APA - Austria Presse Agentur

Gelenksersatz zum richtigen Zeitpunkt

Viele Patienten mit schmerzhaften Arthrosen eines Hüft- oder Kniegelenks warten so lange mit einem chirurgischen Eingriff zu, bis ihr Operationsrisiko zu hoch ist. Es gilt, den richtigen Zeitpunkt für einen Gelenksersatz (Endoprothesen) zu bestimmen. Ab 70 sind erneute Operationen zum Austausch nur selten notwendig, hieß es jetzt aus Anlass des bevorstehenden Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (Regensburg/24. Bis 25. September).

Eine Hüft- oder Knieprothese ist die letzte Behandlungsoption bei fortgeschrittener Arthrose des Gelenks. Laut den aktuellen Leitlinien kommt sie erst in Frage, wenn zuvor alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten - Bewegungstherapie, Schmerzmittel und Gewichtsabnahme - ausgeschöpft worden sind und Schmerzen sowie Bewegungseinschränkungen permanent vorhanden sind, stellte die deutsche Fachgesellschaft fest.

Auf der anderen Seite, so Karl-Dieter Heller, Endoprothetik-Experte aus Braunschweig: "Gelenksprothesen schaffen ein hohes Maß an Lebensqualität. Sie sind jedoch nicht lebensnotwendig. Anders als etwa eine Krebsoperation können sie deshalb meist hinausgezögert werden. Der richtige OP-Zeitpunkt ist eine sehr individuelle Entscheidung."

Die derzeit zur Verfügung stehenden künstlichen Gelenke für Hüfte oder Knie sind bereits extrem lange haltbar, so Heller. Dabei gelte es, verschiedene Faktoren bei der Entscheidung zu berücksichtigen. "Man weiß, dass etwa die Hälfte aller Hüftprothesen und 15 Prozent aller künstlichen Kniegelenke nach etwa 20 bis 25 Jahren ausgetauscht werden müssen", erklärt Heller.

Jüngere Patientinnen und Patienten sollten über die beschränkte Haltbarkeit eines Kunstgelenks Bescheid wissen: "Patienten ab einem Alter von etwa 68 bis 70 Jahren benötigen bei durchschnittlicher Lebenserwartung meist keine Wechsel-Operation", so Heller. "Sind aber der Leidensdruck hoch und der Befund im Röntgenbild deutlich, spielt das Alter keine Rolle: dann operieren wir", erläutert der Orthopäde und Unfallchirurg.

Seien die Lebensqualität jedoch erhalten geblieben und die Beschwerden erträglich, wäre ein Zuwarten möglich. Eine gute konservative Behandlung könne helfen, den Eingriff mehrere Jahre hinauszuzögern oder im Einzelfall sogar ganz zu vermeiden, sagte Heller.

Dem gegenüber müssten bei allen Betroffenen die Folgen der anhaltenden Bewegungseinschränkungen durch eine schmerzhafte Gelenksarthrose abgewogen werden. Bei Schäden an einem Kniegelenk gibt es in manchen Fällen auch die Möglichkeit einer Teil-Prothetik. Dabei muss man aber zu einem höheren Prozentsatz mit einer neuerlichen Operation rechnen.

Auch die Begleiterscheinungen schwerer Arthrosen gilt es zu berücksichtigen. "Viele unserer Patienten hinken und entwickeln ein anderes Gangbild, um das schmerzende Gelenk zu schonen", betonte der Experte. Dadurch veränderten sich der gesamte Körper und die Körperstatik. Die Muskeln und Sehnen verkürzen und verhärten sich und werden schwächer. Das kann zu Schäden der angrenzenden Gelenke und auch der Wirbelsäule führen. Chronische Rückenschmerzen und Verspannungen gehören ebenfalls dazu.

"Insgesamt gelingt die Rehabilitation schneller und vollständiger, wenn man sich in einem guten körperlichen Zustand operieren lässt", sagte der Orthopäde. Das beginne schon bei der Frühmobilisation und setze sich bei Alltagstätigkeiten und Sport fort. "Es macht für das Ergebnis einen großen Unterschied, ob jemand bereits hochgradig immobil ist oder sich seine Beweglichkeit, Kraft und Balance halbwegs erhalten hat", erklärte der Arzt. Ziel müsse es sein, im Rahmen des sogenannten "Shared Decision Making" gemeinsam zu einer passenden Therapieentscheidung zu kommen.