Regisseur Peter Jackson über "Mortal Engines"

Jackson liest eigentlich nicht viele Fantasy-Romane
Mit dem Verschwinden der "Hunger Games"- und dem Verblassen der "Divergent"-Serie, muss jemand die popkulturelle Lücke in den Herzen junger Erwachsener schließen. Peter Jackson ("Der Herr der Ringe") hat sich dem angenommen und bringt mit "Mortal Engines: Krieg der Städte" die Verfilmung einer Jugendbuchdystopie ins Kino. Der Neuseeländer hofft auf den Beginn eines neuen Franchises.

Peter Jackson liest nicht viele Fantasybücher, sagt er. Das überrascht wenn man bedenkt, dass der 57-jährige Neuseeländer für die Verfilmungen von "Der Herr der Ringe" und "Der Hobbit" verantwortlich gezeichnet hat. "Ich habe 'Game of Thrones' noch nie gesehen", sagt er über die beliebte HBO-Serie, die in diesem Jahr zu Ende geht, "und ich lese eigentlich auch gar nicht viel Fantasy".

Das ist "kriminell", lacht seine langjährige Co-Autorin Philippa Boyens, die während des APA-Interviews in Los Angeles neben ihm sitzt. Aber Jackson liebte das Konzept von "Mortal Engines", den Städten auf Rädern, die sich gegenseitig verschlingen, und die "universalen Elemente der Geschichte wie Macht, Mut und Gier".

Im Gegensatz zu den "Ring"- und "Hobbit"-Trilogien fungiert Jackson nun allerdings nicht als Regisseur, sondern als Autor und Produzent. Das Drehbuch verfasste er zusammen mit Fran Walsh und Philippa Boyens, während er den Regiestuhl an seinen langjährigen Kollaborateur Christian Rivers abgab, der hier sein Regiedebüt gibt, aber bereits an zahlreichen Filmen aus der Jackson-Schmiede mitgearbeitet hat und 2004 einen Oscar in der Kategorie "Beste visuelle Effekte" für seine Arbeit an "King Kong" erhielt.

"Das Wichtigste, was ich von Peter gelernt habe", sagt der 44-jährige Rivers, "ist, dass wir Filme machen, die für das Publikum unterhaltsam und gleichzeitig eine neue Erfahrung sind, was heutzutage eine Herausforderung ist."

"Mortal Engines" ist der erste Band der vierteiligen Jugendbuchserie des britischen Autors Philip Reeve. Die Geschichte spielt mehrere Tausend Jahre in der Zukunft, in einer postapokalyptischen Welt, in der große Städte wie London zu Raubtieren auf Rädern mutiert sind, die kleinere Städte verschlingen. Wie ein unersättlich gefräßiger Transformer wälzt sich das dröhnende London über das postapokalyptische "Mad Max"-artige Ödland, das einst England und Europa bildete, auf der Suche nach Städten, die es schlucken kann.

Was sich wie ein imperialistisches Horrorszenario liest, ist eingebettet in das Konzept des "städtischen Darwinismus". Philip Reeve benutzt den Begriff "Municipal Darwinism", wobei der Titel ein Zitat aus der Tragödie "Othello" von William Shakespeare ist ("Othello: And O you mortal engines whose rude throats / Th'immortal Jove"s dread clamors counterfeit..."). Es bezieht sich auf die Tatsache, dass die Gesellschaft des städtischen Darwinismus kein nachhaltiges Leben bieten kann, weil irgendwann niemand mehr übrig bleibt.

Im Zentrum der Geschichte steht Hester Shaw, gespielt von der charismatischen Isländerin Hera Hilmar (29), eine junge Rebellin, die den Mord an ihrer Mutter rächen will. Der irische Darsteller Robert Sheehan (30) spielt Tom Natsworthy, einen wohlmeinenden Historiker, der die Heldin auf ihrer Reise begleitet.

Peter Jackson hat sich damit ganz bewusst für Schauspieler entschieden, die international noch nicht so bekannt sind. "Wenn ich einen Film sehe, der eine völlig neue Welt ist, dann denke ich immer, dass es besser ist, wenn sie nicht von zu vielen Schauspielern besetzt ist, die wir schon gesehen haben, weil ich will, dass das Publikum sich in dieser Welt verliert", so der Neuseeländer.

Es ist natürlich ein Risiko. Man kann weniger bekannte Schauspieler nicht für große US-Talkshows buchen, meint er. "In dieser Hinsicht zahlen wir einen gewissen Preis", so der 57-Jährige, der sich noch gut an die allererste Pressekonferenz mit dem Ensemble von "Der Herr der Ringe" erinnert. Viggo Mortensen wurde weltberühmt durch seine Rolle als Aragorn, aber damals kannte den dänisch-amerikanischen Darsteller noch niemand. "Es war eine 45-minütige Pressekonferenz und niemand fragte Viggo auch nur eine Frage!", lacht Jackson.

Zwei bewährte Schauspieler hat er sich dann aber doch ins Boot geholt. Hugo Weaving ("Der Herr der Ringe", "Matrix") spielt den Bösewicht der Geschichte, der mit einer nuklearen Waffe den Rest der Welt zerstören will, während Stephen Lang, der gerade die Dreharbeiten der Fortsetzung zu "Avatar" abgeschlossen hat, den geheimnisvollen Shrike mimt, eine Art Maschinenmann.

"Jede gute, futuristische Darstellung unserer Welt sollte aktuell und gleichzeitig zeitlos sein", denkt Jackson. Wie viele andere Science-Fiction-Fantasy-Geschichten ist "Mortal Engines" eine Parabel auf die Gegenwart. Ein krisengerütteltes Europa und eine destruktive Welt muss man nicht in der Fiktion suchen: Brexit, Ressourcenknappheit, Kriege, Flüchtlingskatastrophen, Klimawandel, das ist alles sehr real.

"Wien als Stadt auf Rädern wäre schön", lächelt Jackson an einer Stelle. "Es gäbe fantastische Musik, großartiges Theater und super Konditoreien. Aber es wäre schade, das alles zu zerstören."

Das Gespräch führte Marietta Steinhart/ APA

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