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Was zur Hölle bedeutet "Main Character Energy"?

Du spazierst grazil durch die Straßen, Wind bläst dir die Haare aus dem Gesicht und du hörst dabei deinen persönlichen Soundtrack. Gratulation, du hast "Main Character Energy"!
Julia Deutsch

Was dir vielleicht bereits auf Instagram oder TikTok untergekommen ist, beschreibt eigentlich nicht nur einen Trend, sondern die persönliche Ausstrahlung von manchen Menschen. Wer kennt sie nicht? Die eine Person im FreundInnenkreis, die ein wenig exzentrischer, lauter und präsenter auftritt?

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Carrie Bradshaw als Archetyp

Wie "Bustle" beschreibt, wird die Hauptfigur von "Sex And The City", Carrie Bradshaw, oft als Paradebeispiel für dieses Phänomen herangezogen. Verträumt schlendert sie durch die Straßen New Yorks, trägt dabei ein Tutu und trifft danach ihre besten Freundinnen auf Cosmopolitans in einer angesagten Bar, um von den neuesten Entwicklungen in ihrem Leben zu erzählen. Klingt ein wenig selbst-zentriert und privilegiert? Vielleicht!

ProtagonistIn im eigenen Leben

"Business-Insider" erklärt, dass "Main Character Energy" heißt, sich als den Protagonisten oder die Protagonistin des eigenen Lebens zu sehen – alle FreundInnen und Verwandten wären demnach Personen in sogenannten "Supporting Roles".

Diese würden den Hauptcharakter (einen selbst) dabei unterstützen, das Leben zu meistern und dieses in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller zu stellen. Wie unschwer zu erkennen ist, sind diese Begriffe direkt aus dem Vokabular abgeleitet, mit dem man normalerweise Filme oder Serien beschreiben würde.

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Romantifizierung des Alltags

Der Hashtag #mainCharacterEnergy, der laut "Bustle" seine Ursprünge auf TikTok hatte, hängt vielleicht doch mehr mit dem aktuellen Zeitgeist zusammen, als man vorerst vermuten würde. So wird weiter ausgeführt, dass vor allem die Pandemie und deren Abflachen diesen Content inspiriert hat.

"Du musst dein Leben romantifizieren. Du musst anfangen, dich selbst als den oder die HauptdarstellerIn zu betrachten", lautet einer der erfolgreichsten TikTok-Sounds. So finden wir nun abertausende Videos auf der Plattform, die zeigen, wie NutzerInnen verträumt in Schaufenster blicken, jeden emotionalen Zusammenbruch als glamourös deklarieren und sich selbst beim Haar-Flip filmen. 

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Narzissmus oder "Coping-Mechanismus"?

Momentan wird laut "Refinery29" bei persönlichem Fehlverhalten schnell nach der Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung verlangt – dies darf und sollte jedoch nur von einem Arzt oder einer Ärztin attestiert werden.

Wie im "American Psychiatric Association’s Diagnostic and Statistical Manual" beschrieben, ist die Art von Überspitzung und Romantifizierung von persönlichem Verhalten jedoch eine Reaktion auf die veränderten Lebensbedingungen durch, zum Beispiel, die Covid-Pandemie. Dies kann also als – natürlich überzogenes –Verhalten gesehen werden, das aber als harmlos ausgelegt werden kann.

"Side Character Energy"

Man darf auf TikTok vertrauen, wenn es darum geht, zu jedem Trend auch einen Gegentrend aufzutischen. So war "Main Character Energy" vor allem im Jahr 2021 ein gefragter Hashtag – im Jahr 2022 trendet aber auch "Side Character Energy".

"Bustle" erklärt: Es ist in, sich selbst nicht mehr ganz so ernst zu nehmen. NutzerInnen online zeigen, dass sie sich selbst lieber als den//die schrullige/n beste/n FreundIn oder den/die verrückte/n ExfreundIn. Wieviel Vorstellung und Kreativität dies der eigenen Identität abverlangt, darf jeder und jede für sich selbst entscheiden.