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Starkes Plus bei Neugründungen: Chef sein, statt Chef haben

Echte Start-ups sind in Österreich trotzdem Mangelware. Frauen bei Firmengründungen auf dem Vormarsch.

Mehr als 32.300 Unternehmen wurden 2019 gegründet, davon waren 486 oder 1,5 Prozent Start-ups. „Diese Quote ist ein bisschen niedrig“, sagt Stephan Jung, Direktor des Gründungszentrums der Wirtschaftsuniversität Wien. Im internationalen Vergleich ist diese Größenordnung eher unterdurchschnittlich. Start-ups beschäftigen sich laut Definition mit Hightech, sind innovativ und international ausrollbar.

Notwendigkeit

Viel höher ist die Quote in Osteuropa. „Oft aus Notwendigkeit“, sagt Jung. Dort sei der Leidensdruck größer, sich selbstständig zu machen, weil die Arbeitslosigkeit höher sei.

Um die Zahl der Start-ups in Österreich zu heben, wären zumindest zwei Dinge nötig: Jung schlägt eine neue Finanzierungsform vor. Diese soll es Leuten ermöglichen, zu leben und sich gleichzeitig ihrer Innovation zu widmen. Keine Mindestsicherung, aber eine Möglichkeit, die ihnen den Rücken freihält, um „die Welt zu verändern“.

Zu wenig Limoverkäufer

Und zweitens: „Im internationalen Vergleich bringen wir zu spät Unternehmerisches in die Gesellschaft“, sagt Jung. Oft geschehe das nur rudimentär in der Volksschule. Das Bild des jungen Limonadenverkäufers, wie man es aus den USA kenne, sei hierzulande zu wenig verbreitet.

Dabei wäre eine größere Zahl an Start-ups für Wirtschaft und Gesellschaft wichtig, sagt Jung. „Sie schaffen überproportional viele Arbeitsplätze und überproportionale Einnahmen für den Staat.“ Auch wenn viele scheitern und nur wenige erfolgreich sind, ist die volkswirtschaftliche Bilanz positiv.

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Um es Start-ups leichter zu machen, sollte man nicht nur beim Anfangen helfen, sondern auch beim Wachstum. Dafür wäre ein investitionsfreundlicheres Klima nötig. „Österreich hat eine gute Förderlandschaft, aber zu wenig Wachstumsfinanzierung“, meint Jung. Dadurch würden viele Start-ups ihr Glück im Ausland suchen.

Eigener Chef

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer zieht dennoch einen positiven Strich unter die aktuellen Gründungszahlen für das vergangene Jahr. 32.386 Neugründungen bedeute ein Plus von 4,8 Prozent gegenüber dem Jahr davor. „Das zeigt, dass die Wirtschaft dynamisch ist“, sagt Mahrer. Die Leute würden gerne selber Chef sein, statt einen zu haben.

Erfreut zeigt sich Mahrer über den hohen Frauenanteil bei den Gründungen. 45,5 Prozent seien weiblich, so viele wie nie zuvor. Frauen würden oft in anderen Bereichen als Männer gründen und die Wirtschaft dadurch bunter und resilienter machen. Mahrer hob auch die hohe Überlebensquote positiv hervor. 65 Prozent der Unternehmen würden sich nach fünf Jahren noch am Markt befinden. Ab diesem Zeitpunkt sei die längerfristige Überlebenschance sehr gut. Im internationalen Vergleich liege Österreich damit auf Platz drei.

Positive Effekte

Die aktuellen Zahlen sprechen laut Mahrer auch dafür, dass nicht so viele in die Selbstständigkeit gedrängt würden, wie allgemein angenommen. „Nur“ 8,6 Prozent gaben an, dass sie sich selbstständig machen mussten.

Die volkswirtschaftlichen Effekte, die von Gründern ausgehen, könnten sich sehen lassen. Im Durchschnitt schaffe jedes neue Unternehmen 2,7 Arbeitsplätze. 2,8 Arbeitsplätze entstünden durch Vorleistungen und 0,7 durch die zusätzliche Kaufkraft, in Summe also 6,2 Arbeitsplätze. Das Alter der Gründer liege im Durchschnitt bei 37 Jahren.

Die meisten Unternehmen wurden im Bereich Gewerbe und Handwerk gegründet (39 Prozent), es folgen Handel (27,7 Prozent), Information und Consulting (19,2 Prozent) und Tourismus (8,3 Prozent). Schlusslichter sind die Bereiche Transport und Verkehr (5,3 Prozent) und Industrie, Bank und Versicherung (0,2 Prozent).

Um das Gründen einfacher zu machen, soll eine neue Gesellschaftsform geschaffen und die Kultur der zweiten Chance für Gründer, die bereits einmal gescheitert sind, verbessert werden.