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Regierungsumbildung: Chance und Risiko für Nehammer

Warum zehn von zwölf ÖVP-Ministern derart wenig Vertrauen haben und was der ÖVP-Chef machen sollte, analysiert Meinungsforscher Bachmayer.
Bernhard Gaul Bernhard Gaul Caroline Bartos Caroline Bartos

Die ÖVP hat ein massives Imageproblem. Wie sich in der großen OGM-Umfrage für den KURIER am Sonntag zeigte, halten 38 Prozent der Befragten die Partei für korrupter als andere, nur vier Prozent für weniger korrupt. Selbst in den eigenen Reihen ist das Image verbesserungswürdig: 76 Prozent der ÖVP-Anhänger trösten sich, indem sie ihre Partei für gleich korrupt halten wie andere Parteien.

Dazu kommt, dass 58 Prozent der Befragten dem neuen ÖVP-Chef Karl Nehammer nicht zutrauen, in der ÖVP mehr Sauberkeit durchzusetzen. Wie groß das ÖVP-Personalproblem wirklich ist, zeigt das Zeugnis für das ÖVP-Regierungsteam, das einer Katastrophe gleicht: Nur Nehammer und Arbeitsminister Kocher schneiden positiv ab.

Die Ministerinnen Schramböck, Köstinger, Tanner, Raab und Polaschek liegen mit mehr als 30 Prozent im Minus.

Positives Saldo gibt es nur für Bundeskanzler Nehammer und Arbeitsminister Kocher.

kurier

„Die ÖVP-Minister haben vor dem Parteitag eigentlich ein Allzeit-Tief erreicht. Im März 2020, zu Beginn der Pandemie, hatten sie ein Allzeit-Hoch, damals, mit fast täglichen Pressekonferenzen der Regierung, nahm die Bevölkerung der Regierung ab, dass sie wissen, was sie tun. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Auch die Grünen schneiden nicht gut ab, wenn auch noch immer besser als die ÖVP-Minister“, erklärt Meinungsforscher und OGM-Chef Wolfgang Bachmayer. 

Jene ÖVP-Spitzenpolitiker, die ohnehin in den vergangenen Monaten schlecht abgeschnitten haben, würden weiter an Vertrauen verlieren. „Aus meiner Sicht setzt sich da auch ein anderer Trend fort, nämlich die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft. Es gibt ja 70 bis 75 Prozent der Österreicher, die die ÖVP nicht wählen, und die bewerten ÖVP-Politiker schon fast reflexartig schlecht.“

Wie soll es weitergehen?

Nur: Was soll der ÖVP-Chef machen? Soll er sich an den Umfragen orientieren? „Das hat zwei Aspekte. Erstens ist es ein beliebtes Ritual, in solchen Situationen ein, zwei Köpfe auszutauschen. Weil das funktioniert. Mag sein, dass das nur ein Etikettenschwindel ist und nur die Oberfläche streift. Aber dennoch ist es ein bewährtes Mittel, das funktioniert.“

Bachmayer sieht aber ein anderes Problem für die Kanzlerpartei: „Wir haben derzeit eine massive Krisensituation, fast mehr, als zu Beginn der Pandemie, die jetzt abebbt. Das betrifft vor allem die Teuerung, die Menschen tun sich immer schwerer, sich den Alltag leisten zu können. Dazu kommen sehr reale Ängste vor dem Krieg und den Kriegsfolgen. Im Normalfall stehen die Menschen in so schwierigen Zeiten hinter der Regierung, weil sie klare Vorgaben, ja Kommandos, hören wollen. Aus meiner Sicht bräuchte es einen großen Strategiewechsel, mit dem das Führungsverhalten deutlich sichtbar gemacht wird. Dem Nehammer würde man das, glaube ich, schon zutrauen, dass er das kann.“

Stainer-Hämmerle glaubt an „Chance für Nehammer“

Dass die Rücktritte der Ministerinnen wirklich länger überlegt gewesen seien, glaub Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle nicht. „Sonst würden ja schon Nachfolger feststehen“, sagt sie.

Der Zeitpunkt vor dem Parteitag sei aber günstig. Mit Rücktrittsgerüchten im Hintergrund könne die Inszenierung eines solchen Events nicht glücken. Nun habe ÖVP-Chef Karl Nehammer mit einem neuen Team die Chance, wieder Schwung in die Partei zu bringen. Neben einer Chance berge jede Umbildung  aber auch ein Risiko – etwa, dass die Nachfolger keinen Rückhalt in der Bevölkerung finden.

Die große Frage sei, wie gut die Koalition insgesamt funktioniert. Das hängt laut Stainer-Hämmerle auch vom grünen Juniorpartner ab. Beide Parteien hätten aber kein Interesse an vorgezogenen Neuwahlen.

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