Weihnachten feiern zu Hause mit der Familie

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k.at-Meinung: Weihnachten mit der Familie – Horror oder Highlight?

Weihnachten, für alle die es feiern, kann schnell zum umstrittenen Thema werden: Ist es ein schönes Familienfest oder lästige Pflicht?

Weihnachten "dahoam" wie jedes Jahr treten unzählige Menschen die große Reise an, nämlich um das Weihnachtsfest mit der lieben Familie zu verbringen. Selbst Songs wurden darüber geschrieben ("Driving Home for Christmas"), aber könnt ihr es auch kaum erwarten, "those faces" zu sehen? Oder wird euch beim Gedanken an ein Familienfest eher unbehaglich?

Schließlich läuft nicht jedes Weihnachten gleich wie eine Coca-Cola-Werbung ab, wo Kinder mit leuchtenden Augen Geschenke empfangen und sich jede/r blendend versteht, quasi den "Zauber von Weihnachten" versprüht und auch fühlt.

Die Realität sieht leider oft anders aus: Gestresste Familienmitglieder, die mit der Organisation überfordert sind, kleine Streitigkeiten, die alte Familienfehden hochleben lassen oder manches Mal sogar Gewalt. 

Anstiege bei häuslicher Gewalt rund um Weihnachten sind leider belegt. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), sagte diesbezüglich zur "Wiener Zeitung": "Es fällt uns auf, dass es während der Feiertage immer wieder zu akuten Fällen kommt, wo die Gewalt eskaliert". 

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Und auch Einsamkeit ist ein großes Thema, wird man schließlich an Zeiten, in denen die Familie und FreundInnen im Fokus stehen, daran erinnert, wie der eigene Status Quo aussieht. Es ist ein Mythos, dass die meisten Suizide zur Weihnachtszeit begangen werden, jedoch soll es laut "Die Presse" statistisch gesehen Anfang Jänner die meisten Fälle geben also kurz nach der Weihnachtszeit und dem Jahreswechsel.

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Wie die k.at-Redaktion Weihnachten verbringt und was sie vom Familienfest hält, ist gespalten. Im Pro- und Contra-Vergleich legen unsere Redakteurinnen ihre Sichtweisen dar.

Weshalb Weihnachten für manche das schönste Fest des Jahres ist:

Monika, 35: "Schon morgens die Christmas-Playlist aufdrehen"

Uuh, Weihnachten! Nachdem ich alle Fotos und Videos rund um Halloween auf YouTube, Tiktok und Instagram inhaliert habe, starte ich ab dem 1. November bereits mit der Einstimmung auf die Weihnachtszeit. Wie das aussieht? Häferl in Schneemann-Form herausholen, Weihnachtszauber-Tee trinken, Vanille-Zimt-Duftkerzen aufstellen und schon morgens die Christmas-Playlist aufdrehen.

Den Weihnachtsabend hingegen verbinde ich mit Stress, schlechten Kompromissen und guter Miene zum bösen Spiel. Meine Schwester, meine Nichte und ich reisen an Heiligabend immer von Österreich nach Deutschland zu unserem Vater und seiner Frau. Als meine Nichte noch klein war, gestaltete sich die Fahrt im überfüllten Zug immer besonders nervenaufreibend. Einmal saßen wir mit Baby auf den Treppen beim Ausstieg, da der Zug gesteckt voll war, und wurden angepöbelt, dass wir im Weg seien. Von einem Mann. Mhm, eh scho wissen! Ein anderes Mal sind wir zum Zug gerannt, haben ihn knapp verpasst und saßen dann heulend am Bahnsteig.

Vorletztes Jahr mussten wir beide eine Geldstrafe blechen, da man im Zug das Ticket zwar ganz normal kaufen, aber offenbar nur in bar und nicht mit Karte bezahlen kann, wie uns der Schaffner damals recht unfreundlich aufklärte. In Deutschland angekommen, pferchen wir uns dann zu sechst in Papas kleine Wohnung und ich weiß jetzt schon, dass ich morgens wie gerädert sein werde, weil eine meiner Schwestern, mit der ich im Zimmer schlafe, dermaßen laut schnarcht, dass es eigentlich schon strafbar sein müsste. 

So lieb wir uns auch haben und so schön es ist, wenn man sich sieht, ein paar Tage später ist jede/r wieder froh, wenn wir unsere Koffer packen und nach Wien zurückfahren.

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Julia, 29: "Zeit, in der ich uneingeschränkt für Familie und FreundInnen da bin."

Das Weihnachtsfest mit der Familie ist in Stein gemeißelt. Da kommen keine Reise nach Südostasien oder andere Verpflichtungen in die Quere, denn das "Fest der Liebe" wird bei uns niemals ausgelassen. Schon Wochen zuvor werden Vorbereitungen getroffen, Anreise abgeklärt und das Menü geplant – der wohl wichtigste Faktor in einer kulinarisch anspruchsvollen Familie. Rund um die Weihnachtsfeiertage finden dann gewisse Side-Events statt, die nicht obligatorisch, aber doch fest in der Familientradition verankert sind: spezielle Weihnachtsfilme, Besuch in der Weihnachtsbäckerei der Oma, spontanes X-Mas-Shopping im Ort, ausgedehnter Besuch im Café mit Kuchen.

All diese kleinen Details machen das große Puzzle namens Weihnachten perfekt. Es ist für mich die Zeit, in der ich uneingeschränkt für Familie und FreundInnen da bin. Ich bin persönlich präsenter, wenn Kerzen scheinen und der Duft von Orangen und Nelken den Raum erfüllen. Jede/r reißt sich am Riemen und Streitigkeiten gibt es selten.

Zu Weihnachten erinnert man sich auch immer daran, welche Menschen und Dinge man verloren hat – ich als "woke" Millennial halte dann gerne inne und denke nach, welche Privilegien ich genieße. Aber natürlich nicht zu lange, schließlich gilt es, mein Eigengewicht in Vanillekipferl zu inhalieren.

Religion sowie Geschenke spielen beim Weihnachtsfest meiner Familie keine zentrale Rolle, es wird nicht gebetet, sondern nur traditionell "Stille Nacht" gesungen. Und am Ende kann man froh sein, wenn die Nachspeise noch Platz hat. Auch wenn diese Abende immer gleich ablaufen und fast schon einstudiert wirken – jede/r hat zugeteilte Aufgaben – für mich wird es niemals langweilig werden, sondern hat etwas von beruhigender Stabilität.

Doch nicht alle in unserem Team sehen das so. Warum Weihnachten nicht die "schönste Zeit des Jahres" für ein paar unserer Redakteurinnen ist:

Justyna, 34: Ich weiß nicht, ob ihr wisst, wie polnische Weihnachten „funktionieren“ ...

Ich hasse Weihnachten, ich sag’s wie’s ist. Diese erzwungene Fröhlichkeit und das Singen von Weihnachtsliedern taugen mir gar nicht. Ich komme aus dem streng katholischen Polen, wo die Geburt Jesu – neben Ostern – als das wichtigste Ereignis des Jahres gefeiert wird. Ich weiß nicht, ob ihr wisst, wie polnische Weihnachtsfeste "funktionieren", aber da gibt es ganz spezielle Bräuche und sehr viel Essen. Mit "sehr viel "meine ich übertrieben viel!

Streng genommen, mit allem zusammen, sind es 8-12 Gänge:

  • Oblaten abbrechen und essen (quasi als Eröffnungsbrauch),
  • Steinpilzsuppe,
  • Borszcz (Rote Rübensuppe),
  • Pierogi (klassisch mit Kartoffeln und Topfen, Kraut oder Pilzen),
  • Gołąbki (gefüllte Krauttaschen mit Faschiertem, Reis und Tomatensauce),
  • Karpfen,
  • "Gemüsesalat" mit Mayonnaise,
  • diverse Kuchen und zum Schluss im besten Falle, einmal alles zusammen auf den Tisch stellen.

Falls noch jemand Hunger bekommen sollte, kann man sich an der üppigen Wurst- und Käseplatte laben.

In meiner Familie wird Heiligabend immer im großen Stil am 24. Dezember gefeiert. Es wird übertrieben kitschig dekoriert, ausgewählte Outfits werden von Verwandten strengstens unter die Lupe genommen sowie kommentiert und es wird Wodka getrunken – wobei dieser eher zur Verdauung dienen soll. Hört sich ja alles eigentlich gar nicht so schlecht an, oder?

ABER alles, was drumherum und währenddessen passiert, ist für mich als Anti-Weihnachtsmensch anstrengend. Ich muss zugeben, dass ich in den letzten Jahren versucht habe, mir den Weihnachtsabend als ein einfaches Zusammenkommen von Familienmitgliedern vorzustellen. Ich glaube, so empfinde ich dieses Fest als weniger anstrengend. Ich bin zwar der "Grinch" in meiner Familie, aber mit einem weichen Herzen und ich genieße die Momente insgeheim sehr.

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Amina, 34: "(...) Pflichtgefühl, weil 'es ist ja Weihnachten'"

Natürlich, als Kind hat man noch einen ganz anderen Zugang zu Weihnachten, die Vorfreude auf die Geschenke und das gute Essen sind groß. Diese Perspektive kann sich aber ändern, wenn man erwachsen geworden ist. Wenn man etwa keine Eltern mehr hat und der große "Familienfaktor" des Fests mehr zur traurigen Erinnerung als zur Freude wird.

Oder dieser gezwungenermaßen in ein "Heile-Welt"-Licht gerückt wird: Meine Mutter hat jahrelang als Krankenschwester auf einer Geriatrie-Abteilung gearbeitet und mir nicht selten von Verwandten erzählt, die ihre alternden Familienmitglieder nur rund um die Weihnachtsfeiertage besucht haben. Aus Pflichtgefühl, weil "es ist ja Weihnachten". Das restliche Jahr waren die Besuche hingegen nur spärlich.

Ich finde es wunderbar, wenn Familien das Weihnachtsfest im klassischen Rahmen zelebrieren wollen und sich ehrlich darauf freuen. Viel wichtiger wäre meiner Meinung nach aber, dieses Gefühl der Verbundenheit und Liebe das ganze Jahr über spürbar zu machen, anstatt sich von Weihnachten "daran erinnern" zu lassen. Denn nicht um Geschenke, Essen und Co., sondern um dieses Gefühl sollte es doch eigentlich gehen, oder?

Wer Selbstmordgedanken hat oder an Depressionen leidet, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits ein einzelnes Gespräch. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken. www.suizid-praevention.gv.at