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So tricksen Kleinanzeigenbetrüger im Internet

Kleinanzeigenportale im Internet haben Hochkonjunktur - gerade nach Weihnachten, der ungeliebten Geschenke wegen. Wo viel verkauft wird, tummeln sich auch Kriminelle. Wer sich schützen will, muss misstrauisch sein.

Für 850 Euro hat ein Mann sein E-Bike zum Verkauf auf einem Kleinanzeigenportal inseriert. Eine Interessentin meldet sich per Mail, man wird sich einig, dann kommt eine Mail der "Royal Bank of Canada": Eine Zahlung über 1.150 Euro werde an den Verkäufer freigegeben, wenn dieser zuvor 300 Euro an die Spedition "Boyd Logistics LLC" überweist.

So beschreibt ein Nutzer seinen Fall in einem Verbraucherportal im Internet - und er ist bei weitem nicht der Einzige. "Ich hätte nicht gedacht, dass es mich auch erwischt." Wenn Kriminalhauptkommissar Hans-Joachim Henschel einen Satz immer wieder hört, dann diesen. "Es kann jeden treffen, alt, jung, Menschen aus allen Gesellschaftsschichten." Henschel arbeitet beim Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen, sein Aufgabenbereich: Prävention Cybercrime, also Schutz vor Straftaten im Internet.

In Deutschland entfielen mehr als die Hälfte davon 2020 auf Waren- und Warenkreditbetrug. Bei ersterem liefern Betrüger die versprochene Ware nicht, obwohl bezahlt wurde; beim Warenkreditbetrug erhält der Täter die Ware, ohne zu bezahlen. Die Aufklärungsquote bei diesen Delikten liegt laut Polizeilicher Kriminalstatistik bei knapp 60 Prozent. Besonders beliebt sind aktuell Maschen mit erfundenen Speditionen und fingierten Mails von Zahlungs- oder Versanddienstleistern - wie beim Fall mit dem E-Bike.

Käufer sitzt angeblich im Ausland

"Der angebliche Käufer sitzt im Ausland und kann die Ware deswegen nicht selbst abholen", schildert Henschel den Trick. Der Betrüger gibt vor, ein Transportunternehmen zu beauftragen, das die Ware abholt. Teils erhält der Verkäufer gefälschte Mails von Banken, Zahlungs- oder Versanddienstleistern wie Paypal oder DHL, die den Kauf glaubhaft machen sollen.

Manchmal wird auch mit dem Anwalt gedroht. Überweist der Verkäufer die angeblichen Transportkosten, wird der Kontakt abgebrochen, das Geld ist weg. Diese Masche kommt vor allem bei großen und hochpreisigen Waren wie Möbeln oder Autos zum Einsatz.

Bei kleineren Objekten wie Uhren oder Handys gibt es andere Tricks, die nicht minder dreist sind. Der Verkäufer soll die Ware etwa als Geschenk an einen angeblichen Freund oder Verwandten des Käufers schicken und obendrein teils noch Guthabenkarten für Onlineshops oder Streamingportale besorgen und beilegen. Das Geld für Ware und Karten will der vermeintliche Käufer angeblich vorab überweisen.

Geld sieht der Verkäufer nie

Doch Geld sieht der Verkäufer nie. Entweder, weil der Betrag von gekaperten Konten überwiesen und später zurückgefordert wird, oder weil die Zahlung mit gefälschten Mails von Bezahldienstleistern oder Banken nur vorgetäuscht wird. "Manchmal heißt es sogar: "Sag mir die Gutscheincodes vorab"", erklärt Henschel, quasi als Absicherung, falls das Paket verloren geht.

Vermeiden kann man solche Betrugsversuche, indem man die Kommunikation konsequent über das Kleinanzeigenportal laufen lässt und nicht auf andere Mail-Adressen oder Messenger ausweicht. Auf den Internetseiten von Verbraucherzentralen, Polizei oder der Watchlist Internet finden sich außerdem aktuelle Betrugsmaschen. Wer ein komisches Gefühl hat, kann dort nachsehen, ob es schon ähnliche Fälle gab.

Besonders perfide ist der sogenannte Dreiecksbetrug. Hier kopieren die Täter einfach die Kleinanzeige, für die sie Interesse angemeldet haben, und stellen sie ein zweites Mal online. Den Verkäufer bitten sie um Zahlungsdaten für die Überweisung und verwenden diese für ihr eigenes, gefälschtes Inserat.

Der Verkäufer ist der Verlierer

Meldet sich nun ein Interessent, wickeln sie den Kauf ab: Das Geld des Interessenten geht auf dem Konto des Verkäufers ein, der verschickt die Ware an die Betrüger, nicht an den Käufer, der das Geld überwiesen hat. Verlierer ist am Ende der Verkäufer. Denn beim Käufer kommt die Ware nie an, er fordert sein Geld vom Verkäufer zurück. Die Ware bleibt aber meist verschwunden.

Verbraucher sollten daher Käuferschutz-Optionen nutzen, wenn es um Verkäufe mit Versand oder angeblicher Abholung durch Transportdienstleister geht. "Bei Paypal gibt es keinen Schutz, wenn das Geld per "Freunde und Familie" verschickt wird", erklärt Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Für die Paypal-Option "Artikel oder Dienstleistung" wird zwar eine Gebühr fällig, dafür bekommt der Käufer aber auch sein Geld zurück, wenn er nachweisen kann, dass die Ware nicht angekommen ist oder der Artikel nicht der Beschreibung entspricht, erklärt Rehberg.

Bei Ebay-Kleinanzeigen gibt es zudem etwa die Option "Sicher bezahlen", die aber noch nicht bei allen Verkäufen zur Verfügung steht. Hier wird das Geld treuhänderisch verwahrt, bis die Ware angekommen ist. Auch das kostet eine Gebühr, außerdem darf der Verkäufer nur versichert verschicken.

Die Mutter aller Betrügereien

Die Mutter jeden Kleinanzeigenbetruges ist natürlich der Vorkassebetrug: Man überweist vorab, quasi ins Blaue hinein an den Verkäufer und muss hoffen, dass dieser die Ware auch schickt. "Vorkasse ist natürlich unsicher, ich weiß nicht, ob ich die Ware bekomme", fasst Rehberg zusammen.

Falls es mit dem Wohnort und der Entfernung passt, ist natürlich selbst abholen und bar bezahlen auch eine gute Option - zumindest für den Käufer. Verkäufer sollten sich aber in diesem Fall vor einer Masche hüten, bei der Betrüger vorschlagen, die Ware vorab zu bezahlen und von einem Bekannten abholen zu lassen.

Doch nachdem mit diesem die Übergabe abgewickelt worden ist, bestreitet der Käufer, die Ware je erhalten zu haben und holt sich sein Geld vom Verkäufer zurück. Der steht dann ohne Geld und ohne Ware da. Also bei Vor-Ort-Geschäften doch lieber Barzahlung bei Übergabe, rät daher Harald Schmidt, Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. "Als Verkäufer bestimmen Sie die Abläufe."

Und bei allen Betrugsfällen gilt am Ende der Rat, es nicht etwa dabei bewenden zu lassen, sondern in jedem Fall Anzeige zu erstatten, sagt Kriminalhauptkommissar Henschel. "Auch bei 20 Euro, auch, wenn es peinlich ist."

Steckt hinter diesem Foto tatsächlich eine Ware?
BERLIN - DEUTSCHLAND: ILLUSTRATION - Zum Themendienst-Bericht von Julia Ruhnau vom 5. Januar 2022: Guter Deal? Dann aber auch sicher bezahlen oder noch besser: vor Ort abholen. Foto: Catherine Waibel/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA/dpa/Catherine Waibel

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