APA - Austria Presse Agentur

Film: Suspiria

Wie nähert man sich einem Klassiker des Horrorgenres? Vielleicht am Besten, indem man statt eines Remakes eine Hommage vorlegt: So will Oscarpreisträger Luca Guadagnino seine "Suspiria"-Version verstanden wissen. Der Italiener hat das 1977er-Werk seines Landsmanns Dario Argento genutzt, um einen neuen Hexentanz zu inszenieren.

Die Uraufführung im Rahmen der diesjährigen Filmfestspiele Venedig hatte unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. "Suspiria", nun just zur Entstehung des Originals im geteilten Berlin angesiedelt, erntete am Lido gleichermaßen Buhs wie frenetischen Beifall. Dabei haben Guadagnino und Drehbuchautor David Kajganich vieles richtig gemacht. Ihre Neudeutung des Stoffes funktioniert in erster Linie als verkopftes Überwältigungskino, in dem Blickwinkel ständig gewechselt werden und ausdrucksstarke Tableaus ebenso wichtig sind wie die Handlung selbst.

In dieser begleitet man die junge US-Amerikanerin Susie Bannion (Dakota Johnson), die sich nichts sehnlicher wünscht, als an der renommierten Markos Tanzschule angenommen zu werden. Während im verregneten und grau-düsteren Berlin der RAF-Terror wütet und die Landshut-Flugzeugentführung die Nachrichtensendungen bestimmt, betritt sie das mit allerlei architektonischen Besonderheiten ausgestattete Haus noch zaghaft-naiv, um nur wenige Augenblicke später die Leiterin Madame Blanc ( Tilda Swinton) mit einer kraftvollen Darbietung in ihren Bann zu ziehen.

Gleichzeitig ist die eingeschworene Tanzfamilie vom Verschwinden ihres jungen Mitglieds Patricia (Chloe Grace Moretz) tief betroffen. Sie ist es auch, die den Psychiater Josef Klemperer (Lutz Ebersdorf) auf die Spur der Schule bringt, scheint dort doch nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen. Von einem Hexenzirkel ist die Rede. "Es gibt mehr in diesem Gebäude, als man sieht", entfährt es der sichtlich erschütterten Patricia. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass sie Recht hat. Doch was steckt wirklich hinter den gleichermaßen streng wie einfühlsam wirkenden Lehrerinnen? Und wie kann sich die naiv scheinende Susie in diesem Tollhaus zurecht finden?

Die Motive sind zwar dieselben, aber die Ausführung von "Suspiria" in seiner 2018er-Version unterscheidet sich doch maßgeblich vom Original. Allen voran ist es eine andere Gewichtung von Schülerinnen und Lehrerinnen, die hier für Spannung und den Bruch mit Erwartungen sorgt. Wie sich Swinton und Johnson in unterschiedlichen Situationen gegenüberstehen und einander vorsichtig abklopfen, verfehlt nicht seine Wirkung. Vor allem aber spart Guadagnino nicht mit expliziten Momenten, die weniger einem Schockmoment verpflichtet sind, sondern ganz einfach enorme Brutalität und Grauen an den Tag legen.

Wo er sich aber Vorwürfe gefallen lassen muss, ist die Länge der Geschichte, die er noch dazu mit dem gesellschaftspolitischen Überbau des Deutschen Herbstes verquickt. Ein ums andere Mal verliert sich der Filmemacher damit in Nebenschauplätzen, die zwar die von ihm entworfene Welt plastischer wirken lassen, aber die Handlung keineswegs vorantreiben. Da gefällt schon besser, wenn er mit überraschenden Schnitten die Aufmerksamkeit verschiebt oder den Fokus des Publikums ins Wanken geraten lässt.

Letztlich wird man dadurch immer tiefer in das höllische Inferno, das sich zunächst durch unheimliche Albträume von Susie ankündigt, gezogen. Denn während in einem Raum eine atemlose Tanzperformance für Schnappatmung sorgt, geht es andernorts in einem komplett verspiegelten Proberaum ums nackte Überleben. Zerquetschte Körper und durchstoßene Gliedmaßen treffen dabei auch auf den Soundtrack von Radiohead-Frontmann Thom Yorke, der sich neben klassischer Suspense-Modulation auch harmonieseligen Ausflügen bedient, um das Gezeigte bis zu einem gewissen Grad zu konterkarieren.

"Suspiria" ist ein durch und durch gut gemachter Horrorfilm, der versteht, an den richtigen Schrauben zu drehen. Eine Sonderstellung wird ihm alleine dadurch aber noch nicht zuteil. Denn nur eine legendäre Vorlage zu zitieren, ist noch keine Leistung für sich. Dennoch sollten sich Genreanhänger hier mehr als gut unterhalten fühlen, sofern das ob der beizeiten äußerst eindringlichen Bilder möglich ist. Und zudem kann man versuchen, in den Bewegungen, Blicken und Worten von Klemperer Swinton zu entdecken. Immerhin hat die Schauspielerin kürzlich bestätigt, dass sie hinter dem Alias Lutz Ebersdorf steckt. Ein weiteres Detail, das "Suspiria" sehenswert macht.