Kurier/Juerg Christandl

Silvester 2020 – die zweite stille Nacht

Einzelne Spaziergänger statt Menschenmassen am letzten Tag des Jahres: Kein Feuerwerk, kein Silvesterpfad: „Schön langsam wird es fad“
Jürg Christandl Jürg Christandl Nina Oezelt

Österreicherin oder Österreicher zu sein heißt, zu Silvester Walzer zu tanzen. Mit dem „Donauwalzer“ von Johann Strauss das Neue Jahr zu begrüßen ist Teil einer Tradition, die international gefällt. Nicht umsonst reisen jährlich Tausende Menschen aus der ganzen Welt nach Wien, um das Jahr hier ausklingen zu lassen. Die Stadt verwandelt sich da normalerweise in eine große Partymeile. Normalerweise, denn erstmals seit drei Jahrzehnten wurde der Silvesterpfad mit Live-Bühnen, Programm für Jung und Alt, Essensbuden und Trinkständen abgesagt.

Der traditionelle Höhepunkt ist zu Mitternacht das Läuten der Pummerin und das Feuerwerk am Rathausplatz. Bereits vergangenes Jahr gab es viele enttäuschte Gesichter vor dem Rathaus, die vergebens auf die Lichter am Himmel warteten. Der starke Wind machte den Zusehern einen Strich durch die Rechnung. Heuer sorgten der Lockdown und das Feuerwerksverbot für Stille. Die Einhaltung des Pyrotechnikgesetzes und der Lockdown-Regeln überwachten in der Silvesternacht 4.000 Polizisten.

„Das Feuerwerk fehlt uns besonders“, sagte dazu das Studentenpärchen Frida und Patrick, die am Vormittag durch die Stadt wanderten. Positiv konnte der Würstelstandmitarbeiter Cengiz Uludag auf der Kärntnerstraße die Ausgangsbeschränkungen in der längsten Nacht des Jahres beurteilen: „Ich kann erstmals den Jahreswechsel mit meiner Familie feiern“, betonte er.

Jogger und Shopper

Die sonnigen Stunden untertags nutzten Jogger und Last-Minute-Einkäufer. „Lachs, feinen Schinken und Kletzenbrot“, besorgte die Archivarin Margit Richter noch schnell bei Billa Corso. Viele gingen aufs Eis. Eine Schlange bildete sich vor dem Eislaufverein am Heumarkt. „Es ist wunderschön sonnig heute“, so eine Besucherin. „Wo soll man mit den Kindern sonst hin“, meinte ein Familienvater.

Gertrude Mali (71) und Monika Buchinger (74) besuchten die Kirchen am letzten Tag des Jahres.

Nina Oezelt

Als zweite stille Nacht des Jahres bezeichneten die Spaziergängerinnen Gertrude Mali (71) und Monika Buchinger (74) Silvester 2020. Sie besuchten Kirchen – diese zählen zu den wenigen Orten, die untertags noch offen hatten. „Schön langsam wird es fad mit den Beschränkungen“, sagten sie. Eine der beiden musste alleine feiern. „Für Menschen, die alleinstehend sind, ist die Zeit hart“, ergänzte sie. Die Zweisamkeit genießen hingegen das Pärchen Lukas und Valentina: „Wir bleiben zu Hause. Dass es keine Party gibt, stört uns nicht.“ Den Walzer tanzten heuer wohl viele daheim.

Das Wiener Pärchen Lukas und Valentina freute sich auf einen ruhigen Abend.

Nina Oezelt