Mitten im 4. Bezirk produzieren Patrick Martinelli und Mehmet Uysal den ersten Wiener Raki. Fünf ausgewählte Kräuter wählten sie für eine „europäische Version“ des türkischen Nationalgetränks.

Kurier/Wolfgang Wolak

Schnapsidee: Raki aus dem Freihausviertel

Mehmet Uysal und Patrick Martinelli bringen mit Wiener Raki ein Stück türkische Tradition nach Österreich.
Nina Oezelt

Stundenlang sitzt man mit Freunden am Tisch. Meist in einer „Meyhane“, einer Taverne. Der Raki-Konsum gleicht in der Türkei einem Ritual. Schon lange träumte Mehmet Uysal davon, die sogenannten Raki-Tische nach Wien zu bringen.  

Kaum eine Tradition ist ihm lieber: Zum alkoholischen Getränk mit Anisgeschmack isst man  Meze. Das sind türkische Tapas  mit Zutaten wie Melanzani, Joghurt, Kichererbsen, Salat oder Fisch. Man kostet sich durch. Man isst nicht aus Hunger, man trinkt nicht aus Durst. Es geht um die Gesellschaft. Und man spricht über Gott und die Welt.  Man singt und tanzt. 

Mehmet Uysal schüttet mit seinem Partner Patrick Martinelli Gewürze und Alkohol in den Destillator.  

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Der 36-jährige Mehmet Uysal kam mit 20 Jahren von Ankara nach Wien.  Er studierte zwar Architektur,  arbeitete aber lieber in der Gastronomie und wurde Getränke-Händler. So ein Raki-Tisch fehlte ihm aber. Und noch viel mehr ein Raki, der nach Wien passt.

 

Der Raki wird direkt in Wien gemacht.

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Memo und Rick

Jetzt arbeitet Uysal  in einem Untergeschoss. Gleich neben dem Schikander, mitten im sogenannten Freihausviertel. Er schüttet mit seinem Partner Patrick Martinelli Gewürze und Alkohol in den Destillator.  

„In Wien kennt man Mehmet unter dem Namen Memo“, sagt Patrick, der sich selbst übrigens Rick nennt. Gemeinsam produzieren sie Wiens ersten Raki. Und nennen ihn Ottoraki. In dem Gewürzsack befinden sich Sternanis, Orangenblüten, getrocknete Feigen, Kardamom und Süßholz.

In dem Gewürzsack befinden sich Sternanis, Orangenblüten, getrocknete Feigen, Kardamom und Süßholz.

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Zwei Tage lang wird der Alkohol dann mit den Gewürzen angereichert.  Danach wird die Flüssigkeit abgezogen und in der eigens angefertigten Destille in einem Wasserbad (50 Prozent Alkohol und  50 Prozent Wasser) destilliert. „Die Phase heißt Mazeration“, sagt Martinelli. Danach wird der Alkohol gebrannt. Wenn er fertig ist, hat er 45 Prozent Alkohol.

 

In den Räumlichkeiten von Rick Spirit World werden auch Gin-Workshops veranstaltet.

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Louche-Effekt

Besonders  ist auch die Raki-Farbe: Bei Zimmertemperatur ist er klar.  Mischt man  Wasser dazu, wird er milchig. Man nennt die Verwandlung den „Louche-Effekt“.  Je trüber das Glas, umso höher der Anisgehalt. 

Die Weinbasis, die für den Ottoraki genützt wird, ist   ein Weißburgunder aus der Steiermark von Martinellis Familie. Der Wein wird hoch destilliert und hat anfangs noch 89 Prozent Alkohol. Bis „Memo und Rick“ ihre Raki-Variation hatten, hat es  gedauert. „17 Variationen haben wir  getestet“, sagt Uysal. Die finale Version ist milder, eine Wiener Version eben, erklären sie. 

Bei Zimmertemperatur ist er klar. Mischt man Wasser dazu, wird er milchig. Man nennt die Verwandlung den „Louche-Effekt“.

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Auf Anis-Schnaps schwören nicht nur die Türken. „Raki heißt bei den Griechen Ouzo, bei den Franzosen Pastis, bei den Arabern Arak und bei den Italienern Sambuca“, sagt Uysal. Dem Gewürz Anis wird eine aphrodisierende und heilende Wirkung zugeschrieben. Manche sehen den Schnaps als eine Art Medizin. 

Das Lokal befindet sich auf der Margaretenstraße im vierten Bezirk.

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Skeptisch bis problematisch sieht das übrigens der konservative Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei. Der sagte schon vor Jahren: Nicht Raki, sondern Ayran sei das Nationalgetränk des Landes. Der Raki-Preis ist seit seiner Machtergreifung (vor 20 Jahren!) ins Unermessliche gestiegen. Die Steuern wurden auf fast 50 Prozent erhört. Viel werde illegal produziert, nicht immer ist das ungefährlich. 

Außerdem darf man in der Türkei Alkohol nicht mehr nach 10 Uhr abends kaufen, und auch im Fernsehen, werden Gläser mit Alkohol verpixelt. Dafür haben liberale Türken oft wenig Verständnis. „Beim Raki trinken weint und lacht man, man nimmt sich Zeit, man will nicht  betrunken sein, man trinkt schlückchenweise und genießt die Zeit“, erklärt Uysal.

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