APA - Austria Presse Agentur

Warum die Fußball-WM 2022 in Katar problematisch ist

Wohl kaum eine WM wurde jemals so sehr infrage gestellt wie die heurige. Zu Recht, denn die Umstände werfen Fragen auf.
Dario Bojic

"Schaust du eigentlich die WM?" Es klingt, als würde man die Antwort mit vorgehaltener Hand sagen müssen. Die Menge an Kontroversen rund um die diesjährige Fußball-Weltmeisterschaft macht es eigentlich unmöglich diese WM so wahrzunehmen wie früher.

Ich war nie der größte Fan vom Fußball-Schauen, doch bei der Meisterschaft packt mich normalerweise das Public Viewing mit meiner Familie, Bekannten und Unbekannten. Stets hatte ich das Gefühl, dass das Fußball-Spektakel Menschen zusammenbringt, dieses Jahr spüre ich das exakte Gegenteil. Das liegt vor allem daran, dass dieses im arabischen Katar stattfinden soll, das vor allem durch Verstoße gegen Menschenrechte immer wieder aufgefallen ist.

Hier ist ein Überblick aller Kontroversen der WM 2022 in Katar.

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Bestechungen bei der Vergabe 2011

Um in zeitlicher Reihenfolge zu bleiben, beginnen wir bei der Vergabe der WM. Am 2. Dezember 2010 wurde bekannt, dass Katar den Zuschlag für die WM 2022 erhalten hatte. Wie kam es dazu, dass ein Staat, der eigentlich kaum etwas mit Fußball zu tun hatte, keine passende Infrastruktur bieten konnte und auch den Alkoholkonsum als Teil der Fußballschau-Kultur per Gesetz unterbindet, Austragungsort einer Weltmeisterschaft wurde?

Der erste Gedanke? Bestechung. Bingo! Bereits 2011 soll laut "TheGuardian" eine Whistleblowerin namens Phaedra Almajid Korruption gewittert haben. Dabei ging es um gekaufte Stimmen von FIFA-Komitee-Mitgliedern aus Afrika.

Wenige Zeit später revidierte sie ihre Anschuldigungen, dass Katars Vertreter jemanden bestochen hätten. Sie habe alles nur erfunden, um sich für eine Kündigung zu rächen. Zusätzlich versicherte sie, ihr Statement ohne jeglichen Druck oder monetäre Motivation abzugeben. Mittlerweile ist es dank der "Times" bekannt, dass der Ölstaat der FIFA eine Menge Geld geboten hat, um Gastgeber zu werden.

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Bau der Stadien: Menschenrechte spielt es hier nicht

Einem Artikel der "NY Times" zufolge stammen 94 Prozent der ArbeiterInnen in Katar aus dem Ausland. Der Begriff ArbeiterInnen wird ihrem Status jedoch nicht gerecht. Leibeigene der anstellenden Unternehmen trifft es besser, da jegliche Aufenthalte im Land, sowie dafür benötigte Dokumente, vom Unternehmen verwaltet werden. Freiheiten? Fehlanzeige. Organisationen wie "Human Rights Watch" berichten seit Baubeginn der acht Stadien über die katastrophalen Arbeitsbedingungen.

Die genaue Zahl der im Rahmen der Bauunternehmungen gestorbenen, meist aus Nepal und Indien stammenden, ArbeiterInnen ist nicht leicht zu beziffern. Oft werden etwa 6.500 Tote zitiert, jedoch ist jede Person eine zu viel. ReporterInnen von BBC wurden laut "Guardian" in Katar sogar festgenommen, als sie über die Arbeitsbedingungen berichten wollten.

 

Menschenrechte für GästInnen?

Auch hier zeigt Katar die Rote Karte. Die Gesetzesordnung des katarischen Staates basiert auf dem islamischen Scharia-Gesetz, welches Homosexualität illegal macht. Demnach kann die Exekutive in Katar Menschen fürs "Schwulsein in der Öffentlichkeit" verhaften und bestrafen. Von Seiten der FIFA und Offiziellen hieß es laut "AP News", dass "Regenbogenflaggen im Stadium erlaubt seien." Na, danke wirklich!

In einem Brief, welcher laut "dazn.com" am 4. November 2022 an alle teilnehmenden Nationen gerichtet wurde, fordern Gianni Infantino und Fatma Samoura, Präsident der FIFA und FIFA-Generalsekretärin, die Länder auf, die WM-Kritik zu zügeln. "Bitte lasst nicht zu, dass der Fußball in jeden politischen und ideologischen Kampf gezogen wird."

Auf gut Deutsch: Bitte keine Kritik mehr an den menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen diese WM zustande gekommen ist.

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Rechte fürs Klima, vielleicht?

Auch ein klares Nein. In Katar hat es im Sommer oft durchgehend über 40 Grad Celsius Außentemperatur. Aus diesem Grund wurde die WM diesjährig auch erstmals in den Winter verlegt. Reicht das? Nein – denn auch im November hat es in Katar noch um die 30 Grad, also muss jedes neu erbaute Stadium auch klimatisiert werden. Es braucht keine ExpertInnen, um zu wissen, dass riesige gekühlte Stadien mitten in einem Wüstengebiet nicht unbedingt umweltfreundlich sind. Selbst wenn sie aufgrund ihrer Solarzellen am Dach als "carbon-neutral" gelten.

Was auch nicht außer Acht zu lassen ist, sind die Emissionen der anreisenden GästInnen. Der Weg in die katarische Wüste ist weit; und abgesehen von der Infrastruktur rund um die Weltmeisterschaft sieht es vor Ort zudem nicht allzu Öffi-freundlich aus.

Fake-Fans: Nicht das erste Mal

In den Tagen hin zum WM-Auftakt wurden erste Anschuldigungen über angebliche "gekaufte Fans" laut. Demnach sollen die KatarerInnen Leute dafür bezahlen, sich als Fans bestimmter Länder zu profilieren. So sieht man "Deutschland-Fans" mit Plakaten, welche Aufschriften tragen wie "GERMANY FANS KATAR". Klingt ein wenig nach einer fabrizierten Botschaft. Natürlich gibt es dafür keine Beweise, aber ein wenig fragwürdig ist es zumindest.

Vor allem, da es laut "TheLocal" nicht das erste Mal ist, dass der Ölstaat mit solchen Anschuldigungen in Verbindung gebracht wird. Bei der Handball-WM 2015 in Katar wurden gezielt Fangruppen aus Spanien eingeflogen.

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Rote Karte für die WM

Man kann niemandem verbieten, die WM zu verfolgen, es wird gar unmöglich sein, dieser Meisterschaft aus dem Weg zu gehen, da das mediale Echo drumherum einfach zu laut ist. Ob diese WM ganz "normal" abläuft oder wir uns auf noch mehr Skandale vorbereiten dürfen, bleibt offen. Die FIFA hat jedenfalls massiv in ihrer öffentlichen Glaubwürdigkeit gelitten.

Fußball an sich ist zwar nicht politisch und sollte es auch nicht sein, wem jedoch Menschenleben und -rechte nicht egal sind, authentische Fußballkultur am Herzen liegt und die Umwelt ebenfalls wichtig ist, kann diese WM guten Herzens nicht unterstützen. Aus diesem Grund zeige ich dieser WM die Rote Karte.

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Katars Investitionen in Milliardenhöhe

Die katarische Regierung legt hohen Wert auf Entwicklung einer vielseitigen, staatlichen Identität. Katarische Museen geben "NYTimes" zufolge etwa jährlich eine Milliarde US-Dollar für Projekte in Kunst und Kultur aus. Neben dem Einkaufen westlicher Kunst fördert Al-Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani, die Schwester des Emirs (katarisches Staatsoberhaupt), auch die heimische Kunstszene. Das Engagement in Sachen Kunst verdeckt jedoch nicht die Schattenseiten des Petrostaates.

Während man in Katar allein versucht in der Kunstwelt Fuß zu fassen, haben "Vox" zufolge die Vereinigten Arabischen Emirate Partnerschaften mit Museen wie dem Pariser Louvre, oder den Guggenheim-Museen abgeschlossen. Die Expansion in einen Markt, der für westliche Ideale der Bildung und Freiheit steht, während im eigenen Land dieselben Ideale nicht allen Menschen zugänglich gemacht werden, hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack.