Unfreundlichste Stadt der Welt: Warum sind wir stolz auf Wien?

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Wien ist die unfreundlichste Stadt – und stolz darauf?

Wien wurde erneut zur unfreundlichsten Stadt der Welt gekürt. Im Netz wird das gefeiert. Doch gibt es wirklich eine Grund dazu?
Selma Tahirovic Selma Tahirovic

Wien hat es einmal wieder geschafft und wurde auch im Jahr 2022 vom Expat-City-Ranking zur "unfreundlichsten Stadt der Welt" gekürt. Laut der Studie belegt die österreichische Hauptstadt in der Kategorie "Freundlichkeit" den letzten Platz. Den ExpertInnen zufolge seien die WienerInnen gar und gar unfreundlich – besonders AusländerInnen gegenüber.

In den Sozialen Medien wird es beinahe schon "gefeiert", dass Wien als die unfreundlichste Stadt gekürt wurde. Man sei "stolz" darauf, denn der Wiener Grant sei ja schließlich das bekannteste und unverwechselbarste Markenzeichen der Stadt. 

Doch wollen wir wirklich darauf stolz sein, dass WienerInnen vom Rest der Welt als unfreundlich und rassistisch wahrgenommen werden?

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Der Wiener Grant und sein Flair

Ich verstehe die Liebe zum Wiener Grant. Er ist einzigartig wie seine BewohnerInnen selbst und und dafür bin ich auch, nachdem ich seit knapp zwei Jahren fix in der Bundeshauptstadt wohne, unglaublich dankbar. Und wer kennt und liebt ihn nicht, den "waschechten Wiener" Edmund "Mundl" Sackbauer?

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Doch wofür ich nicht dankbar bin, ist die Tatsache, dass die Studie unter anderem ergab, dass mehr als die Hälfte der Befragten Probleme damit hätte, sich mit WienerInnen anzufreunden. Ganze 32 Prozent gaben an, dass sie sich in der Stadt nicht willkommen fühlen. 

Laut "Expats" ist die Ablehnung besonders gegenüber der ausländischen Bevölkerung aufgefallen. Leider nicht verwunderlich, denn Alltagsrassismus wird meiner Meinung nach in Wien immer noch auf die leichte Schulter genommen. 

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Sind wir etwa stolz auf Alltagsrassismus? 

Rapperin Esra Özmen veröffentlichte am 23. November 2022 ein Video, in dem sie erklärt, dass ihre Mutter mitten auf der Mariahilferstraße von einer Person angespuckt wurde. Dabei wurde sie vor allem im Gesicht und auf ihrem Kopftuch getroffen. Nachdem Özmen lautstark auf die Situation aufmerksam machte, soll niemand zur Hilfe geeilt sein. Der Täter flüchtete schnell und die Mutter der Musikerin blieb zitternd und panisch zurück. 

Während sich einige LeserInnen vielleicht denken, dass das ein Einzelfall ist, muss ich leider widersprechen. Es kommt immer wieder zu Alltagsrassismus im ansonsten sehr schönen Wien. Erst im Sommer erzählte mir eine gute Freundin, dass sie grundlos in der U-Bahn rassistisch beschimpft wurde. 

Solche Geschichten machen fassungslos und schmerzen – besonders wenn man selbst Wienerin ist und Migrationshintergrund hat. Doch wenn ich all die "positiven Reaktionen" auf das Ranking lese, dann stelle ich mir nur eine Frage: Wollt ihr darauf wirklich stolz sein? Oder ist es nicht eher peinlich und besorgniserregend? 

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Zwar hat es Wien bei dem Ranking unter die Top Zehn der lebenswertesten Städte geschafft, doch das hat einen eher bitteren Beigeschmack, wenn man über Vorfälle hört, in denen Personen auf offener Straße einfach angespuckt oder beleidigt werden. 

Ich liebe diese Stadt, den Wiener Grant und seine BewohnerInnen, doch noch mehr liebe ich es, wenn die Zivilcourage in der österreichischen Hauptstadt wieder mehr Platz in unseren Herzen finden würde. Und vielleicht auch die Tatsache, dass es immer noch cool ist, freundlich zu sein. 

"Being nice never goes out of style", nicht wahr? 

Wenn auch du Erfahrungen mit Rassismus oder Diskriminierung machst, dann wende dich an den Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit.