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Reise in vier Welten - Mauritius bietet kulturelle Vielfalt

Mauritius wird wegen traumhafter Strände und malerischer Berge bereist. Die Insel bietet aber auch eine spannende kulturelle Vielfalt: Die Bewohner haben europäische, afrikanische, indische und chinesische Wurzeln - und leben bis heute deren Traditionen.

Was für Europa der Fußball ist, ist für Mauritius das Segeln: Nationalsport. "Du musst für Krish sein", sagt der ältere Mann. Sein Kumpel schüttelt ernst schauend den Kopf. "Ach, der redet nur, die sind nicht gut genug. Prince, die gewinnen." Die beiden sitzen am Pier von Mahébourg und analysieren die Mannschaften. Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Rennen, die Boote reihen sich im Wasser an der Startlinie auf.

So wie hier treffen sich beinahe an jedem Wochenende rund um die Insel einige hundert Menschen zu Regatten. Es ist ein großes Ereignis, auch für Touristen. Die Besucher sitzen am Ufer, lachen, trinken und feiern. Die einfach gebauten Boote mit den farbenfrohen Segeln sind schön anzusehen im türkisblauen Meer, vor der markanten Küste von Mauritius mit seinen dunkelgrün bewachsenen Bergen. Sie haben eine lange Tradition. Schon die frühen Fischer fuhren mit den Pirogen raus. Und tun es teils heute noch. Irgendwann startete jemand Rennen, Zuschauer kamen, so entstanden Feste mit Markttreiben, Kunst, Kultur und Musik.

Die größte Regatta findet im Rahmen des Festival Kreol (17. bis 26. November 2018) statt. Dann feiert die Insel für zwei Wochen seine Kultur – mit Segelsport, Poetry Slam und vor allem Konzert- und Tanzveranstaltungen wie dem Sware Tipik.

Fackeln erleuchten den Strand mit Blick auf Mauritius' bekanntesten Berg, Le Morne. Um ein Lagerfeuer stehen Männer in traditioneller Kleidung und nacktem Oberkörper. Sie bereiten sich auf ihren Auftritt vor, indem sie die Trommeln im Feuerschein drehen. Die Wärme dehnt das über einen Rahmen gespannte Leder, was den Ton verändert.

Ein Sware Tipik ist so etwas wie ein Konzert mit Picknick. In einem Park steht eine kleine Bühne, auf der Rasenfläche lassen sich die Menschen zum Essen nieder oder tanzen in kleinen Gruppen. Im Mittelpunkt steht hier die Musik – der Sega. Er ist entstanden, als sich Sklaven heimlich treffen mussten, um Religion und Musik auszuleben.

Mauritius ist ein faszinierender Schmelztiegel der Traditionen. Die einst von Menschen unbewohnte Insel im Indischen Ozean weit vor der Küste Ostafrikas wurde erst durch Seefahrer besiedelt - von den Holländern ab 1598 und ab 1715 von den Franzosen. Die wiederum verloren 1810 das 2040 Quadratkilometer große Stück Land an die Engländer. Sie hielten Mauritius als Kolonie, bis es 1968 unabhängig wurde.

Die europäischen Kolonialherren brauchten Arbeiter für ihre Plantagen. So kamen erst afrikanische Sklaven und später indische Arbeiter auf die Insel. Irgendwann folgten chinesische Kaufleute.

Das Ergebnis dieser Geschichte ist eine multikulturelle Gesellschaft mit einer Vielzahl an Religionen und Traditionen. Alle Mitglieder feiern gemeinsam das muslimische Opferfest, genauso wie das chinesische Neujahrsfest, das auf Mauritius Frühlingsfest heißt, und das indische Lichterfest Divali.

Auf dem Markt bei der Segelregatta wird der kulturelle Mix auf kleinstem Raum besonders deutlich. Hier kann man sich in kürzester Zeit durch die Kulturen der Insel essen. "Wir haben alles", sagt Reiseführer Sameer Takun. "Was willst du als Erstes – indisch, muslimisch oder etwas von meinen chinesischen Freunden?"

Takun geht durch Reihen mit Marktständen voller Gewand, Krimskrams und Kitsch und bleibt an einem Stand mit großen Schüsseln stehen. Er entscheidet sich für eine Art Rettich, der in kleinen Scheiben im Saft des Tamarindenbaums eingelegt wurde. Gewöhnungsbedürftig, aber ab dem dritten Bissen köstlich. Die Scheiben werden genauso wie eingelegte Mangos und Ananas als Bowle im Becher gereicht. Danach gibt es noch eine Kokosnuss.

Drei Stände weiter gibt es auf einem Blatt Riz frite, gebratenen Reis mit Rosinen. "Und jetzt müssen wir zum Inder", sagt Takun und zeigt auf eine improvisierte Garküche. Es ist ein Familienbetrieb, acht Menschen tummeln sich auf drei Quadratmetern und braten scharfe Samosas oder backen das Brot für Dholl puri. Das in Fladen gewickelte Linsengericht ist so etwas wie das Nationalgericht von Mauritius. Man bekommt es quasi an jeder Straßenecke, auch zum Frühstück.

Ein Radio spielt laut indische Musik. Der Chef der Garküche lässt jeden erst einmal kostenlos einen Happen probieren und fragt dann: "Willst du mehr?" Zum Abschluss gibt's noch Erdnüsse, die nicht geröstet, sondern ganz frisch vom Baum geerntet und in Salzwasser gekocht wurden. Das macht sie ungewohnt weich.

Die Küche wird oft als Fusionsküche beschrieben. Nicht unbedingt auf den Märkten und Festen, wohl aber in den gehobenen Restaurants werden auch noch die französische und englische Küche der Kolonialherren angeboten - und gerne alle Einflüsse kombiniert. Man spricht auch von kreolischer Küche. Kreol steht in vielen Regionen der Welt für die Mischung, die einst in kolonialen Ländern entstanden ist, wo verschiedene Völker, ihre Kulturen und Sprachen zusammenkamen.

Aber Fabio de Polo, Inhaber des Restaurants am Chateau de Labourdonnais, ist mit beiden Begriffen nicht ganz einverstanden: "Kreol ist zu allgemein, das sagt eigentlich nichts aus. Ich würde von maurizischer Küche sprechen." Immerhin habe die Küche – wie auch die Kultur – der Insel ihre ganz eigene Note, die sie von anderen kreolischen Kulturen unterscheide.

Diese Individualität entdecke Mauritius derzeit erst und lerne sie zu betonen, sagt de Polo. Der italienische Gastronom lebt seit einigen Jahren auf der Insel und stellt Veränderungen im Tourismus fest. Das klassische All-inclusive-Ziel werde vermehrt auch von Individualreisenden und Backpackern besucht. "Das verändert die Restaurants. Sie können vermehrt auf Touristen hoffen, wenn sie diese über die lokalen Spezialitäten in hoher Qualität locken."

Das sieht auch Bernard Maurice so: "Es gibt nun mehr Interesse daran, die Geschichte aufzuarbeiten, auch um sie den Touristen zu zeigen und sie aus den Hotels zu locken." Maurice ist Leiter und Kurator des Chateau de Labourdonnais in Mapou. Das alte Kolonialhaus wurde erst vor wenigen Jahren zum Museum umgestaltet und widmet sich der Geschichte der Insel samt Sklaverei und Zuckerrohr-Anbau.

"Wir haben versucht, die Seele des Chateau zu erhalten und damit die Geschichte der Insel", sagt Maurice. Alte Tapeten wurden nachproduziert, Möbel aus den Lagern geholt. Man fühlt sich zurückversetzt in ein hübsches Haus im 19. Jahrhundert, aber auch in die grausamen Lebensverhältnisse der Sklaven in dieser Zeit.

Jener Zeit, in der viele Traditionen der afrikanischen Bevölkerung im Land entstanden. Auch die typische Musik, der Sega. 200 Jahre später erwartet man daher auch eine kleine Zeitreise, wenn man der Werbung der lokalen Tourismusbehörde folgt und zu einem "Sega Lontan" geht. Er findet im Rahmen des Festivals International Kreol statt – mit TV-Liveübertragung und Tausenden Besuchern.

Als Besucher fühlt man sich ein wenig an das Nachtleben irgendeiner europäischen Hauptstadt erinnert, wenn man zu früh erscheint: Pünktlich zum Konzertbeginn steht man quasi allein auf der großen Wiese und wundert sich, wo alle sind. Auf der Bühne stehen immerhin nicht weniger als die Rolling Stones des Sega. Und wer später kommt, der wartet lange in der Schlange.

Immerhin: Die ganz Alten sind hier, Familien mit Kindern, aber auch viele junge Leute, die den Samstagabend im Club der Hauptstadt dafür sausen lassen. Sega verbindet alle Generationen und dominiert die Musikszene des Landes.

Das wird auch deutlich, wenn man Radio hört. Zwischen den Allerweltshits wird mehrheitlich Sega gespielt. Vor allem klingt diese Musik nach fröhlichem Karibik-Sound, zumal eine beliebte moderne Variante Sega mit jamaikanischem Reggae mischt. Aber sie kann in den Ohren eines Laien auch einem französischen Chanson ähneln, nach Ska oder Polka klingen.

Was auffällt bei einem Sega oder Sware Tipik: Es sind Veranstaltungen, die fast nur Menschen mit afrikanischen Vorfahren besuchen. Es ist ihr Erbe. Die verschiedenen Kulturen auf Mauritius existieren eher parallel, sie vermischen sich kaum.

"Wenn wir untereinander heiraten würden, stellt sich die Frage der Religion der Kinder", erklärt Taxifahrer Amir Amja Beegun. "Einer der Partner müsste seine Kinder der anderen Religion geben – das geht nicht. Das erlauben die Eltern nicht." Und wenn Liebe im Spiel ist? "Dann sagen die Familien trotzdem meistens nein. Das würde nur Probleme geben. So wie es ist, leben wir friedlich zusammen."

Und so bleiben die Religionen, wenn es um die Heirat geht, in den allermeisten Fällen unter sich. "Aber zu den Hochzeiten laden wir alle ein, Hunderte von Menschen sind das, und feiern zusammen", betont Beegun. Auch die Feiertage der Religionen werden gemeinsam verbracht. "Wir verstehen uns gut, meine Familie feiert viele Feste mit all unseren Nachbarn. Da kommen Inder, Muslime, Chinesen. Ich feiere besonders gerne bei den Muslimen, die kochen sehr köstlich."

Info-Kasten: Mauritius

Reisezeit: Die Tourismusbehörde empfiehlt die Monate April bis Juni sowie September bis Dezember. Von November bis Mai können Zyklone auftreten, im Februar und März regnet es häufiger.

Gesundheit: Es besteht kein Malaria-Risiko. Allerdings ist guter Mückenschutz zur Prävention von Dengue-Fieber wichtig.

Auf Mauritius leben verschiedene Kulturen friedlich zusammen

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Beim Sega treten häufig Tänzer in traditionellen Kostümen auf

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Segeln ist der Nationalsport auf der Insel Mauritius

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