EPA/WU HONG

Coronavirus: Wie China das Chaos zensiert

43 Millionen sind in Quarantäne - doch Patienten werden abgewiesen, weil medizinisches Material fehlt. Die Führung in Peking setzt auf positive Bilder.
Evelyn Peternel Evelyn Peternel

43 Millionen Menschen, eingeschlossen in einem Gebiet, das zweimal so groß wie Österreich ist. 

Wie soll das gehen?
Eigentlich kaum. „Man kann ja nicht jede Straße abriegeln“, sagt Gauden Galea, Vertreter der WHO in China.  Zwar versucht die chinesische Führung genau das, indem sie das Militär Sperren errichten lässt, den öffentlichen Verkehr hat man in der betroffenen Region Hubei ohnehin unterbunden. Aber:  „Absolut sicher ist diese Maßnahme aber nicht.“ 
 

Staats-TV schweigt

Solche Aussagen hört die  chinesische Führung  nicht gerne. Erweckt werden soll der Eindruck, dass die Krise  im Griff sei; die  Methode dafür ist simpel: In den Abendnachrichten des staatlichen Fernsehens wurden die 900 Infizierten und 26 Toten am Donnerstagabend  mit keinem Wort erwähnt. In der Staatszeitung People’s Daily fand man zwar einen Bericht über die Seuche  – allerdings erst  auf Seite fünf.

Prominent zu lesen war am Freitag dafür etwas anderes. Dass China es zustande bringt, in Wuhan – dem Epizentrum des Ausbruchs – bis zum 3. Februar ein voll funktionsfähiges Krankenhaus mit 1000 Betten aus dem Boden zu stampfen. Untermalt wurde das mit Bildern von Dutzenden Baggern, die das Gelände beackern, sowie kilometerlangen Schlangen an Lastwagen, die Baumaterial anliefern. 
 

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"Wir brauchen Hilfe"

Die Botschaft Pekings lautet: Der Staat ist handlungsfähig.  Man will sich nicht vorwerfen lassen, wie bei der Lungenseuche SARS im Jahr 2002 viel zu spät reagiert zu haben.

Allein, ein Blick in die sozialen Medien offenbart, dass das nicht stimmt. Dort gehen Videos viral, die überfüllte Spitalsambulanzen zeigen, in Postings ist zu lesen, dass Patienten trotz Symptomen abgewiesen werden – und das trotz massiver staatlicher Zensur und der Androhung von Strafen auf die Verbreitung von Gerüchten. 

Selbst öffentliche Einrichtungen rufen im Netz verzweifelt um Hilfe. „Wir brauchen Hilfe“, postete etwa das Kinderkrankenhaus Wuhan auf Weibo, einem Netzwerk ähnlich Twitter. Man habe keine Gesichtsmasken und Einmalbekleidung mehr,  auch Schutzbrillen und Handschuhe seien nicht mehr vorrätig.

Offizielle Berichte darüber sind freilich nicht erwünscht. Vergangene Woche wurden in Wuhan vier Journalisten aus Hongkong inhaftiert, als sie in jenem Spital filmten, in dem die meisten Erkrankten behandelt werden. Das Filmmaterial wurde beschlagnahmt, die Handys der Reporter konfisziert, berichtet die New York Times.

Beobachter befürchten daher, dass der Umgang der chinesischen Führung mit der Seuche das Problem nur verschlimmere. Die fragwürdige Informationspolitik könnte dazu führen, dass verunsicherte Menschen Spitäler aufsuchen, die keine Versorgung bieten – und sich dort sogar anstecken. 

Mehr Fälle als bekannt

Auch die Quarantäne-Maßnahmen könnten „nach hinten losgehen“, wie  James G. Hodge, Gesundheitswissenschafter an der Arizona State University, der Times sagt:  Durch den Lockdown  könnten sich mehr Gesunde anstecken, weil die Versorgung im abgesperrten Gebiet nicht ausreichend sei; Erkrankte könnten darum versuchen, die Region zu verlassen und so das Virus in der Welt verbreiten. In den USA etwa wurde jetzt schon der zweite Fall bestätigt.

Zudem wird –   wie schon bei SARS – befürchtet, dass das Ausmaß der Seuche verschwiegen wird.  „In allen größeren Krankenhäusern gibt es infizierte Mitarbeiter“, zitiert die Hongkonger Zeitung South China Morning Post einen Arzt aus Wuhan, der anonym bleiben will. Allein in einem Spital seien 14 Mitarbeiter angesteckt worden.

Bekannt gab man nur 15 Fälle – für ganz Wuhan.