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Afrika ist überall: Abenteuerträume im Offroader werden wahr

Hohes Gestrüpp, knietiefer Schlamm und Sand oder Wasser soweit das Auge reicht. Für wen ein Offroader mehr als ein SUV ist, träumt vom Abenteuertrip, dafür muss man nicht nach Afrika oder an den Amazonas.

"Gas, Gas, Gas" - Elmar brüllt sich fast die Seele aus dem Leib. Doch Lars' Toyota Landcruiser bewegt sich nur im Kriechgang, selbst wenn der Motor noch so laut aufheult. Der schwere Geländewagen steckt bis zu den Radnaben in einer Kuhle voll Matsch und seine grobstolligen Reifen haben zu wenig Grip für die Steigung, die aus diesem Schlamassel herausführt.

Doch weder Elmar, der Guide, noch Lars, der Fahrer geben auf. Und nach einer halben Stunde starrt der eine vor Dreck und der andere ist schweißgebadet - doch der Toyota hat das Hindernis überwunden und beide strahlen um die Wette.

Denn genau darum geht es hier in der polnischen Pampa von Wolcz, zwei Stunden östlich von Stettin: Im Dreck wühlen, Hindernisse überwinden, über Klippen kraxeln, durch Bäche waten und Sandberge hinauf stürmen, kurz: "Wir wollen all das machen, wofür Geländewagen eigentlich einmal gebaut worden sind", sagt Elmar.

Zwischen Amazonas und Zufahrt zur Innenstadt

Auch wenn die Offroader als SUVs längst den Alltag von Familien und Vielfahrern erobert haben, gibt es eine eingeschworene Gemeinde, die bei Geländewagen an Afrika denkt oder an den Amazonas und nicht an den Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen.

Ein knappes Dutzend solcher selbst erklärter Dreckskerle fährt jetzt mit Autos wie Mercedes G-Klasse, Jeep Wrangler, Mitsubishi Pajero, Land Rover Defender oder Nissan Patrol hinter Elmar her und kämpft sich in Westpommern durchs Unterholz. Knapp 1.000 Euro pro Auto und Team haben sie dem Veranstalter Abenteuer 4x4 bezahlt.

Der wählt dafür die Route aus, stellt lokale Guides ein und stellt mit Trainern wie Elmar sicher, dass tatsächlich alle ankommen. "Klar gibt's mal einen Kratzer am Lack oder einen kleinen Blechschaden", sagt Elmer. "Aber wer mit dem richtigen Auto unterwegs ist, der wühlt sich hier überall durch."

SUVs kommen auch weiter - zumindest bis zu einem gewissen Punkt

Wobei das mit dem richtigen Auto so eine Sache ist. Denn Elmar macht einen sehr genauen Unterschied zwischen SUV und Geländewagen und will von Bestsellern wie einem VW Tiguan oder einem Toyota RAV4 nichts wissen. Natürlich gibt es auch Ausfahrten für solche Allradler. Da nehmen die Teilnehmer mal eine Schotterpiste unter die feinen Aluräder oder einen staubigen Feldweg.

"Doch wer sich hier im Matsch suhlen will, der braucht schon einen echten Geländewagen", sagt Elmar. Und "echt", das heißt für ihn ein ernsthaften Allradantrieb, eine Getriebeuntersetzung und im besten Fall sogar etwas mehr Bodenfreiheit. "Und natürlich die richtigen Reifen."

Auf Straßenprofilen scheitert selbst der beste Allrad, wenn es grob und schmutzig wird, erläutert der Experte und verlangt mindestens Gummis mit dem Gütesiegel "MT" für Mud and Terrain: Denn "Mud", also Schlamm, gibt es hier reichlich und Terrain, also "Gelände", das ist der Grund, wegen dem alle hier sind. Nachts am Lagerfeuer, als die Dachzelte aufgestellt und das Abendessen verräumt ist, erzählen die Teilnehmer, was sie in die polnische Pampa getrieben hat:

Da ist Autohändler Andreas, der sich eigens für solche Abenteuer einen alten Puch aufgebaut und immer wieder ins Unterholz startet. Da ist Stefan im Jeep Wrangler mit professionellem Campingausbau, dem konventionelle Stellplätze am Seeufer zu langweilig sind. Und da ist Lars, der einfach mal wissen wollte, wie weit sein kleiner Suzuki Jimny unter all den dicken Dingern kommt. Er kann kaum glauben, dass er und seine Tochter immer noch dabei sind.

Genau wie die Autos könnten die Teilnehmer kaum unterschiedlicher sein. Doch sie alle jagen hier dem gleichen Traum hinterher: Einmal wie bei "Daktari" durch Afrika zu fahren oder wie einst bei der Camel Trophy den Amazonas entlang, sagt Anna, die sonst das Marketing für koreanische Elektroautos macht. Und sie alle haben nach vier Tagen im Dreck schmutzstarrend am Lagerfeuer die gleiche Erkenntnis lernen: "Afrika ist überall und der Amazonas fließt auch durch Westpolen."

Mehr Freiheit gibt es im Osten

Weil offenbar viele Menschen diesen Traum träumen und bei Geländewagen nicht an die weichgespülten SUVs vor Bürokomplexen und Kitas denken, gibt es auch viele Reisen wie diese. "Denn man muss nicht nach Afrika, wenn man Offroad-Abenteuer erleben will", sagt Dag Rogge.

Er hat schon Geländewagen-Expeditionen in der ganzen Welt geleitet und im Wülfrath bei Düsseldorf eine ehemalige Kiesgrube zum Abenteuerspielplatz für Allradfahrer umgebaut: Vor allem in Ost- und Südosteuropa gibt es genügend abgelegene Regionen, in denen das Straßennetz abenteuerlich genug ist für einen Geländewagen. Von Gebirgspisten, Feld- oder Waldwegen ganz abgesehen: "Dort fängt das Abenteuer oft schon hinter dem Ortsschild an."

In Deutschland dagegen mahnt er zu Vorsicht und Zurückhaltung: "Die Regeln sind streng und die Möglichkeiten arg limitiert", sagt Rogge: "Feld, Wald und Wiese sind in unseren Breiten für Autos meist tabu, und die Förster oder Landwirte verstehen da zu Recht keinen Spaß."

Wer trotzdem den Asphalt hinter sich lassen will, der weicht auf private Gelände wie eben Rogges Kiesgrube, Steinbrüche oder einstige Truppenübungsplätze aus und kann sich dort für Tagestickets von meist deutlich unter 100 Euro mit seinem Geländewagen gütlich tun. "Und vor allem kann man dort ein bisschen üben und sich mit dem Auto vertraut machen, bevor man weitere Strecken in Angriff nimmt", sagt Rogge.

Gleichmäßig fahren führt weiter

Und ein bisschen Übung muss schon sein, sagt Tourguide Elmar, der je nach Anforderungsprofil gar keine Novizen mitnimmt. Aber keine Sorge. Mit ein bisschen Weitblick, Ruhe und Geduld kommen auch Laien am Lenkrad im Gelände überraschend weit, nimmt Rogge Offroad-Novizen die Angst. Wichtig sei nur, immer umsichtig zu fahren und sehr gleichmäßig, damit nie die Traktion abreißt. Und: auf die Guides oder zumindest die Mitfahrer zu hören, die draußen stehen und einem über Klippen und Kuppen helfen.

"Den Rest erledigt dann schon die Technik", sagt Rogge: "Denn vor allem moderne Geländewagen können in der Regel mehr, als sich die Fahrer selbst je zutrauen würden." Das beste Beispiel dafür ist der Land Rover Defender, der vielen als Inbegriff des Abenteuer-Allradlers gilt: Das Original war noch ein profundes Werkzeug für Profis, das nur bei richtiger Bedienung überall durchkam. Doch der vor Jahresfrist eingeführte Nachfolger ist ein Rechner auf Rädern, der Fahrern die meisten Entscheidungen abnimmt.

Nicht nur, dass er automatisch erkennt, in welchem Gelände der Wagen unterwegs ist und Allradantrieb, Sperren oder Traktionskontrolle entsprechend einstellt, sagt Chefingenieur Nick Collins. Sondern es gibt sogar eine Art Offroad-Tempomat, mit dem das Auto fast wie von selbst durchs Dickicht oder das Unterholz fährt.

Steckenbleiben ist auch nicht das Ende

Oder eben auch nicht. Denn selbst die beste Technik kann nicht verhindern, dass der Defender bei seinem Abenteuer in Polen immer mal stecken bleibt. "Aber auch das gehört dazu", sagt Elmar und appelliert an den Teamgeist der anderen Teilnehmer. Die lassen sich nicht zweimal bitten, springen beherzt in den Schlamm und nesteln schon am Abschleppseil, bevor der Brite so ganz zum Stehen gekommen ist. Wozu sonst hat Andreas eigens für die Tour noch eine Winde an den Bug seines olivgrünen Puchs geschraubt?

Während einer die Bergung koordiniert, spannt sich das Seil, die Winde knirscht und unter hüfthohen Matschfontänen quält sich der Land Rover aus dem Dreck, bis der Fahrer sein Schicksal wieder selbst in der Hand hält. Derweil brüllt Elmar das Kommando, das wie ein Kampfruf durchs Unterholz schallt "Gas, Gas, Gas". Denn die nächste Kuhle wartet schon.

Geröll und sandige Wege anstelle von Asphaltstraßen mit Anwohnerparken
--- - POLEN: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Thomas Geiger vom 10. November 2021: Ab durch die Mitte: Büsche, Sträucher, Geröll und sandige Wege anstelle von Asphaltstraßen mit Anwohnerparken. Foto: Thomas Geiger/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA/dpa/Thomas Geiger

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Hier können sich Geländewagen endlich mal nicht unterfordert fühlen
--- - POLEN: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Thomas Geiger vom 10. November 2021: Abseits der Straße: Hier können sich Geländewagen endlich mal nicht unterfordert fühlen. Foto: Thomas Geiger/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA/dpa/Thomas Geiger

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