Auch das Wappentier der USA, der Weißkopfseeadler, hätte ohne das Artenschutzgesetz nicht überlebt

REUTERS/BOB STRONG

Artenschutz in den USA? Nur wenn der Preis stimmt

Nach fast 50 Jahren will die US-Führung das Gesetz für bedrohte Tier- und Pflanzenarten aushöhlen. Widerstand ist angesagt.
Dirk Hautkapp Dirk Hautkapp

Alligatoren in Florida, Grizzlybären in Alaska, der Kondor in Kalifornien und der Weißkopfseeadler, das Wappentier der Vereinigten Staaten: Sie alle verdanken nach Angaben von Wissenschaftlern ihren Fortbestand dem seit fast 50 Jahren geltenden Artenschutz. Seit dieser Woche kämpft das unter Präsident Richard Nixon erlassene Gesetz, das bedrohte Tier- und Pflanzenarten schützt, um sein Überleben.

Donald Trump hatte vor seiner Wahl 2016 angekündigt, stärker wirtschaftliche Erwägungen darüber entscheiden zu lassen, ob eine Spezies geschützt wird oder nicht. Jetzt hat das von dem ehemaligen Öl- und Gas-Lobbyisten David Bernhardt geleitete Innenministerium offiziell das Zurückdrehen des Gesetzes angekündigt.

Laut Wirtschaftsminister Wilbur Ross sollen dadurch die Interessen von Industrie und Landwirten „besser“ mit den Anliegen von Naturschützern harmonisiert und das Kernversprechen Trumps erfüllt werden: weniger staatliche Regulierung. Details sollen diese Woche noch folgen.

Öl und Gas gehen vor

Für Umweltschützer ist jedoch bereits klar, dass der Eckpfeiler des Gesetzes, das wie ein Bollwerk der Natur gegen ökonomische Interessen wirkte, eingerissen werden soll. Nicht in erster Linie für die rund 1200 Tier- und 700 Pflanzen-Arten, die heute unter Schutz stehen, aber für in Zukunft bedrohte und gefährdete. Für sie soll erst eine wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rechnung aufgemacht werden, bevor über ihre Unterschutzstellung entschieden wird. Konkret: Wie viel Einnahmen und Umsätze gingen etwa Öl- und Gas-Unternehmen verloren, weil sie in einem bestimmten Landstrich keine umfangreichen Rodungen für Fracking-Anlagen durchführen können, weil dort bereits dezimierte Vogel-Arten ihr Biotop haben? Nach welchen Kriterien am Ende der Daumen über eine Tier- und Pflanzenart gehoben oder gesenkt wird, hat die Regierung bisher nicht dargelegt.

„Geschenk an Industrie“

„Diese Änderungen krachen wie ein Bulldozer durch die Schutzbestimmungen für Amerikas am meisten verwundbare Tierwelt“, sagt Noah Greenwald, Direktor des Zentrums für Biologische Vielfalt, „für Marder und Monarch-Schmetterlinge kann das der Anfang vom Ende bedeuten.“ Die Gruppe Earthjustice bezeichnete das Vorhaben der Regierung als „Geschenk an die Industrie“.

Als perfide empfinden Umweltschützer, dass die Regierung den Faktor Klimawandel/Erderwärmung als Beschleuniger für das Artensterben aus der Betrachtung quasi eliminiert hat. Erst im Frühling hatten sieben weltweit renommierte Wissenschaftler im Auftrag der UNO festgestellt, dass der Klimawandel in den kommenden Jahren eine Million Arten auf diesem Planeten auslöschen könnte. Dabei wurde ein Zeithorizont von 80 Jahren angenommen.

 

Getty Images/iStockphoto/labrlo/IStockphoto.com

 

Ein Experte des World Wildlife Fund (WWF) erklärte in Washington, dass der Schutz des Polar-Eisbären 2010 unter den neuen Kriterien nicht möglich gewesen wäre. Damals wurden angesichts der rasant voranschreitenden Polareis-Schmelze 200.000 Quadratmeilen in Alaska als Habitat ausgewiesen. „Trumps Regierung glaubt nicht an den Klimawandel. Eine Schutzzone wie damals würde darum heute kaum mehr ausgewiesen.“

Zehn Generalstaatsanwälte aus den Bundesstaaten kündigten juristische Schritte an, allen voran Massachusetts und Kalifornien. Maura Healey und Xavier Becerra, die dort verantwortlichen Top-Juristen, warfen der Zentralregierung „illegales Handeln“ vor. „Wir können nicht zulassen, dass die Regierung den Schutz für unsere seltenen Tiere und Pflanzen und die für Tourismus und Erholung wichtigen Wirtschaftsbereiche aufs Spiel setzt“, sagte Healey. Sie erinnerte daran, dass Innenminister Bernhardt in seinem früheren Leben als Lobbyist mehrfach gegen das Artenschutzgesetz geklagt hatte. „Er kann kein ehrlicher Makler sein“, ist daher die gängige Meinung unter demokratischen Kongress-Abgeordneten.