Film: Die Poesie der Liebe

Reise in die Vergangenheit eines Paares
Über 40 Jahre neben seinem Partner aufzuwachen, ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich. Doch was ist das Rezept einer so langen Beziehung? Eine gesunde Streitkultur, anhaltende körperliche Begierde oder einfach nur das Herz, das den anderen nicht loslassen kann? Bei den Adelmans trifft im Liebesdrama "Poesie der Liebe" alles ein wenig und vieles überhaupt nicht zu.

Am Tag der Beerdigung ihres Mannes Victor (Nicolas Bedos) nimmt Sarah Adelman (Doria Tillier) einen jungen Journalisten (Antoine Gouy) mit auf die Reise in ihre gemeinsame Vergangenheit. Sie berichtet, wie sie ihren Mann in den 70er-Jahren in einem schäbigen Pariser Nachtclub kennengelernt hat, über Affären zu denkbar ungünstigsten Zeiten, über viel zu viel Koks während der Schwangerschaft und den fragwürdigen Tod ihres Ehegattens, der es zu einem erfolgreichen Schriftsteller gebracht hat.

Erschreckend ehrlich lässt Madame dabei das Leben mit ihrem Mann Revue passieren. Kapitel für Kapitel, Lebensphase für Lebensphase führt sie den Zuschauer durch eine leidenschaftliche - oft nicht einfache - Beziehung. Mal spricht Monsieur mit seinem Therapeuten über seine Gefühle. Mal berichtet Sarah aus dem Zimmer ihres Herrenhauses im Jetzt. Mal kommentiert sie Szenen aus der Vergangenheit.

Die Schauspieler Tillier und Bedos übernehmen nicht nur die Hauptrollen. Beide schrieben auch das Drehbuch - und Bedos, der in Frankreich eigentlich als Romanautor bekannt wurde, feierte mit "Poesie der Liebe" dann gleich auch noch sein Regiedebüt. Doch wer bei dem Filmtitel einen mit Kitsch überhäuften Streifen erwartet, der irrt. Vielmehr sieht sich der Zuschauer mit zwei Figuren konfrontiert, die sich gegenseitig immer wieder an ihre körperlichen und emotionalen Grenzen bringen. Mal sprüht die Beziehung nur so von Glück, mal zerreißt sie die Betroffenen.

Die Geschichte mag zwar an der einen oder anderen Stelle etwas drastisch sein, und doch schaffen es Bedos und Tillier, mit ausreichend Witz und Charme authentisch zu bleiben. Und einen erfrischenden, sicherlich politisch nicht ganz korrekten Liebesfilm zu produzieren. Dabei verändern sich die Hauptfiguren nicht nur äußerlich - auch das Gleichgewicht innerhalb der Beziehung kommt immer wieder ins Wanken. War es zu Beginn Sarah, die alles dafür tat, Victor für sich zu gewinnen und zu halten, war es am Ende vielmehr er, der es nicht ertragen konnte, nicht mehr von seiner Frau begehrt zu werden. Einer charmanten Frau im Schatten ihres Mannes, die mehr Macht über sein Dasein hatte, als ihm je klar war.

Es ist die Lebenslust und Leichtigkeit, die in den Film hineinziehen und die Schwere der Ereignisse, die den Zuschauer am Ball halten. So schön die Beziehung beginnt und ehrlich die Liebe scheint, ist sie doch oft auch von zahlreichen tragischen Momenten geprägt. Diese Zerreißproben und unvorhergesehene Wendungen machen den Film zu einem herzzerreißenden Stück - das am Ende dem Zuschauer noch einiges zum Nachdenken mit auf den Weg gibt.

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