom Krieg zerrüttete Heimat ihrer Eltern nie gesehen.