APA - Austria Presse Agentur

Boykottstimmung: Iraner wählen neues Parlament

Selbst wenn die Ultrakonservativen bei der Parlamentswahl gewinnen, heißt das nicht, dass sich der Iran abschotten wird.
Michael Hammerl Michael Hammerl

Heute wählt der Iran ein neues Parlament – und es herrscht Boykottstimmung. Bis zu 9.000 Reformer und Moderate wurden nicht als Kandidaten zur Parlamentswahl zugelassen. Das stößt vielen Iranern sauer auf. Lag die Wahlbeteiligung in den vergangenen Jahren immer über 60 Prozent, droht sie diesmal unter 50 Prozent fallen. Die Reformer – denen auch Präsident Hassan Rohani angehört –  dürften deshalb ihre Mehrheit verlieren, die Ultrakonservativen stehen vor einem fragwürdigen Sieg. Das Parlament ist im Iran nicht sonderlich einflussreich, ein wichtiger Stimmungstest ist die Wahl dennoch.

Mit dem Wiener Atomabkommen schien Rohani 2015 ein Durchbruch gelungen zu sein, was die internationale Öffnung des Gottesstaates anbelangt. Der Deal: Der Iran reichert nur noch so viel Uran an, dass er keine Atombombe bauen kann. Im Gegenzug reduziert der Westen seine Wirtschaftssanktionen.

Geworden ist daraus bekanntlich – vorerst – nichts. US-Präsident Donald Trump beschloss 2018, dass der Deal ein schlechter sei. Die USA stiegen aus, belegten den Iran mit noch höheren Sanktionen, die EU zog nach. Betrug das Handelsvolumen zwischen EU-Staaten und dem Iran 2018 noch 18,35 Milliarden Euro, ist es im Vorjahr auf etwa fünf Milliarden gesunken. Die Zukunft, ja, der Sinn des Atomdeals ist unklar.

"Proteste gleichen eher Wutausbrüchen"

In diplomatischer Funktion reist Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg deshalb morgen nach Teheran. Er wolle das Abkommen „erhalten“ und ein „nukleares Wettrüsten in der Region“ verhindern, heißt es. Nur: Was hat der Iran davon? Auch Österreich hat den Import iranischer Waren de facto eingestellt.

„Der Erhalt des Atomabkommens ist natürlich an Handelsbeziehungen mit Europa und einem daraus resultierenden wirtschaftlichen Ertrag für Teheran gekoppelt. Österreich und andere EU-Staaten fürchten aber Sekundärsanktionen durch die USA, wenn sie den Handel mit dem Iran wieder intensivieren“, sagt Iran-Experte Adnan Tabatabai, Geschäftsführer des Forschungszentrum CARPO.

Unter der Isolation leidet vor allem die iranische Bevölkerung. Benzin- und Lebensmittelpreise steigen. Massenproteste vergangenen November, mit 200.000 Teilnehmern, hatte das Regime brutal niedergeschlagen. Vorboten einer neuen Revolution sieht Tabatabai dennoch nicht: „Die Proteste gleichen eher Wutausbrüchen als einer kohärenten politischen Bewegung mit klarer Ideologie. Das macht die Demonstrationen im Iran nicht weniger legitim, aber sie sind daher politisch nicht zielführend.“

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Kann Österreich zum Deal stehen?

Seit der Islamischen Revolution 1979 durchlebe der Iran immer wieder Stimmungszyklen. Auf eine Phase der Hoffnung und der Aufbruchstimmung folgt derzeit nach der Enttäuschung über das Atomabkommen und wegen der wirtschaftlichen Not und der Gefahr eines Krieges mit den USA tiefer Frustration, meint Tabatabai: „Die Iraner sind aber smart genug, die Mechanismen dahinter zu verstehen. Ihre Wut und Kritik richtet sich nicht nur gegen ihre Regierung und auch nicht nur gegen die USA.“

Gleichzeitig müsse die politische Elite aufgrund der schwindenden Kaufkraft handeln, die Wirtschaft ankurbeln und für Lösungen offen sein: „Selbst wenn kommendes Jahr ein Hardliner zum Präsidenten gewählt wird und die Konservativen alle Hebel der Macht in der Hand haben, kann ich mir gut vorstellen, dass sie der Bevölkerung Luft zum Atmen geben werden.“

„Die iranische Führung neigt dazu, das Gegenteil dessen zu machen, was von ihr seitens des Westens gefordert und erwartet wird“, sagt Tabatabai. Unter diesem Licht erscheinen Österreichs diplomatische Bemühungen wieder sinnvoller. Schallenberg beteuerte, dass Europa dem Iran zeigen müsse, „dass es trotz US-Sanktionen weiterhin zu seiner Seite des Deals steht und mit dem Iran kooperiert“. Das muss sich dann wohl auch im Handel zeigen.

Derzeit sammeln nur China und Russland Pluspunkte bei der Islamischen Republik: Sie haben die wirtschaftlichen Beziehungen größtenteils fortgesetzt, US-Sanktionen zum Trotz.

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