APA - Austria Presse Agentur

Bilderbuch in Innsbruck: Die Hitverweigerungsmaschine

Nach vorangegangenen Konzerten in Deutschland betrat die Band im Rahmen der aktuellen Tournee damit erstmalig heimischen Boden. Das Publikum dankte es ihr mit lautem Jubel, der sich aber tendenziell auf die großen Hits beschränkte.

Wir müssen uns die Bandmitglieder von Bilderbuch als glückliche Menschen vorstellen. Vor allem aber auch als zufriedene Künstler und glückliche Hitverweigerer. Die Karriere von Bilderbuch lässt sich nämlich bis zu dem Konzertabend in Innsbruck als eine Geschichte der Künstlerwerdung beschreiben. Nach dem lauten Knall, dem Überhit "Maschin", folgte der Knaller "Bungalow" - gegenwärtig hat am ehesten noch "Frisbeee" Hitpotenzial. Doch die schrägen Gitarrenläufe und Gesangsmelodien erinnern eher an das Album "13" von Blur denn an herkömmliche Indie-Mucke. "13" war ein Album, mit dem sich die damaligen Britpopstars von Erwartungshaltungen des Publikums befreiten und sich auf ihren kreativen Ausdruck konzentrierten. Künstlerisch gesehen fanden sie damit ihr Glück und ließen "Song 2" hinter sich.

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Ähnliches geschieht auch beim Bilderbuch-Konzert in Innsbruck. Die Band wirkt glücklich und gelöst. "Bungalow" ist schon weit vor 22.00 Uhr erledigt, "Maschin" wenig später. Davor konzentriert sich die Band auf Songs aus ihren beiden neuen Alben "Mea Culpa" und "Vernissage My Heart". Bei den souligen Tracks zu Beginn, für die Bilderbuch weniger bei Falco sondern eher bei dem amerikanischen Neosoul-Gott Frank Ocean fladerten, kommt wenig Stimmung auf. Das laute Klatschen, das sich im Konzertverlauf etwa bei "Maschin" einstellt, gleicht hier eher einer freundlichen Zurkenntnisnahme. Auch die später folgende Zuhilfenahme des Autotune-Effekts, der die Stimme von Frontmann Maurice Ernst bis zur Unkenntlichkeit verfremdet, ändert daran nur wenig.

Viel eher haben offenbar laute Gitarren und rockartige Riffs das Potenzial, das Publikum zu euphorisieren. Wenn man die neuen Alben als Yin und Yang betrachtet, schließlich entspringen sie den gleichen Aufnahmesessions, dann hat das Publikum offensichtlich mehr Lust auf das Yang, das sich in treibenden Songs und klaren Strukturen äußert. Das verschwurbelte Yin, das Lieder hervorbringt, die sich am liebsten sämtlichen Erwartungshaltungen in Sachen Pop entziehen würden, findet weniger Anklang, zumal beim jüngeren Teil des Konzertpublikums. Die musikalische Vielgestaltigkeit der Band bringt dieser aber, das wird beim Konzert in Innsbruck sichtbar, auch ältere Hörer ein, die FM4 nicht als Dauerbeschallung präferieren.

Die Band selbst, das spiegelt sich in der Setlist wieder, würde am liebsten sowohl die FM4-Hörer als Fans behalten und sich zugleich neue Hörerschichten erschließen. Die Österreicher spielen ihre Hits mit der gleichen Inbrunst wie ihre experimentelleren Songs. Die Band geriert sich gerne, auch beim gestrigen Gig, als ein Act, dem alles gelingt und dem das Publikum trotz des Bruchs mit Erwartungshaltungen in Scharen hinterherläuft. Im Gegensatz zu ihren Musikerkollegen von Wanda, die 2018 in die Innsbrucker Olympiahalle hochverlegt wurden, füllten Bilderbuch aber nicht einmal den größten Saal des Congresses ganz.

Nach den sich dennoch einstellenden Zugaberufen spielt die Band unter anderem einen noch unveröffentlichten, rockigen und lauten Song. Die Vielseitigkeit der Band, die wohl auch ein wenig auf Unentschlossenheit und Selbstüberschätzung basiert, bleibt den Bilderbuch-Hörern also erhalten. Der abschließende Applaus ist laut, einzelne Jubelbekundungen bleiben ebenfalls nicht aus. Danach verlässt die Band rasch die Bühne. Das heterogene Publikum zerstreut sich schnell in alle Richtungen. Nicht jeder scheint zu wissen, wie ihm gerade geschehen ist. Aber das gehört wohl zum Bilderbuch-Erlebnis.