Philosophie der Gewalt: "The House That Jack Built"

Lars von Trier liefert eine neues überaus blutiges Werk
Lars von Triers vorige drei Filme "Antichrist", "Melancholia" und "Nymphomaniac" werden als Trilogie der Depression bezeichnet. Auch das neue Werk des 62-jährigen Regisseurs wartet mit einem nicht eben leichtfüßigen Sujet auf. Und doch strotzt "The House That Jack Built" über einen Serienmörder vor Humor. Ab Freitag ist die selbstreferenzielle, in jedem Sinne große Parabel im Kino zu sehen.

Bei seiner Weltpremiere in Cannes, wo von Trier nach sieben Jahren Bann infolge verunglückter Naziwitzeleien wieder empfangen wurde, wurde das zweieinhalbstündige Werk mit minutenlangen stehenden Ovationen bedacht - obwohl der dänische Ausnahmefilmer seinen Zuschauern gewohntermaßen viel zumutet, in diesem Falle körperliche Gewalt. Auf der ersten Ebene ist die zweieinhalbstündige Arbeit eine dämonisch-schwarze Komödie über den titelgebenden Serienmörder, gespielt von Matt Dillon.

Der mordet sich ungeachtet aller Erschwernisse dank seines Putzzwangs durch die Jahre und sammelt Dutzende Leichen in seinem Kühlhaus. Als erste muss Uma Thurman ihren Kopf für einen Wagenheber hinhalten, bevor die nächste Frauenleiche so lange über eine Straße geschleift wird, bis ihr Gesicht verschwunden ist. Wem da noch nicht flau im Magen ist, für den hat von Trier noch ein Entenküken, dem ein Bein abgeschnitten wird, im Angebot und zwei Kinder, die vom Hochstand aus gejagt und - so viel sei verraten - erlegt werden.

Bisweilen schildert von Trier einzelne Sequenzen quälend lange, in anderen Fällen scheint er das vermeintlich Wesentliche zu überspringen. Ein Spiel der Rhythmen, die dem Werk einen eigenen Charakter verleihen. Über den Gang der Erzählung hinweg wird Jack so gleichsam ein Forrest Gump der Serienmörder, in seiner Abartigkeit dennoch eine Art All-American und als Mr. Sophistication unidentifizierter Medienstar.

Und doch belässt es der Autorenfilmer von Trier nicht bei der vermeintlich oberflächlichen Ebene eines Thrillers, sondern strukturiert seine Erzählung gewohntermaßen in Kapitel, wickelt sie in ein Spiel mit Stil und Philosophie. So greift der Regisseur in seine mittlerweile reich gefüllte Schatzkiste, die Jumpcuts und bewusste Unschärfen aus der Dogma-Zeit ebenso umfasst wie das breite Bildertableau. Er vermengt philosophische Diskurse, Krimispannung und dunkelsten Humor mit Arthaussymbolismus.

Mit der lange offen gehaltenen Figur Verge, gesprochen von Bruno Ganz, sinniert Jack im Off über die Familie und den Mord als Kunst, über die Parallelen zwischen körperlichem Verfall und der Weinproduktion, die Ikonografie von Ruinen und den großen Diktaturen. Zugleich ironisiert von Trier diese Exkurse, zitiert aus seinen alten Filmen, relativiert die Positionen in dem Moment postmodern wieder, in dem er sie aufbaut.

Mit "The House That Jack Built" ist von Trier ein ebenso großes wie manisches Werk gelungen, das dabei immer auch über sich selbst lachen kann. Auch wenn letzteres dem Zuschauer bisweilen im Halse stecken bleibt.

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