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Warum alle einmal zur Therapie gehen sollten

Private Psychotherapie ist schwer leistbar, kassenfinanzierte Plätze gibt es zu wenig. Österreich hat Aufholbedarf.

"Österreich hatte bei der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen immer schon massiven Aufholbedarf. Die aktuelle Situation hat diesen Zustand noch weiter verschärft und stellt Betroffene vor völlig neue Herausforderungen", so das Fazit des Berufsverbandes österreichischer PsychologInnen im Oktober 2022.

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Heimat bist du großer PsychologInnen

Während Österreich herausragende WissenschaftlerInnen im Bereich der Bekämpfung seelischer Erkrankungen hervorgebracht hat (man denke an Freud, Frankl, Adler,...), scheinen wir in den Praxen nicht so erfolgreich zu sein. Dies dürfte weniger den qualitativen Ansprüchen geschuldet sein, sondern viel eher der schieren Unmöglichkeit, einen kassenfinanzierten Therapieplatz zu ergattern. Private Therapie können sich die meisten Menschen leider einfach nicht leisten.

Vergeblich sucht man in Österreich nach einem systematischen Ansatz, Menschen, die Unterstützung in seelischen Belangen brauchen, diese auch uneingeschränkt zukommen zu lassen. Könntest du ad-hoc erklären, woran man überhaupt merkt, dass man psychische Hilfe braucht? Wenn man nicht weiß, ob man überhaupt Hilfe braucht, wie soll man sich dann welche suchen?

Viele Fragen, wenig Antworten

Psychische Gesundheit geht uns alle etwas an, weil sie mit unserem Umfeld beginnt, genauso, wie sie damit aufhören kann. Dabei stellt man sich besonders am Anfang Fragen wie "Wo fange ich an?", oder auch "Wie finanziere ich meine psychische Gesundheit?" Auf diese Fragen gibt es in Österreich bedauerlicherweise noch keine einfachen, allgemeingültigen Antworten.

"An die Suche kann ich mich sogar sehr gut erinnern. Ich war emotional und psychisch wahnsinnig überfordert und wusste nicht, wohin mit mir. Ich begann, am ganzen Körper zu zittern, habe gefühlt drei Stunden durchgeweint und musste während den ganzen Telefongesprächen mit diversen TherapeutInnen und der ÖGK Pausen einlegen und mich beruhigen." So beschreibt etwa meine Kollegin ihren Weg durch das System der kassenfinanzierten Therapieplätze. Keineswegs ein Einzelfall.

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Sich selbst kennenlernen

Therapie ist nicht nur dazu da, bestehende Probleme zu lösen, sondern kann ein Weg sein, um den eigenen Kopf besser zu verstehen. Dr. Lisa Lewis von "girlsgonestrong.com" ist der Meinung, dass gerade sprachgewandte, intelligente und wachstumsorientierte Menschen zur Therapie gehen sollten, auch ohne vorherige seelische Erkrankung.

Wer wachsen will, soll also seine Seele ergründen, doch ist das alles andere als einfach. Laut "therecoveryvillage.com" erleben 70 Prozent aller Menschen zumindest eine traumatische Erfahrung in ihrem Leben. Klingt erstmal hart, aber als Traumata werden laut Gesundheitsministerium jegliche Erfahrungen einer "psychischen Ausnahmesituation" beschrieben. Die Aufarbeitung dieser Erlebnisse erfordert eine Menge Mut und viel Kraft.

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Welche Art von Therapie hilft mir?

Anfangs hilft es, sich ungeniert im sozialen Umfeld zu erkundigen. Durch die Angst vor einem womöglichen Stigma erzählen viele Leute nicht, dass sie zur Therapie gehen. Daher: Rede mit Familie und Freunden darüber, welche Angebote sie in Anspruch nehmen, oder ob sie Empfehlungen haben. Auch in meinem Bekanntenkreis war ich zunächst unwissend, dass eine Handvoll FreundInnen regelmäßig zur Therapie gehen.

Je nachdem, welche Erfahrungen du zu verarbeiten hast, unterscheidet sich die therapeutische Methode. Auch die therapierende Person muss zu deinem psychologischen Hintergrund passen. Wenn deine Traumata transgenerationaler Natur sind (transgenerationale Weitergabe beschreibt den Transfer von traumatischen Erfahrungen auf die nächste Generation, Anm.), etwa aufgrund von Krieg, Flucht oder dergleichen, werden damit vertraute TherapeutInnen die bessere Alternative sein.

Zusammengefasst kann man sagen, dass Therapie nur deinem Geldbörserl schaden kann. Wer jedoch krank ist, kann nicht arbeiten und kein Geld verdienen, deshalb wird immer wieder allen Menschen empfohlen, es zumindest zu probieren. Es gibt kaum etwas Schöneres als zu sehen, wie man selbst wächst, und das auch von anderen anerkannt wird. Gleichzeitig wäre es wichtig, dass die Möglichkeiten zur Psychotherapie auch einkommensschwachen Menschen zugänglicher gemacht werden. Hier sind die EntscheidungsträgerInnen aus der Politik gefragt. Gerade in Zeiten wie diesen mehr denn je.

Wenn du mit akuten Problemen zu kämpfen hast, kannst du dich jederzeit an die Telefonseelsorge unter 142 wenden – rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

Die Psychiatrische Soforthilfe steht ebenfalls rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer (01) 31330 zur Verfügung.

Auf der Website des Bundesverbands für Psychotherapie findet ihr noch mehr Notfallnummern für mehrere Bundesländer.

Wenn du eine Therapie in Anspruch nehmen willst:

Unkompliziert zur telefonischen Erstberatung: Außerdem gibt es eine psychotherapeutische Erstberatungs- und Info-Hotline. Sie ist ein kostenfreies, vertrauliches, professionelles und anonymes Angebot.

Du suchst einen kassenfinanzierten Therapieplatz? Hier erklären wir, wie du am schnellsten zu einem Therapieplatz kommst.

Die ÖH hat eine Kampagne für mentale Gesundheit von Studierenden gestartet. Mehr zu #talkaboutit findet ihr hier.