Im Sitzungssaal des ORF-Stiftungsrates werden Plätze neu besetzt. Nach der Regierungsbildung kommt es zu Kräfteverschiebungen

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Sesselrücken im ORF-Aufsichtsrat

ÖVP-Dominanz im Stiftungsrat. Unklare Zukunft von Norbert Steger als Vorsitzender.
Christoph Silber Christoph Silber

Zumindest für die Quoten des ORF hat sich die neue türkis-grüne Regierung bereits ausgezahlt. Die Präsentation des Regierungsprogramms durch den neuen, alten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie Neo-Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler verfolgten Donnerstagnachmittag über 300.000 Menschen – gut doppelt so viele wie sonst bei den „Rosenheim Cops“. Die besten Werte seit Monaten für den Sendeplatz im ORF1-Hauptabend am Donnerstag fuhren die schnell produzierten Dokus zu Kurz und Kogler ein; stark auch „ZiB 2“ (763.000) und „Runder Tisch“ (583.000) in ORF2.

Ob man auf dem Küniglberg darüber hinaus mit der neuen Koalition froh wird, hängt auch am Stiftungsrat. Das oberste ORF-Aufsichtsgremium, das die Geschäftsführung wählt und (kaufmännisch) kontrolliert, verändert sich, wie es seit Schwarz-Blau 1 gesetzlich nach Wahlen vorgegeben ist.

Die ÖVP wird aber weiter knapp keine absolute Mehrheit im Gremium haben, verfügt jedoch über so viel Gewicht, dass das keine Rolle spielt. Sie soll sich jedoch, so heißt’s, gegenüber dem neuen Koalitionspartner verpflichtet haben, in Sachen ORF auf Alleingänge zu verzichten. Demnach gäbe es hier keinen koalitionsfreien Raum. Eine Abwahl des ORF-Chefs, für die es einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfte, ist ohnehin kein Thema.

Mehr Tempo

Gesprächsbedarf: ORF-General Wrabetz (re.), Türkis-Stiftungsrat und Freundeskreis-Chef Zach

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Ruhig schlafen kann ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz trotzdem nicht. Denn das Regierungsprogramm räumt dem ORF nun viele Möglichkeiten ein, die er für eine Zukunft in der digitalen Welt braucht – nutzen muss er sie schon selbst. Darauf wird auch der Stiftungsrat, der zuletzt das Credo „mehr Tempo“ an die ORF-Führung ausgegeben hatte, auch in neuer Zusammensetzung drängen.

Das Gremium verändert sich an zwei Punkten (siehe Grafik am Ende): Von den 35 Stiftungsräten bestellt die türkis-grüne Regierung neun Neue. Dass, wie kolportiert, fünf davon von der ÖVP kommen, aber nur zwei von den Grünen (sowie zwei Unabhängige), konnte man bei Letzteren so „nicht bestätigen“. Eine Variante ist, dass die Grünen das Vorschlagsrecht bei den Unabhängigen haben – sie blieben so aber nominell hinter der Anzahl der FPÖ-Stiftungsräte. Die kommt künftig auf vier Stiftungsräte, wovon drei vom Publikumsrat entsandt sind. Deren vorzeitige Abberufung ist gesetzlich nicht möglich.

Abgang erwartet

Norbert Steger hat es mit seiner Partei und sich selbst im ORF nicht immer leicht

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Die Regierung wird zudem sechs Vertreter „unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses der politischen Parteien im Nationalrat unter Bedachtnahme auf deren Vorschläge“ neu bestellen. Manches ist bei den neuen Parteien-Vertretern im Stiftungsrat ohnehin naheliegend: Statt der Liste Pilz, die aus dem Nationalrat geflogen ist, wird ein Grünen-Vertreter nachrücken.

Einen prominenten Abgang könnte es bei der FPÖ geben: Alt-Vizekanzler und Stiftungsratsvorsitzender Norbert Steger stand parteiintern unter Beschuss, weil er vor der Wahl der blauen Spitze in der Medienpolitik „ständige Blödheiten“ – etwa in Zusammenhang mit der GIS-Abschaffung – attestierte. Geht Steger (oder wird er gegangen), ist der Vorsitz dahin und würde vom Stiftungsrat neu gewählt. Das schmerzt die Oppositionspartei wohl kaum. Denn ein Vorsitzender muss sich im Ton mäßigen – was zuvor Steger auch nicht immer gelang, etwa, wenn es gegen Armin Wolf ging. Weder von der FPÖ noch von Steger war bis Redaktionsschluss dazu eine Stellungnahme zu erhalten.

In einer Aussendung trommelte die FPÖ bereits im Oppositionston und verortete Türkis als „Steigbügelhalter der Grünen.“ SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda kritisierte wiederum, das Medienkapitel der Regierungserklärung sei von „ausgeprägter höflicher Unverbindlichkeit“. Zufrieden war hingen der Zeitungsverband, der einen „Neustart in der Medienpolitik“ konstatierte.