APA - Austria Presse Agentur

So war das Twenty-One-Pilots-Konzert in Wien

Sie wurden sehnsüchtig erwartet: Stunden, bevor die Twenty One Pilots die Bühne der Stadthalle erklimmen sollten, zogen sich lange Menschenschlangen um das Gebäude.

Gelbe Hauben hier, schwarz-gelb gestreifte Kleidung dort. Die Farben der aktuellen Platte "Trench" dienten als Einstimmung. Später war klar: Das Warten hat sich gelohnt.

Es ist ein eigenwilliges Phänomen, das Sänger und Songwriter Tyler Joseph mit seinem am Schlagzeug hart arbeitenden Kollegen Josh Dun in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat: Denn eigentlich ist Twenty One Pilots alles und nichts. Ein bisschen Rock, eine gute Prise Electro, dann viel Groove aus der Hip-Hop-Ecke und natürlich ein Gespür für große Poprefrains, die dann doch nicht zu beliebig daherkommen. Worin das verpackt wird? Na, in einem Stück natürlich. Ein bunter Mix für die Generation Streaming, die diese Vielseitigkeit offenbar sehr zu schätzen weiß.

Für dich ausgesucht

Denn nicht erst seit dem großen Durchbruch mit dem Album "Blurryface" hat sich eine rege Fanschar um das Duo versammelt (mittlerweile werden die Anhänger als "Skeleton Clique" tituliert). Zig Millionen Streams, ausverkaufte Konzerte weltweit und ein Grammy sind die bis dato eingefahrene Ernte von Joseph und Dun. Mit dem im Herbst veröffentlichten "Trench" legten die Musiker nun noch eins drauf, ließen ihrer Signalfarbe Rot das neue Kanariengelb folgen und hielt nicht zuletzt ein etwas düsterer Gestus Einzug in das Songwriting.

Deutlich wurde das Sonntagabend schon beim brachialen Opener "Jumpsuit": Zunächst betrat Dun unter dem ohrenbetäubenden Jubel von rund 16.000 (vorwiegend jugendlichen) Anhängern die Bühne, eine Fackel schwenkend, bevor hinter seinem Rücken ein Autowrack mit Joseph auf dem Dach aus dem Boden fuhr. Feuer, Konfettiregen, die große Geste. Innerhalb von nur vier Minuten servierte Twenty One Pilots alles, was aktuell im Livezirkus gut und wichtig ist. Direkt im Anschluss drückte das Rap-Stakkato von "Levitate" aufs Gaspedal, bevor zu "Fairly Local" ein weiteres Ass aus dem Ärmel gezogen wurde: Zunächst schien Joseph in ein Loch in der Bühne zu fallen, doch nur Sekunden später stand er rechter Hand am ersten Rang und brachte den Song in die Zielgerade.

Sie wissen eben, was ein guter Showeffekt bewirken kann. "Für uns gab es am Anfang ja nichts anderes", betonte Joseph vor dem Auftritt im APA-Interview. "Es gab nur die Konzerte. Niemand von uns dachte an großartige Verkäufe, geschweige denn einen Grammy. Es war nicht der Aufnahmeprozess, der uns definiert hat. Die einzige Kontrolle, die wir zu dem Zeitpunkt unserer Karriere hatten, war bei den Konzerten. Also schrieben wir dafür die Musik. Viele Künstler und Bands sehen das wohl umgekehrt." Zwar sei das eine "sehr enge, hineingezoomte Perspektive auf Musik", gab der 30-Jährige zu. "Aber offenbar überträgt sich das wirklich gut, weil die Leute es annehmen."

Stimmt: Ziemlich genau zwei Stunden lang wurden jede Bewegung, jeder Song, jeder Gag von Twenty One Pilots gefeiert. Bei "Heathens" hing die Halle an den Lippen von Joseph und ließ sich nicht zweimal bitten, als er von den Fans ein lautes "Yeah, yeah, yeah" wollte. Zu "Lane Boy" wurde gemeinsam gesprungen, der ruhigere, auf einer zentralen Bühne im Publikum abgefeuerte Zwischenteil mit u.a. "Neon Gravestones" dankbar zum Durchschnaufen angenommen, bei "Holding On To You" Joseph im wahrsten Sinne des Wortes auf den Händen getragen. Selbiges tat ihm Dun kurz später nach, als er den Schluss von "My Blood" auf einem Mini-Drumset über den Köpfen der ersten Reihen rausbolzte. Man sollte also ein bisschen Muskelschmalz mitbringen als Twenty-One-Pilots-Fan.

Abgerundet wurde der Spaß von einer punktgenauen Lichtshow, die sich nicht nur der Bandfarben rot und gelb bediente, sondern dem musikalischen Mix entsprechend immer wieder ins Kunterbunte abdriftete. Einzig das "Quiet Game" des Duos, bei dem es die Halle aufforderte, so lange wir möglich absolut still zu sein (Resultat: 1,88 Sekunden) wird sich als stilistisches Liveelement wohl eher nicht durchsetzen. Egal. 21 Songs, dreimal so viele Effekte und tausende heisere Kehlen später ließ sich resümieren: Eben weil man Twenty One Pilots nicht in ein Genre zwängen kann, sind die US-Amerikaner vieles – nur eben nicht langweilig. Im Sommer serviert das Duo als Headliner des Frequency Festivals einen Nachschlag.