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Ukrainischer Literat: "Selenskij ist nur im Westen ein Superstar“

Andrej Kurkow im Gespräch über eine Gesellschaft, die männlicher und militanter wurde, den Hass Putins und ein mögliches Ende des Krieges.
Evelyn Peternel Evelyn Peternel

Andrej Kurkow ist nicht nur einer der berühmtesten Schriftsteller der Ukraine, er ist auch ein scharfzüngiger Kommentator des politischen Zeitgeschehens: Er hat den Maidan-Aufstand 2014 literarisch genauso verarbeitet wie den Krieg, der den Donbass seither langsam auffrisst. Seit der russischen Invasion im Februar schreibt der 61-Jährige keine literarischen Texte mehr – ihm fehle noch die Kraft, sagt er.

KURIER: Seit neun Monaten herrscht in der Ukraine Krieg. Man hat den Eindruck, die Bevölkerung habe ihren Humor bewahrt, trotz Kälte und Bomben. Haben die Ukrainer keine Angst?

Andrej Kurkow: Die Ukrainer fühlten sich immer freier als die Russen. Die Ukraine hatte nie einen eigenen Zaren, nur von außen bestimmte Herrscher. In Zeiten der Unabhängigkeit wählten wir uns einen eigenen Chef, den Hetman. Daher haben wir keinen Respekt vor der Macht, vor der Regierung, vor dem Präsidenten. Jeder hat seine Meinung. Wir sind ein Land sehr unabhängiger Leute, darum haben wir wenig Angst.

Sie sagten mal, das unterscheidet die Ukrainer auch von den Russen.

Ja, wegen unserer Geschichte sind wir Individualisten. Der beste Beweis dafür ist, dass es in der Ukraine mehr als 400 politische Parteien gibt. In Russland herrscht gewissermaßen noch immer Monarchie. Die Menschen dort schätzen Stabilität mehr als Freiheit.