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Coasteering: Abenteuerliches Küstenkraxeln auf Mallorca

Abseilen, klettern, von Klippen springen, in Meereshöhlen schwimmen: Die Abenteuersportart entstand bereits vor vielen Jahren im britischen Wales in der Grafschaft Pembrokeshire. Doch erst seit ungefähr fünf Jahren entwickelt sich das Coasteering zum neusten Outdoor-Trend. Auch auf Mallorca das mit seinen schroffen Felsküsten und einem türkisblauen Meer perfekt für diese Sportart ist.

Coasteering ist ein irrer Mix aus Klettern, Schwimmen, Wandern, Schnorcheln, Abseilen und Klippenspringen. Küstenkraxeln könnte man auf Deutsch dazu sagen. Martin Overrath steht mit den Füßen am äußersten Rand der Klippe. Vier Meter geht es in die Tiefe, unten klatschen die Wellen an die Felsen. Coasteering-Guide Joan Mas gibt das Ok-Zeichen. Der 33 Jahre alte Braunschweiger kreuzt die Arme vor der Brust, hüpft nach vorne und taucht ein ins türkisblaue Meer.

"Yeah, war das genial", schreit Martin Overrath nach dem Auftauchen. Das animiert auch die anderen Teilnehmer aus der Gruppe. Die brütende Hitze in den Neoprenanzügen treibt nun den letzten Skeptiker ins erfrischende Wasser. Und jeder Sprung macht mutiger.

Nach jedem Mal schwimmen die Klippenspringer zu einem kleinen, vom Meer umspülten Felsenvorsprung. Dort wartet Joans Kollege Patrick und hilft aus dem Wasser. Kein leichtes Unterfangen: Das Meer hat im Laufe der Zeit scharfe, spitze Kanten in die Kalkstein geformt.

Nach den ersten Sprüngen aus zwei und vier Metern Höhe geht es weiter. In Turnschuhen und Neoprenanzug kraxelt und balanciert die Gruppe über die schroffe Felsküstenlandschaft im Südosten Mallorcas.

Jeder trägt zusätzlich einen Sturzhelm. Streckenweise wird der Weg zu einer regelrechten Kletterpartie. Einige krabbeln auf allen Vieren. Man hilft sich gegenseitig, zieht den anderen hoch.

"Spaß, Adrenalin, sich gegenseitig pushen und motivieren. Genau diese Gruppendynamik, dieses Teamwork habe ich gesucht, als ich im Internet auf die Coasteering-Aktivität gestoßen bin", erzählt Martin Overrath. Er ist Abteilungsleiter eines großen deutschen Finanzdienstleisters, der neun seiner besten Mitarbeiter nach den schweren Corona-Monaten mit ein paar Tagen auf Mallorca belohnen wollte.

Die jungen Männer arbeiten als Selbstständige für das Unternehmen und kommen aus allen Ecken Deutschlands. Einige kennen sich nur flüchtig. "Diese Erfahrung wird uns zusammenschweißen", hofft Overrath. Ihm gehe es auch darum, seine Mitarbeiter "mal an die eigenen Grenzen zu bringen". Genau diese sind erreicht, als Guide Joan Mas die Gruppe zu einem deutlich höheren Felsvorsprung führt.

Teilnehmer Benjamin hat ein mulmiges Gefühl im Bauch. Der Sprung aus vier Metern war noch in Ordnung. Nun schaut er – vielleicht zu lange – ins Wasser hinab. Es ist sicher, das Wasser tief. "Aber es sind acht Meter! Das ist schon eine Ansage", sagt Benjamin und geht wieder einen halben Meter zurück. Ein zweifelnder Blick. Die Arbeitskollegen stehen einige Meter tiefer an der Klippe und feuern ihn an.

Martin stellt sich an Benjamins Seite. "Komm Benni, wir springen zusammen. Auf eins, zwei..." Doch bei "drei" stürzt Martin alleine ins tiefe Blau der Mittelmeerbucht. "Jeder hat seine eigene Grenze. Daran ändert auch die Gruppendynamik nichts. Hauptsache ist, dass alle Spaß haben", versichert Joan Mas vom Outdoor-Abenteueranbieter Experience Mallorca. Seit über 20 Jahren arbeitet er als Guide.

Ein paar Felsbuchten weiter wartet die nächste Herausforderung. Joan teilt die Gruppe auf. Die ersten legen sich an dieser Stelle nun die Klettergurte an. Joan seilt sie zehn Meter tief in eine Bucht ab. Hochklettern müssen sie selbst – natürlich abgesichert.

Die anderen können unterdessen mit Patrick oberhalb in der Felswand mit Taschenlampen die Mauren-Tropfsteinhöhle besuchen, eine Höhle fernab der touristischen Trampelpfade. Ein weiterer Vorteil des Küstenkraxelns, findet Joan Mas. "Man lernt einsame, wirklich ursprüngliche Küstenabschnitte der Insel kennen, welche den meisten Mallorca-Urlaubern verborgen bleiben."

Aber nicht verborgen bleiben müssen. Denn Coasteering kann eigentlich fast jeder praktizieren. "Wir können den Schwierigkeitsgrad nach Belieben an die Fähigkeiten der Teilnehmer anpassen. Es ist eine Abenteuersportart fürs große Publikum", sagt Sebastián Alvarez. Bei seinem Abenteuersport-Unternehmen Rock & Water Mallorca gehören Coasteering-Touren zu den beliebtesten Aktivitäten überhaupt.

Von Kajak-Touren in der San-Vicente-Bucht über fischreiche Tauchgänge am Kap Formentor bis hin zum Stand-up-Paddle-Spaß am Strand Es Trenc: Generell sei Mallorca aufgrund seiner Küstenbeschaffenheit ein Paradies für Wasser- und Abenteuersportler, sagt der Vizepräsident des mallorquinischen Verbands der Abenteuersport-Unternehmer.

"Und Mallorca gehört weltweit zu den besten Coasteering-Hotspots. Die Klippen haben eine optimale Höhe, das Wetter ist meistens gut, die Kalksteinküste ist löchrig und mit vielen Höhlen", erläutert der Argentinier mit spanischen Wurzeln. "Das Mittelmeer ist generell warm und glasklar." Aus diesen Gründen organisiert rund ein gutes Dutzend Anbieter Coasteering-Touren auf der Insel.

Viele Unternehmen gehen mit ihren Gruppen in den Nordosten zur Halbinsel La Victoria bei Alcúdia oder zur Cala Ratjada. Mit etwas erfahreneren Küstenkletterern kann man auch gut die steilen Felswände bei Port de Sóller erklimmen. Hohe Klippensprünge und Seilrutschen sorgen bei Magaluf, Peguera, Portals Vells und in der Fornells-Bucht für Spaß und Adrenalinausstöße. Bei 550 Küstenkilometern ist die Auswahl groß. Ein Highlight ist etwa auch der Besuch der imposanten Cova des Coloms, der Taubenhöhle bei Porto Cristo.

Die Küste von Manacor ist bekannt für ihre zahlreichen Meereshöhlen. Fast 5.000 gibt es auf ganz Mallorca. Sebastián Alvarez und Guide Alberto Amengual warten bereits am Sandstrand der Cala Romántica auf die Gruppe: Pep, ein Mallorquiner, der in Corona-Zeiten seine Insel neu entdeckt, eine vierköpfige Familie aus Valencia, der Kölner Matthias Halupczok und seine 14-jährige Tochter Leonie.

Jeder bekommt einen Rucksack mit Helm, Klettergurt und Neoprenanzug. Dann geht es eine halbe Stunde durch eine Art Buschsteppe zu Fuß bis zur einsamen Traumbucht Cala Falcó.

Wilde Ziegen nagen an den dornigen Büschen. Das Meer ist heute spiegelglatt. Das Wasser schimmert in Grün, Blau und Türkis. Selbst von der 25 Meter hohen Klippen aus kann man bis auf den Meeresgrund schauen. So klar ist das Wasser.

Alberto bringt die Seile an einem permanent im Fels befestigten Eisenhaken an. Pep seilt sich als erster ab. Etwas ängstlich folgt Leonie. Bis zur Wasseroberfläche sind es 25 Meter. Anfangs hängt man noch an der steilen Felswand, danach nur noch in der Luft. Nichts für schwache Nerven. Und das Abenteuer hat gerade erst begonnen.

Als alle unten im Wasser sind, schwimmt die Gruppe zum Eingang einer Meereshöhle. Mit jedem Meter wird der Eingang enger und dunkler, bis sich am Ende nur noch ein kleines Loch befindet. Alle stellen die wasserdichten Stirnlampen an ihren Helmen an.

"Ihr müsst nur kurz untertauchen und seid schon drinnen", verspricht Alberto. Ein mulmiges Gefühl, unterzutauchen - ohne zu wissen, was einen auf der anderen Seite erwartet.

Schnell öffnet sich die Höhle. Nach ein paar Metern steigt man aus dem Wasser und betritt eine riesige Halle mit Sandboden. Stalaktiten hängen von der tiefen Felsdecke. "Bitte fasst sie nicht an. Die Stalaktiten brauchen fast 100 Jahre, um einen Zentimeter zu wachsen", erklärt Alberto. Beeindruckendes Hintergrundwissen, wenn man die teils über 20 Meter hohen und bis zu 5 Meter breiten Tropfsteinsäulen sieht. Sie müssen Millionen von Jahren alt sein.

Matthias und Leonie quetschen sich wie die anderen durch eine enge Felsspalte und rutschten über den glatten Tropfstein rund zwei Meter tief in eine Art Tunnel. Der Eingang zu einer anderen Welt aus gewaltigen Hallen, bizarren Tropfsteinformationen und Höhlenseen.

Die Seen sind so klar, dass man kaum erkennen kann, wo die Wasseroberfläche überhaupt beginnt, was die Sprünge ins eiskalte Nass noch abenteuerlicher macht. Gleich mehrere Seen müssen durchschwommen werden. Zwischendurch heißt es immer wieder kraxeln und rutschen. Im Licht der Stirnlampen schimmern die Tropfsteingebilde braun, rot, weiß, manchmal auch schwarz.

"Es ist wirklich beeindruckend, eine so große und ursprüngliche Tropfsteinhöhle auf so eine ungewohnte und aktive Weise besichtigen zu dürfen", sagt Matthias Halupczok. Dann hält er die Luft an und taucht wieder ins Freie.

INFO: Coasteering auf Mallorca: In der Regel dauert die Aktivität um die vier Stunden und kostet je nach Anbieter zwischen 50 und 70 Euro pro Person. Unternehmen wie Experience Mallorca, Mon d'Aventura, Mes Aventura und Rock And Water Mallorca haben sich auf Coasteering-Touren spezialisiert. Weitere Anbieter finden sich beim Verband mallorquinischer Abenteuersport-Unternehmen (www.ibactiva.com).

Mallorca mal anders
--- - SPANIEN: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Manuel Meyer vom 18. August 2020: Mallorca mal anders: Der Kölner Matthias Halupczok seilt sich an einer Klippe ab. Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA (dpa)/Manuel Meyer

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Coasteering für Fortgeschrittene bei Port Sóller
--- - SPANIEN: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Manuel Meyer vom 18. August 2020: Dieser Kletterer weiß, was er tut: Coasteering für Fortgeschrittene bei Port Sóller. Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA (dpa)/Manuel Meyer

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Gemeinsam statt einsam - aber jeder für sich
--- - SPANIEN: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Manuel Meyer vom 18. August 2020: Coasteering: Die Reisegruppe ist auf dem Weg zur Cala Falcó. Foto: Manuel Meyer/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA (dpa)/Manuel Meyer

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