APA - Austria Presse Agentur

Kleiner Abschied von Conchita im Konzerthaus

Es lag der leise Hauch des Abschieds über diesem Abend. Eine unausgesprochene Melancholie, die sich im weiten Rund des Wiener Konzerthauses in eine Rührung wandelte, die nicht nur das Publikum, sondern auch den Künstler auf der Bühne erfasste: Conchita hat zur Präsentation ihrer neuen CD Samstagabend mit den Wiener Symphonikern nochmals jenen großen Divenpop zelebriert, mit dem sie bekannt wurde.

"Das ist das Ende einer langen Reise", meinte Conchita gleich zu Beginn, um zu beruhigen, dass dies in dem Sinne zu verstehen sei, dass mit dem großen Orchester nun ihr Kindheitstraum in Erfüllung gehe. Und doch wurde an diesem Abend deutlich, welch weiten Weg der Sänger Tom Neuwirth vom schmächtigen Castingshow-Sänger aus der Provinz über die zarte Dragfigur Conchita Wurst, die strahlende Song-Contest-Siegerin bis hin zum bekannten Star zurückgelegt hat - und, dass dieser Weg noch nicht zu Ende ist, sondern gerade eine neue Wendung nimmt.

Eine Hose, die im Schritt mehr zeigt, als sie verbirgt, streng zusammengebundene Haare, ein Männeroberhemd - die laufende Transformation der Kunstfigur Conchita ist mittlerweile an einem Punkt angekommen, an dem ein guter Teil der klassischen Rockband-Frontleute feminin gegen Tom Neuwirths Kreation wirkt. Mit auftrainiertem Oberkörper und einer lässigen Inszenierung ist Conchita mittlerweile mehr bei Lenny Kravitz denn bei Nana Mouskouri.

Und doch feiert die neue Platte "From Vienna With Love" noch einmal die musikalischen Träume des jungen Tom, den Humus aus dem er kommt, bevor er wirklich die eigene Tonsprache entwickeln wird. Noch einmal werden die großen Popdiven wie Shirley Bassey, Celine Dion oder Barbra Streisand gewürdigt. Noch einmal kommen die einstigen "Starmania"-Gefährten Martin Zerza und Monika Ballwein für Duette und ein berührendes Terzett auf die Bühne.

Die Fans erhoben sich schon während der einzelnen Nummer zu Standing Ovations - und durchaus zu Recht. Die Symphoniker unter Guido Mancusi, mit denen Conchita erstmals 2017 bei der Eröffnung der Festwochen zusammen auf der Bühne gestanden hatte, verschmelzen mit der Band im Hintergrund zur flexiblen Klangwand, die sich in ihrer Tradition dennoch nicht gänzlich verleugnet und etwa eine Verschmelzung von Rachmaninows 2. Klavierkonzert mit der daraus entstandenen Pophymne "All By Myself" von Eric Carmen gestaltet. Da seien Ausrutscher wie ein gitarrenlastig hingeschludert und banalisiertes "Für mich soll's rote Rosen regnen" verziehen.

War die erste Hälfte des Konzerts noch den großen Balladen von "Pocahontas" bis "Sound Of Music" vorbehalten, wurde der zweite Teil mit Prince- und Queen-Covern dann sukzessive cooler. Hier stand weniger der Divenpop der großen Geste als ein möglicher Ausblick auf die eigene Tonalität eines Künstlers im Fokus. Die Mittellage ist Conchitas Heimat, die Höhe tatsächlich nicht mehr ihr stärkstes Revier. Er kann immer noch der neckische Conferencier sein, der mit dem Publikum spielt. Aber auch dieses Mittel wird an diesem Abend nur sehr spärlich eingesetzt.

Zu sehen ist die öffentliche Transformation einer Figur, ein Weg, den Tom Neuwirth geht und an dem er die Öffentlichkeit teilhaben lässt. "The Show Must Go On", um es mit den Worten der Queen'schen Abschlussnummer des Abends zu sagen. Auf das Divenrepertoire kann Conchita auch in 20 Jahren noch zurückkommen. Nun scheint ein anderer Weg angezeigt, wohl auch musikalisch, was sich vielleicht schon auf der österreichischen Bandtournee ab 2. Dezember, spätestens aber mit der bereits für Frühjahr angekündigten neuen Platte zeigen wird. Es ist der Aufbruch zu neuen Ufern, die aber vielleicht immer noch andere sein werden.