Wiener Linien/Robert Peres

Was ein Essverbot in den U-Bahnen mit sich ziehen könnte

Das Essverbot in den U-Bahnen ist ein schlechter Start ins neue Jahr. Welches Verbot kommt als nächstes?

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Die Wiener Linien sind eigentlich ganz okay. Im EU-Vergleich gehört Wien beispielsweise zu den Städten mit dem günstigsten Jahreskartenpreis. Im Großen und Ganzen leisten die Wiener Linien auf vielen Ebenen tolle Arbeit – und wären sie eine Regierungspartei, würden sie einiges im Land weiterbringen. Denn die Wiener Linien stehen für klare Lösungen ohne Ausnahmeregelungen oder versteckte Gesetzeslücken. Beispielsweise wurde das Essverbot in den U-Bahnen nicht nur für bestimmte Speisen ausgerufen. Nein, eine wasserfeste und konsequente Anordnung, die ohne Ausnahmen gilt, ab dem 15. Jänner in Kraft tritt. Das bedeutet, das Ganze gilt auch für Kinder, alte, schwache Greise und jeden von uns, der doch nur ein einziges Mal bei seiner Jause abbeißen wollte. Nicht einmal einen verfluchten Apfel dürft ihr streng genommen noch in der Wiener U-Bahn essen. Diesen Schock so früh im frischen Jahr müssen wir erst einmal verarbeiten – mit einer Liste von absurden Dingen, die sich in Wien in Sachen Verbotskultur noch entwickeln könnten, wenn wir nicht aufpassen. 

Kollektive Diät

Die Wiener Linien hatten im Vorfeld zum Essverbot eine Online-Umfrage zum Thema „Essverbot“ durchgeführt. 51.216 Personen haben daran teilgenommen, die Mehrheit (37.453) stimmte laut den Verkehrsbetrieben für ein Essverbot auf allen U-Bahn-Linien. Also alles ganz demokratisch natürlich. Es sollte doch klar sein: Niemand setzt sich freiwillig in die U-Bahn, um Spaghetti oder Austern zu essen. Ist man mit den öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs, stopft man meistens ohnehin Fast Food in sich hinein. Entweder kickt der Hunger so richtig in die Magengrube oder man hatte einfach keine Zeit für ein ordentliches Mittagessen. Ist es wirklich so abwegig, schnell eine Wurstsemmel in der U-Bahn zu verschlingen? Statt Bewusstseinsbildung und Erinnerung, dass die Bürgerinnen und Bürger in den öffentlichen Verkehrsmitteln aufeinander Acht geben sollen, gibt es strikte Anordnungen für ein "friedliches Miteinander". Diese sollen ab Mitte Jänner in der Praxis zum Einsatz kommen. Dann werden die Wienerinnen und Wiener nämlich eine kollektive Diät in den U-Bahnen halten müssen. Vielleicht sollen wir durch das Essverbot schlanker und gesünder werden und das alles ist nur ein ausgefinkelter Plan von Sportminister Heinz-Christian Strache?

Zweite Kassa

Man kann sich jetzt schon auf folgendes Szenario einstellen: Jene Menschen, die beim Billa ab einer Schlange von drei Menschen „zweite Kassa!“ schreien, werden auch lauthals nach einem Essverbot in der U-Bahn rufen, sobald sie ein Papiersackerl vom Anker erblicken. Die Konflikte zwischen jenen, die sich an die Regeln halten, und jenen, die sie umgehen wollen, sind quasi vorprogrammiert. „Ja, aber in anderen Städten gibt es auch Essverbote…“ JA. In anderen Städten gibt es auch Überwachung, Spuck- und Kussverbote. Wollen wir wirklich dorthin, wo alles gesetzlich reguliert und bestraft wird? Natürlich kann man sich an Städten wie Singapur ein Beispiel nehmen. Aber dann muss man auch mit der Konsequenz leben, dass man beobachtet wird. 

Türen für neue Verbote

In Singapur führte 1992 ein Fahrgast dazu, dass Kaugummis kurzzeitig aus dem Verkauf genommen wurde. Die besagte Person klebte den Gummi in die Tür einer U-Bahn. Solche Maßnahmen gibt es in Wien noch nicht. Es sind diese Freiheiten, die diese Stadt zur lebenswertesten der Welt macht. Jedes Verbot, das in das Zusammenleben eingreift, wird dieses auch beeinträchtigen. Türen für weitere Anordnungen werden geöffnet. Wenn sich manche schon durch Essensgerüche gestört fühlen, dauert es nicht lange, bis sich die Nächsten für ein Telefonier-Verbot einsetzen werden. Dann folgen tobende Kinder, Rucksäcke oder Kopfhörer, die den öffentlichen Verkehrsmittel fern bleiben müssen. Künftig könnten dann Securitys bestimmen, wer mit der U-Bahn fahren darf und wer leider draußen bleiben muss. Wenn wir schon bei den Verboten sind, wäre es nicht sinnvoll, Gratiszeitungen aus den Öffis zu verbannen?