APA - Austria Presse Agentur

Wie "Green Book" zum kontroversen Oscar-Kandidaten wurde

"Es tut mir leid." Diesen Satz hörte man oft in den vergangen Monaten vom Team um "Green Book". Während die Komödie von Peter Farrelly zahlreiche Trophäen gewonnen hat - darunter in wichtigen Kategorien bei den Golden Globes und den Hauptpreis bei den Producers Guild Awards -, wurde sie zum Thema diverser Kontroversen. Der Film ist für fünf Oscars nominiert. Die Chancen sind jedoch getrübt.

Bereits vergangenen November löste Darsteller Viggo Mortensen Kontroversen aus, als er im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Los Angeles das "N-Wort" benutzte, während er Rassismus in den USA adressierte. Sein Filmpartner Mahershala Ali war gekränkt. Kurz darauf veröffentlichte Mortensen eine Entschuldigung. "Obwohl ich beabsichtigte, mich gegen Rassismus auszusprechen, habe ich kein Recht darauf, mir auch nur vorzustellen, wie sehr es wehtun muss, wenn man dieses Wort in irgendeinem Zusammenhang hört, vor allem von einem weißen Mann", sagte der 60-jährige Schauspieler in einer Erklärung gegenüber dem "Hollywood Reporter".

Viggo Mortensen spielt Tony Vallalonga, einen italienisch-amerikanischen Schlägertypen aus der Bronx, der 1962 in einem New Yorker Nachtclub arbeitet. Als wir ihn zum ersten Mal treffen, wird er als so rassistisch dargestellt, dass er zwei Gläser wegwirft, die von zwei schwarzen Arbeitern benutzt wurden, die den Boden seiner Küche reparieren. Aber am Ende des Films, der Tony folgt, wie er den schwarzen Pianisten Dr. Don Shirley (Mahershala Ali) durch den rassistischen Süden der USA chauffiert, lädt er den Musiker zu sich nach Hause ein.

"Green Book", basierend auf einer wahren Geschichte, die von Vallalongas Sohn Nick gemeinsam mit Peter Farrelly geschrieben wurde, wurde als Heilsgeschichte darüber beworben, wie die beiden Männer ihre Vorurteile überwinden konnten und eine Freundschaft Anfang der 1960er-Jahre eingingen. Einige US-Kritiker hatten ihre Probleme mit der Kumpelkomödie, weil sie in ihrer Darstellung der Rassenproblematik in den USA veraltet war und Vallalonga als eine Art "weißen Retter" feierte.

Der Film geriet wieder unter Beschuss, als "Shadow and Act", eine Website, die sich dem afroamerikanischen Kino widmet, Interviews mit einigen der Familienmitglieder von Don Shirley veröffentlichte, einschließlich des Bruders des Pianisten, Maurice Shirley, der den Film als "eine Symphonie von Lügen" bezeichnet hat. Laut dem Neffen des Musikers, Edwin Shirley III, war die Darstellung der Jazzlegende als Mann, der sich von seiner Familie und der schwarzen Gemeinschaft abwandte, "ziemlich erschütternd". "Das war sehr schmerzhaft", sagte er gegenüber "Shadow and Act". "Das ist zu 100 Prozent falsch."

Familienangehörigen zufolge seien Shirley und Vallalonga nicht einmal Freunde gewesen, sondern hätten ein reines Arbeitsverhältnis gehabt. Als Ali von der Enttäuschung der Familie über die Darstellung des Pianisten durch den Film erfuhr, rief der 44-jährige Oscarpreisträger sie persönlich an, um sich zu entschuldigen: "Ich erhielt einen Anruf von Mahershala Ali, einen sehr, sehr respektvollen Anruf von ihm persönlich. Er rief mich und meinen Onkel Maurice an, bei dem er sich entschuldigte", so der Neffe in "Shadow and Act".

All dies schien "Green Book" bei den Golden Globes nicht zu schaden, aber einige Tage nach der Preisverleihung geriet Peter Farelly, der den Globe in der Kategorie "Bestes Musical oder Komödie" entgegen genommen hatte, ins Kreuzfeuer. Es wurde bekannt, dass Farrelly und sein Bruder und häufiger Filmpartner, Bobby Farrelly, gerne Streiche auf ihren Filmsets spielten, und die Leute dazu zu brachten, sich Farrellys Penis anzusehen. Farrelly, bekannt für große, wilde, unartige Komödien wie "Dumm und Dümmer" (1994), gab eine Erklärung ab: "Ich war ein Idiot. Ich habe das vor Jahrzehnten gemacht und dachte, ich wäre lustig, und die Wahrheit ist, dass ich mich schäme, und es macht mich jetzt nervös", sagte der 68-Jährige. "Es tut mir sehr leid."

Der Regisseur war nicht der einzige, dessen Vergangenheit ihn einholte. Drehbuchautor Nick Vallelonga musste sich entschuldigen, nachdem ein umstrittener Tweet aus 2015 wieder aufgetaucht war, in dem er anti-muslimische Bemerkungen gemacht hatte. In dem gelöschten Tweet stimmte Vallelonga mit einer falschen Aussage von Donald Trump überein, der behauptete, Muslime gesehen zu haben, die während des Terroranschlags auf das World Trade Center am 11. September 2001 jubelten. "100 Prozent korrekt", kommentierte Vallelonga den Tweet von Trump. "Muslime in Jersey City jubelten, als die Türme einstürzten." Es gibt keine sachlichen Beweise, die dies stützen.

Vielleicht lässt die Furore nach, wenn die einwöchige Oscar-Schlussabstimmung am 12. Februar beginnt. Die Oscar-Academy ist zwar heute in Bezug auf Alter, Geschlecht und Hautfarbe vielfältiger als noch vor ein paar Jahren, aber sie ist nach wie vor vorwiegend weiß und männlich, und diese Wähler lieben eine gute Wohlfühlgeschichte über die Rassenbeziehungen in den USA.