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Sind Selbstdiagnose-Videos auf TikTok gefährlich?

Immer mehr NutzerInnen behaupten auf TikTok, ihre Erkrankungen mit Videos selbst diagnostiziert zu haben. Kann das stimmen?
Selma Tahirovic Selma Tahirovic

Das Internet bietet uns täglich unendlich viele Informationen, die unser Wissen erweitern sollen. Dabei muss man jedoch beachten, ob diese Infos tatsächlich korrekt sind. Besonders in gesundheitlichen Angelegenheiten liefert uns Google häufig Horror-Diagnosen, die uns meist glauben lassen, dass wir bald das Zeitliche segnen.

Der Rat eines/einer ExpertIn ist unterm Strich immer noch die wichtigste Quelle, um eine korrekte Diagnose zu erhalten – oder nicht? Einige UserInnen auf TikTok stimmen dieser Aussage wohl nicht zu. Sie sind der Meinung, dass TikTok-Videos dabei helfen können, eine Krankheit selbst zu erkennen. Immer häufiger lässt sich nun der Trend der Selbstdiagnosen auf TikTok beobachten.

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Was sind TikTok-Diagnosevideos?

Der Hashtag #selfdiagnosis hat auf TikTok über 22 Millionen Views. Das Wort bedeutet auf Deutsch übersetzt "Selbstdiagnose". Auch in der deutschen Bubble ist der Trend inzwischen angekommen: Unter #selbstdiagnose finden sich ebenfalls zahlreiche Videos. Der Hashtag wurde mehr als 94.000 Mal aufgerufen.

Videos, die mit diesem Hashtag versehen sind, zeigen NutzerInnen, die über ihre eigenen Symptome sprechen und glauben, anhand von Online-Recherche eine Diagnose für sich selbst gefunden zu haben. Sie geben diese Infos an ihre FollowerInnen weiter – diese sollen dadurch ebenfalls eigene Krankheiten erkennen können.

Es gibt zahlreiche TikTokerInnen, die sich mithilfe von Online-Fragebögen selbst diagnostizieren – etwa dass sie unter einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder Autismus leiden. Zudem nutzen InfluencerInnen die Plattform, um Krankheitssymptome zu teilen, die auf eine bestimmte Diagnose hindeuten können.

Userin @adhadult behauptet in einem Video, dass Selbstdiagnose-Videos nicht zwingend zu Fehldiagnosen führen, sondern Menschen auch dabei helfen können, einzusehen, dass sie eine Erkrankung haben – besonders dann, wenn sie zuvor vielleicht nicht die Gelegenheit hatten, sich untersuchen zu lassen. 

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UserInnen kritisieren Selbstdiagnose-Videos

Das Gefährliche an diesen Videos ist, dass sie durch den TikTok-Algorithmus immer öfter vorgeschlagen werden. Wer diese TikToks sieht, kann schnell in einer Spirale landen, die immer mehr vermeintliche Diagnosen aufzeigen.

Es überrascht nicht, dass sich viele Leute in den Kommentaren unter den Videos über den Trend beschweren – unter ihnen finden sich oftmals auch Fachleute für psychische Gesundheit. Sie warnen davor, die Ratschläge von InfluencerInnen als valide Diagnose zu betrachten, wenn es um ihre Gesundheit geht. Stattdessen fordern sie die NutzerInnen dazu auf, die Hilfe von MedizinerInnen in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass keine Fehldiagnosen gestellt oder andere Krankheiten ignoriert werden.

TikTok bietet eine Welle an Informationen an, doch unzählige NutzerInnen betonen, dass die Video-Plattform keine seriöse Quelle für medizinische Ratschläge ist. Zudem gibt es auch viele TikTokerInnen, die sich von dem Trend untestützt fühlen. "Sind Selbstdiagnosen nicht der erste Schritt zu offiziellen Diagnosen?", fragte eine Nutzerin unter dem Video von @adhadult.

TikToker @connordewolfe teilt in seinem Profil einen Link, der zu einem ADHS-Selbsttest führt. Seinen über vier Millionen FollowerInnen erklärt er jedoch in einem TikTok-Video, dass man sich von den dort angegebenen ADHS-Symptomen nicht blenden lassen soll.

"Manchmal weisen wir alle eine Art dieser Symptome auf", erklärte der TikToker. Er empfiehlt deshalb, den Test durchzuführen und anschließend mit einem/einer ExpertIn darüber zu sprechen, falls man das Gefühl hat, dass man die Erkrankung haben könnte.

Auch der deutsche User @emoteofficial warnt vor Selbstdiagnosen: Sie führen meist dazu, dass Krankheitsbilder nicht mehr richtig ernst genommen werden. Zudem würden sich Betroffene dadurch oft eine "Identität durch die Erkrankung" aufbauen. Wer glaubt, krank zu sein, neigt dazu, Symptome zu übernehmen und sich "krank" zu verhalten. 

Hilfe ist wichtig, wenn sie die richtige ist

Natürlich kann die Recherche im Internet dazu beitragen, dass man sich hilfreiche Informationen holt, die wiederum dabei helfen können, sich selbst oder seine Beschwerden besser zu verstehen. Dennoch sollte man dabei immer darauf achten, dass die Informationen von seriösen und vertrauenswürdigen Quellen stammen, die auch wissenschaftliche Evidenzen liefern. 

Das betrifft auch TikTok-Videos: Hinterfrage die Quellen, die im Video verwendet werden. Sind sie valide? Kann ich mehr dazu herausfinden? So kannst du auch besser verstehen, ob die Informationen, die du gerade bekommen hast, wirklich wahr sind. 

Im Endeffekt bleibt dir ein Gang zum Arzt oder zur Ärztin nicht erspart. ExpertInnen haben jahrelang Medizin studiert und in dem Berufsfeld Erfahrung – in den meisten Fällen kann man sich ziemlich sicher sein, dass sie eine genauere Diagnose stellen können als InfluencerInnen auf TikTok. 

Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken.