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Flüchtlinge: "Griechen verwehren schwer kranken Kindern Versorgung"

Athen hat 55.000 Geflüchteten Zugang zu medizinischer Hilfe gestrichen – darunter sind todkranke Kleinkinder.
Evelyn Peternel Evelyn Peternel

Wer in Griechenland keinen Asylbescheid hat, muss auf den Inseln in der Ägäis ausharren. Und wer keine Papiere hat – was auf viele Gestrandete auf den Inseln zutrifft – bekommt keine medizinische Versorgung: Im Sommer hat die griechische Regierung insgesamt 55.000 Menschen die medizinische Versorgung gestrichen.

Das ist ein Teufelskreis – vor allem für viele kleine Kinder: „Wir sehen viele Kinder, darunter Babys, die an Krankheiten wie Diabetes, Asthma und Herzkrankheiten leiden“, sagt Hilde Vochten, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland. Wegen der heillos überfüllten Lager leben sie oft in Zelten, und das „unter katastrophalen unhygienischen Bedingungen, ohne Zugang zu der medizinischen Versorgung und den Medikamenten, die sie brauchen.“

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Drei tote Kinder

Zahlen verdeutlichen die Situation: In Moria, einem der größten Elendslager auf der Insel Lesbos, leben knapp 19.000 Geflüchtete, so das UNHCR – und gut 40 Prozent davon sind Kinder, hat die deutsche NGO Pro Asyl eruiert. Hunderte davon seien teils schwer erkrankt, bräuchten Spezialtherapien, so Ärzte ohne Grenzen. Aufs Festland überstellt werden sie aber nicht. „Die Weigerung der Regierung, eine schnelle, organisierte Lösung für diese Kinder zu finden, ist empörend“, sagt Vochten – das könne „lebenslange Folgen und sogar den Tod nach sich ziehen.“ Allein in Moria sind binnen der vergangenen Monate drei Kinder gestorben, zuletzt ein neun Monate altes Baby aus dem Kongo.

Die Lage der kranken Flüchtlingskinder auf den griechischen Inseln ist nur ein Puzzlestück im großen Drama, das sich seit geraumer Zeit im Mittelmeer abspielt – und bei dem kein Ende in Sicht ist: Die Behörden haben 80.000 offene Asylanträge zu bearbeiten und kommen damit nicht voran, weil das Geld fehlt; auf den Inseln im Mittelmeer sitzen derweil 40.000 Menschen fest – obwohl dort nur Platz für 7.500 ist. Auch 400 Minderjährige ohne Eltern sind darunter. Dass zumindest sie auf andere europäische Staaten aufgeteilt würden, ist die Hoffnung vieler NGOs vor Ort – allein, es wird wohl bei der Hoffnung bleiben. Der deutsche Bundestag hat das Ansinnen jetzt abgelehnt. Lediglich die Schweiz hat sich bereit erklärt, einige unbegleitete Minderjährige aufzunehmen – wie viele, ließ man aber offen.

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Mauern im Meer

Die griechische Regierung sorgt währenddessen mit anderen Plänen für Irritationen. Kürzlich wurde publik, dass das Verteidigungsministerium riesige Barrieren in der Ägäis errichten will, um Migrantenboote zu stoppen. Drei Kilometer lang und 50 Zentimeter hoch sollen die Kunststoffteile sein, die aus dem Meer ragen.

Das ist ein Plan, der selbst die EU-Kommission skeptisch werden ließ: Man forderte umgehend Aufklärung über die Barrieren – sie dürften den Migranten nämlich nicht den Zugang zu Asylverfahren verhindern, dies sei ein Grundrecht. Man kann davon ausgehen, dass die Regierung mit den Mauern im Meer vornehmlich die zornige Bevölkerung beschwichtigen will. Auf den überfüllten Inseln hatten die Bürger zuletzt nämlich mehrfach protestiert und zum Generalstreik aufgerufen.