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Deutschland: Schlammschlacht um Staatsbürgerschaft für Zuwanderer

Pläne der Regierung, den Weg zum deutschen Pass leichter zu machen, sorgen für Polemik rund um illegale Migration und Integration
Konrad Kramar Konrad Kramar

Es ist das perfekte Thema, um Emotionen zu schüren. Ein Plan der Bundesregierung, Zuwanderern den Weg zum deutschen Pass abzukürzen, sorgt für Wallungen in der deutschen Politik, auch innerhalb der Koalition.

Fünf Jahre statt bisher acht Jahre sollen Zuwanderer auf die Staatsbürgerschaft warten müssen. Für jene, die gut integriert sind, also Deutsch besonders gut sprechen, oder sich sozial engagieren, soll es noch schneller gehen. Auch in Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern oder ältere Mitbürger, die lange im Land leben, können nach den aktuellen Plänen noch schneller Deutsche werden.

Bundespräsident Steinmeier überreicht eine Staatsbürgerschaft

 

EPA/Adam Berry / POOL

Zuerst abschieben

Es ist nicht das erste Mal, das eine deutsche Bundesregierung plant, die Einbürgerung zu erleichtern – und ebenfalls nicht zum ersten Mal sind die Reaktionen heftig. Kaum war der Entwurf aus dem von der Sozialdemokratin Nancy Faeser geführten Innenministerium bekannt geworden, ging die oppositionelle CDU dagegen in Stellung. Der deutsche Pass dürfe nicht „entwertet werden“, war da aus der Berliner Parteizentrale zu hören. Die Einbürgerung stehe am Ende, nicht am Anfang der Integration, es müsse also weiter gelten: „erst Integration dann Staatsbürgerschaft.“

Pull-Effekte

Auch die bayerische CSU wollte das Thema nicht an sich vorbeiziehen lassen und verknüpfte es mit einem ihrer Kernthemen, dem Kampf gegen die illegale Migration. Die deutsche Staatsbürgerschaft zu verramschen, fördere nicht die Integration, sondern werde „Pull-Effekte bei der illegalen Migration auslösen“.

Das war das Stichwort für die FDP, die sich öffentlich gegen die Koalitionspartner, SPD und Grüne in Stellung bringt. Noch deutlicher als die konservative Opposition verweist man auf die Bedrohung durch die illegale Migration. Um die müsse man sich zuerst kümmern: Es gebe keine Fortschritte bei der Rückführung (von Migranten, Anm.) und der Bekämpfung der illegalen Migration. „Jetzt soll die Innenministerin erst mal dafür Sorge tragen, dass die, die hier illegal sind, die die möglicherweise auch gesetzlich aufgefallen sind, dass die erst mal ordentlich zurückgeführt werden“, wird FDP-Politikerin Marie Strack-Zimmermann gegenüber RTL deutlich.

Doppelpass-Streit

Programmiert scheint auch eine Neuauflage des Streits um den sogenannten Doppelpass, der die Regierung in Berlin schon zu Zeiten von Angela Merkel beschäftigte. Der Hintergrund: Vor allem Zuwanderer aus der Türkei trennen sich nur ungern von ihrer alten Staatsbürgerschaft, wollen aber trotzdem auch die deutsche. Vor allem für konservative Politiker ein Symbol für mangelnden Willen zur Integration.

Doppelpass längst akzeptiert

Die Debatte wurde vom türkischen Präsidenten Erdoğan angefacht, der bei Auftritten in Deutschland bei seinen Landsleuten dafür Werbung machte, auf jeden Fall auch Türken zu bleiben.

Inzwischen hat die deutsche Verwaltung den Doppelpass längst schweigend akzeptiert. Mehr als die Hälfte aller Neubürger behält ihre alte Staatsbürgerschaft bei. Die Regierung will also eine längst gelebte Praxis gesetzlich verankern.

„Mehrstaatigkeit generell zulassen“, heißt es in dem Reformpapier – und Bundeskanzler Scholz wird noch deutlicher: „Habe nie verstanden, warum wir auf die Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft bestanden haben.“

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