APA - Austria Presse Agentur

Experte Hayler bringt Punkrock-Wälzer raus

Flo Hayler betreibt in Berlin das weltweit einzige Ramones-Museum. Der 45-Jährige hat nun einen Wälzer über die legendäre Punkband geschrieben, der Fans und Experten begeistern wird. Dabei verknüpft er seine Lebensgeschichte mit der seiner Lieblinge.

Hayler gehört sicherlich zu den größten Ramones-Fans. Dafür liefert der 45-Jährige schwergewichtige Argumente. Vor kurzem hat der Betreiber des Ramones-Museums in Berlin ein opulentes Werk über die Punkrock-Pioniere aus New York herausgebracht. Das liegt schwer wie ein Wackerstein in der Hand. Auf 640 reich illustrierten Seiten schildert Hayler die Geschichte der Ramones und verwebt sie geschickt mit seinem eigenem Leben.

Und wie es sich für einen Autor gehört, der nicht still in seinem Kämmerlein verharrt, geht Hayler mit "Ramones - Eine Lebensgeschichte" quer durch Deutschland auf Lesereise. "Ich mache das nicht, um Geld zu verdienen, sondern um vor Ort Leute zu treffen und mit ihnen über die Ramones zu quatschen", sagte Hayler im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Die Ramones begründen Mitte der 1970er Jahre den Punkrock und beeinflussen Legionen von anderen Bands. Hits wie "I Wanna Be Sedated" und "Blitzkrieg Bop" zählen zu den unumstrittenen Klassikern der Rockmusik. Dennoch sind die Ramones stets das hässliche Entlein im Rock'n'Roll-Business. Von den Fans verehrt, bleibt ihnen der kommerzielle Erfolg zu Lebzeiten verwehrt. Erst nach dem Ende der Band 1996 und dem viel zu frühen Tod von Joey (2001), Dee Dee (2002) und Johnny (2004) beginnt der Mainstream, die Bedeutung der aus Queens stammenden Truppe zu begreifen.

In Haylers Teenagerleben im niedersächsischen Helmstedt spielen die Ramones schon viel früher eine zentrale Rolle. Aufmerksam auf die Kult-Kappelle wird er durch die Toten Hosen, die Ramones-Shirts tragen. "Da bin ich in den Plattenladen gegangen und habe mir die Halfway to Sanity gekauft", erinnert er sich.

An seiner Schule kann jedoch kaum jemand etwas mit den vier Jungs in den zerrissenen Jeans und den schwarzen Lederjacken anfangen. Hayler ist ein Außenseiter. Doch er findet Gleichgesinnte. "Wenn du ein Ramones-Shirt getragen hast, hattest du sofort einen Kumpel", sagt der schlaksige Blondschopf, der anfing, seinen Lieblingen hinterher zu reisen.

Seit seinem ersten Konzert am 16. November 1990 in Bremen sind noch hundert weitere dazugekommen. Mit der Zeit lernte er die Musiker persönlich kennen. Die bewiesen Fannähe und kümmerten sich teils führsorglich um die jungen Anhänger. Selbst der als verkniffen und mürrisch geltende Gitarrist Johnny. "Er hat uns gefragt, ob wir genug Geld für eine Unterkunft hätten und ob unsere Eltern Bescheid wüssten", erzählt der Autor.

Die Ramones akzeptierten die 17- bis 18-Jährigen so wie sie sind. "Wir sprachen schlechtes Englisch und sahen furchtbar aus, doch Johnny hat gesagt: 'Ihr seid okay.'", erinnert sich Hayler. Mit Johnny stand er bis zu dessen Tod im Briefkontakt. Jedes Jahr erhielt er vom ihm zu Weihnachten ein Karte. Selbst in sein Haus in Los Angeles lud er den Deutschen ein.

Über die Jahre sammelte der Hardcore-Fan Hayler T-Shirts und andere Memorabilia der Band, bis diese die Kapazität seiner Wohnung sprengten. Er eröffnete 2005 das weltweit einzige Ramones-Museum in Berlin-Kreuzberg, um all die zusammengetragenen Schätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Dort befinden sich über 1.000 Artikel und Raritäten aus 22 Jahren Bandgeschichte: Neben Plakaten, Flyern und Fotos gibt es auch Kleidungsstücke und Einrichtungsgegenstände der Musiker. Etwa die auf der Bühne getragene Jeans von Johnny Ramone. "Finanziell kann man das gar nicht genau beziffern", sagt Hayler, "ideell haben alle Gegenstände ihren Wert."

Hayler ließ sogar die Schrankwand aus dem New Yorker Appartement von Sänger Joey Ramone nach Berlin transportieren. Kostenpunkt: rund 8.000 Euro. "Das ist natürlich verrückt", räumte er ein. "Auf der anderen Seite habe ich den Anspruch, den Leuten hier gute und neue Sachen zu zeigen."

All das und noch viel mehr ist in seinem Buch zu sehen und nachzulesen. "Das sind 28 Jahre Sammelwahn und 13 Jahre Ramones-Museum-Netzwerk", erklärte der Band-Experte die beeindruckende Fülle an Foto- und akribisch recherchiertem Textmaterial. "Das Buch öffnet neue Perspektiven über die Band", meinte der Autor, der drei Jahre lang an dem Werk gearbeitet hat. Selbst er, der alle Bücher gelesen, alle Filme gesehen und alle Youtube-Interviews hundertfach angeschaut hat, stößt beim Graben noch auf unbekanntes Terrain. "Ich habe da Schätze gehoben, über die ich sonst nie gestolpert wäre."