Zirngast analysiert in "Washington Post" das System Erdogan

Journalist ist seit September in der Türkei inhaftiert
Der seit September in der Türkei inhaftierte österreichische Journalist Max Zirngast hat in einem Beitrag für die "Washington Post" die Geschichte seiner Festnahme erzählt und Einschätzungen der Erdogan-Regierung mitgeteilt. "Meine Verhaftung war eine perverse Bestätigung des Autoritarismus, den ich in den vergangenen paar Jahren aufgezeichnet habe und gegen den ich aufgetreten bin", so Zirngast.

Der Text mit dem Titel "Ich bin ein Journalist in einem türkischen Gefängnis. Warum hat Erdogan Angst vor Menschen wie mir?" fasst Briefe des Steirers zusammen, die er nach Österreich an die Kampagne geschickt hat, die sich für seine Freilassung einsetzt und über die die APA berichtet hat. Darin kritisierte er u.a. auch die Haftbedingungen.

Zirngast befindet sich im Sincan-Gefängnis in Ankara. Anklage gegen ihn wurde nach wie vor nicht erhoben, wie der Student und Autor auch in der "Washington Post" betonte. Der Verdacht gegen den Aktivisten lautet seinen Anwälten zufolge auf Mitgliedschaft in einer linksgerichteten "terroristischen Vereinigung". Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. "Sie nahmen davon Abstand, mich offiziell anzuklagen, stattdessen halten sie mich auf Basis vager Terrorwürfe fest", schreibt Zirngast in der "Post" (online vom Freitag, 30. November).

Gegenstand seiner Befragung durch den Staatsanwalt war laut Zirngast u. a. ein Artikel von ihm für das linke US-Magazin "Jacobin". Darin solle er laut Vorwurf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan beleidigt haben. In der Türkei steht Präsidentenbeleidigung unter Strafe. Zahlreiche Verfahren laufen dazu etwa gegen Künstler, Satiriker oder Oppositionspolitiker; Hunderte ließ Erdogan selbst einleiten. Für Aufsehen sorgte 2016 die Anzeige des deutschen Satirikers Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts auf den Staatschef, was mangels Zugriffs der türkischen Justiz keine strafrechtlichen Folgen hatte.

Sein Fall und die Fälle anderer in der Türkei inhaftierter Publizisten - laut Reporter ohne Grenzen sind es mehrere Dutzend - strafe die Ansicht, dass Erdogan in irgendeiner Weise an Pressfreiheit oder Menschenrechte glaube, Lügen. Dabei versuche Erdogan gerade rund um den Fall des im Oktober im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul getöteten saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi ein solches Image zu pflegen, so Zirngast weiter in seinem Beitrag. Unter immensem internationalen Druck hatte Saudi-Arabien die Tötung des Regimekritikers Khashoggi zugegeben. Die genauen Hintergründe sind noch nicht ganz klar. Eine persönliche Verwicklung des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman steht im Raum. Erdogan hatte Mitte November bestätigt, dass seine Regierung im Besitz von Aufnahmen aus dem Konsulat zum Mord an Khashoggi sei und tritt in der Causa als unverbrüchlicher Verfechter der Rechtsstaatlichkeit auf, der auf vollständige Aufklärung des Journalistenmordes pocht.

Zirngast prangert in der " Washington Post" auch die Unterdrückung von Aktivisten, die für die Rechte der Kurden in der Türkei eintreten, sowie von Anhängern des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den Erdogan für den Putschversuch vom Sommer 2016 verantwortlich macht, an und spart auch hier nicht mit Kritik an dem Präsidenten. "Diese Art von mutwilliger Repression ruft nichts als Zorn und Hoffnungslosigkeit hervor", analysiert Zirngast. Das, was in der Türkei derzeit unter "Terrorismus" verstanden und unter diesem Vorwand niedergeschlagen werde, "wird nur noch mehr Erbitterung gegen das Regime hervorrufen in den kommenden Jahren".

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