Tim Burton erfindet "Dumbo" neu
Wagt man sich an derart beliebte wie ikonische Figuren heran, ist die Gefahr einer Enttäuschung naturgemäß groß. Der originale "Dumbo" ist mit seiner Laufzeit von etwas mehr als einer Stunde einer der kürzesten Disney-Filme, zudem mögen viele Sequenzen aus heutiger Sicht ziemlich abseitig wirken. Aber auch nach mehr als 75 Jahren entfaltet die Geschichte um den kleinen Jumbo Jr., der aufgrund seiner zunächst an den Tag gelegten Tollpatschigkeit ob der großen Ohren Dumbo (vom englischen dumb für dumm) gerufen wird, ihren Charme.
Burton, der zuletzt eine ordentliche Durststrecke durchwanderte und erst bei "Die Insel der besonderen Kinder" (2016) wieder einigermaßen fest im Sattel saß, hat sich für seine Adaption eine ganze Riege großer Namen gesichert: Colin Farrell gibt den Zirkusreiter Holt Farrier, der nach dem Krieg an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt - ordentlich gezeichnet, fehlt ihm doch ein Arm. Seine aufgeweckten Kinder Milly (Nico Parker) und Joe (Finley Hobbins) schreckt das aber nur kurz, und auch Zirkusdirektor Max Medici (Danny DeVito in Hochform) findet schnell einen Platz für den früheren Star: bei den Elefanten.
Während sich Holt widerwillig, aber mit gutem Herzen in die neue Aufgabe fügt, entdecken Milly und Joe schnell eine Besonderheit beim neuesten Ankömmling der großen, kunterbunten Artistenfamilie: Das Neugeborene von Elefantendame Misses Jumbo hat zwar absonderlich große Ohren, kann diese aber mit entsprechendem Anreiz durch eine Feder zum Fliegen verwenden. Eine neue Attraktion ist geboren, die dem maroden Zirkus wieder auf die Beine helfen kann - und leider auch zwielichtige Gesellen anlockt. Der schmierige Unternehmer V. A. Vandevere (Michael Keaton als lispelnder Bösewicht) hat ein Auge auf das possierliche Tierchen geworfen.
Dank Drehbuchautor Ehren Kruger wird aus "Dumbo" im Jahr 2019 weniger eine Nacherzählung der Vorlage, als eine Erweiterung der ursprünglichen Handlung mit allerlei Zitaten. Damals musste sich Dumbo gegen den Spott der anderen Tiere und Zirkusbesucher zur Wehr setzen, hier geht es aber auch für die Angestellten des Zirkus selbst um nichts weniger als ihre Existenz. Da zudem seine Mutter nach einem tödlich endenden Zwischenfall verkauft werden muss und ihr Dasein in einem Spukhaus fristet, setzt die beherzte Familie Farrier alles daran, die beiden Elefanten aus Vandeveres Vergnügungspark "Dreamland" zu befreien.
Burton macht zu keiner Zeit einen Hehl daraus, dass es sich um einen Familienfilm handelt. Die Figuren sind innerhalb von Sekundenbruchteilen als gut oder böse zu erkennen, es geht um Selbstverwirklichung, Eigenbestimmung und Freiheit, und natürlich sind es im Endeffekt die Kinder, die von Anfang an den Weg weisen - würden die Erwachsenen nur auf sie hören. Aber das Ensemble - komplettiert von Eva Green als französische Seilartistin und Alan Arkin als grummeligen Bankier - macht unter Burtons Anleitung so gut wie alles richtig.
Der US-Regisseur kann ein weiteres Mal sein Händchen für opulente Gruselsequenzen, überbordenden Kitsch und detailverliebte Sets ausspielen. Mit Kostümdesigner Colleen Atwood und Komponist Danny Elfman sind zudem zwei alte Bekannte an Bord, die schon frühere Burton-Filme zum Augen- und Ohrenschmaus gemacht haben. Und die Effektabteilung hat nicht nur beim digital animierten Titelhelden ganze Arbeit geleistet, sondern weiß auch mit einer Reminiszenz an die rosa Elefanten der Vorlage zu begeistern. Insgesamt gelingt auf diese Weise ein zeitloses Märchen, das zwischen Magie und Tränendrüse wandelt, beides aber gleichermaßen kunstvoll zu bedienen weiß. Noch einmal für rund zwei Stunden Kind sein - das erfüllt "Dumbo" auf ganzer Linie.
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