EPA / FACUNDO ARRIZABALAGA

Hektik hinter den Palastmauern nach Rassismus-Vorwürfen bei Oprah

Nach dem Interview von Meghan und Harry rätselt das Königreich, wer sich über die Hautfarbe des ungeborenen Archie geäußert haben könnte. Vater Markle droht mit neuen Geschichten über das Paar.
Georg Szalai

„Never complain, never explain“ – also: „Nie beschweren, nie erklären“ – gilt als inoffizielles Motto der britischen Königsfamilie.

Aber stoische Ruhe und Schweigen erscheinen immer mehr Beobachtern nach dem explosiven Interview von Meghan und Harry mit Oprah Winfrey, samt Rassismusvorwürfen gegen das Königshaus, unangebracht, steht doch die Frage im Raum, ob der Palast, oder gar das Land, rassistisch sei.

Denn Meghan erzählte, dass es vor der Geburt von Sohn Archie „Bedenken und Gespräche“ in der Familie darüber gab, „wie dunkel seine Haut sein könnte“, ohne zu sagen, wer das gefragt habe.

Experten sind vorsichtig und sagen, die meist genau gewählten Kommentare der Royals machen es oft schwierig, wahre Einstellungen einzuschätzen. Aber Kritiker erinnern an so manchen Fauxpas. Etwa als Prinz Philip bei einem Besuch in China 1986 Schlagzeilen machte, als er schottischen Studenten sagte, sie sollten nicht zu lange im Land bleiben, weil sie sonst Schlitzaugen bekämen. Und Harry selbst verkleidete sich 2005 als Nazi, was zu einem Aufschrei und einer Entschuldigung führte.

Media reactions to Harry and Meghan interview

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Weiterhin ist unklar, wer denn den Kommentar zur Hautfarbe Archies gemacht hat. Laut Winfrey waren es weder Queen Elizabeth II. noch Prinz Philip, aber Thronfolger Charles und Sohn William wurden bisher nicht freigesprochen. „Wenn die beschuldigte Person nie genannt wird, gibt es eine Wolke des Misstrauens gegenüber den zukünftigen Königen unter Minderheiten im Land und im gesamten Commonwealth“, zitierte das Nachrichtenportal Politico die Sorge eines anonym bleiben wollenden Ministers. „Aber wenn sie genannt wird und sehr hochrangig ist, ist es eine Katastrophe“.

Charles-Biograf Jonathan Dimbleby sagte dem BBC Radio, er glaube nicht, dass der Thronfolger sich rassistisch geäußert habe: „Sein berufliches und persönliches Leben ist darauf ausgerichtet, Menschen zusammenzubringen“.

Auch Meghans mit ihr zerstrittener Vater lieferte Schützenhilfe. „Ich glaube nicht, dass die britische Königsfamilie rassistisch ist“, sagte er. „Ich vermute und hoffe, dass es nur eine dumme Frage von jemandem war“.

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Kolonialzeit aufarbeiten

So manche sehen das Drama aber als Chance für Großbritannien, Rassismus und Kolonialgeschichte, die schon die Black Lives Matter Bewegung zum Thema gemacht hatte, intensiver zu diskutieren. Auch Fußballer in der englischen Premier League, die ethnischen Minderheiten angehören, werden und wurden immer wieder rassistisch beschimpft.

Aktivistin und Frauenrechtlerin Shola Mos-Shogbamimu sagt BBC News, dass „Rassismus so normalisiert ist“ in Großbritannien, dass Zuseher, die nicht Minderheiten angehören, „leugnen wollen, dass die königliche Familie als Institution in Kolonialismus, Rassismus und weißer Vorherrschaft verwurzelt ist“.

Die Labour Partei fordert eine Untersuchung der Vorwürfe. „Es ist eine Erinnerung daran, dass zu viele Menschen im Großbritannien des 21. Jahrhunderts Rassismus erleben“, sagte etwa Labour-Chef Keir Starmer. Und auch die konservative Kinderministerin Vicky Ford meinte: „In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Rassismus“.

Premier Boris Johnson hält sich bisher allerdings zurück. „Ich hatte immer die höchste Bewunderung für die Königin und ihre vereinigende Rolle“, sagte er. Andere Angelegenheiten der königlichen Familie wolle er nicht kommentieren.

Politico rechnete Dienstag Früh vor, dass der Palast nach nur 20 Stunden auf Mobbing-Vorwürfe gegen Meghan reagiert hatte, aber seit ihrem Rassismus-Vorwurf bereits 28 Stunden ohne ein einziges Wort vergangen seien.

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Krisengespräche

Von zunehmender Hektik und Panik hinter den Palastmauern berichteten dann auch andere Medien. Unter steigendem Druck, ein Statement abzugeben, soll die Königin Krisengespräche mit Charles, der bei einem Dienstag-Termin eine Reporter-Frage zum Thema ignorierte, und Enkel Prinz William geführt haben. Der Telegraph rechnete mit einem Kommentar aus dem Buckingham Palace noch am späteren Dienstag.

Vielleicht hofft so mancher im Palast, dass Vater Markle bald wieder die Schlagzeilen dominiert. Er drohte Meghan und Harry: „Wenn ich in 30 Tagen nichts von ihnen höre, gebe ich der Presse noch eine Geschichte“.

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