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Flugscham liegt in der Luft: Wie das Fliegen den Klimawandel beschleunigt

2018 sind 918 Millionen Tonnen CO2 durch Passagier-und Frachttransporte entstanden, 747 Millionen Tonnen CO2 wurden durch Flugreisen ausgestoßen. Unter die Top-Emittenten fällt auch die Europäische Union.
Adisa Beganovic Adisa Beganovic

Wir fliegen, weil es oft praktischer, bequemer und manchmal auch um so einiges billiger ist als das Zugfahren. Doch auch dieser Luxus hat seinen Preis, denn der Zusammenhang von Fliegen und den global steigenden Temperaturen lässt sich nicht abstreiten. Laut einer Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) verursachte die kommerzielle Luftfahrt im Jahr 2018 insgesamt 918 Millionen Tonnen CO2-Emissionen). 171 Millionen Tonnen entfallen auf Frachtflüge, 747 Millionen Tonnen – also 81 Prozent des durch den Luftverkehr ausgestoßenen Kohlendioxids – sind Passagierflügen zuzuschreiben.

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Als Reaktion wurde in Schweden sogar ein neues Wort kreiert: "Flygskam". Es bezieht sich auf das schlechte Gewissen der Menschen, die sich für den CO2-Ausstoß verantwortlich fühlen, der beim Fliegen entsteht. Diese Scham kommt nicht von ungefähr, denn die in der Europäischen Union gestarteten Passagierflugzeuge haben im Jahr 2018 142 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Das heißt, wäre die EU ein Land, würde sie weltweit den zweiten Platz bei den erzeugten Emissionen belegen. Die USA stoßen mit 182 Millionen Tonnen den höchsten CO2-Anteil aus.

Die Macht der KonsumentInnen

"Die öffentliche Debatte rund um den Klimawandel führt dazu, dass die Politik aktiv wird. In Deutschland wurde vor kurzem die Luftverkehrssteuer angehoben. KonsumentInnen haben eine sehr große Macht", erklärt Frederic Rudolph, Projektleiter für Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut gegenüber k.at. In Schweden spürt man bereits das Umdenken, die schwedische Bahn SJ verzeichnet beispielsweise einen massiven Anstieg an innerschwedischen Nachtzügen, wie die deutsche Tageszeitung "TAZ" berichtet. 2015 reduzierte SJ wegen sinkender Nachfrage das Nachtzugangebot, seit 2018 wurden neue Verbindungen und Destinationen aufgestockt. Auch die Investitionen in den Zugverkehr wurden erhöht.

In Schweden erlebte auch Interrail einen Aufschwung, da der Ticketverkauf von 2017 auf 2018 um 50 Prozent gestiegen ist. Zwar gebe es keine Belege dafür, dass (und wie) sich die Fridays-for-Future-Bewegung oder Initiativen wie Flugscham auf die Zahl der FlugpassagierInnen auswirken, dennoch würde ein Umdenken bei den KonsumentInnen stattfinden, erklärt Rudolph. Nicht nur in Schweden: Auch die ÖBB baut wegen der großen Nachfrage ihr Angebot für Reisen im Schlafwagen aus. Die ÖBB soll 13 neue Nightjet–Züge bei Siemens bestellt haben, die ab 2022 einsatzbereit sein sollen, berichtet der "ORF".


Um 50 Euro durch Europa

Auch in Österreich setzen Menschen beim Reisen auf alternative Wege. "Das letzte Mal bin ich im April 2018 geflogen. Ich habe mich intensiver mit dem Klimawandel beschäftigt, unter anderem auch durch die aufkommende Fridays-for-Future-Bewegung", erzählt Bernadette Schwarz, Studentin der Umweltsystemwissenschaften mit Schwerpunkt Naturwissenschaften-Technologie im Gespräch mit k.at.

Sie sei einem von StudentInnen ihrer Universität gegründetem Verein beigetreten (SAS – Students Association for Sustainability), der sich den Themen Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimawandel widmet. Das habe sie zusätzlich motiviert, das Fliegen aufzugeben. Auch bei der Urlaubsplanung mache sie keine Ausnahme. "Wenn wir etwas gegen die Erderwärmung unternehmen wollen, müssen wir drastische Maßnahmen ergreifen. Ein großer Teil der Weltbevölkerung kann auch nicht überall hinfliegen, wo sie will", sagt Schwarz, die sich bewusst ist, dass sie als Einzelperson nicht den Klimawandel aufhalten kann. "Veränderung wird kommen, wenn irgendjemand damit anfängt", fügt sie hinzu. Hier ist es, das Umdenken, von dem Rudolph spricht.


Trotz klaren Zusammenhängen und eindeutigen Ergebnissen gibt es für manche nach wie vor Zweifel daran, dass der Mensch überhaupt Schuld am Klimawandel trägt. "Studien werden in Auftrag gegeben, die den Zusammenhang zwischen menschlichem Handeln und dem Klimawandel widerlegen sollen. Dahinter stecken oft Interessen von verschiedenen AkteurInnen", sagt Rudolph.

Doch im Moment dominieren die Flüge. Sucht man nach günstigen Flügen innerhalb Europas, wird man Dank Billigfluggesellschaften wie WizzAir oder EasyJet schnell fündig. Von Wien aus kommt man um 50 Euro nach London, Amsterdam, Barcelona, Nizza oder Paris, manchmal aber auch billiger. "Die Preise sollten erhöht werden und die Anzahl der Flüge pro Flughafen sollten reduziert werden, um effektiver gegen die gravierenden Folgen der Flugreisen vorzugehen", Rudolph.

Ein Lösungsvorschlag, der immer wieder als kritisiert wird, da Preiserhöhungen Menschen, denen weniger Geld zur Verfügung steht als anderen, härter treffen würden. Hebt man Preise für Flugtickets an, können sich womöglich nur reiche Menschen das Fliegen leisten.


Klimafreundliche Alternative mit Tücken

Die einzig logische Alternative für Reisen innerhalb Europas bleibt somit die Bahn. Doch das Reisen mit dem Zug erweist sich oft komplizierter als gedacht. Es beginnt bereits bei der Buchung, denn diese klappt nicht immer auf Anhieb wie bei Flugsuchmaschinen. Oft hat man mit fremdsprachigen Websites und hohen Preisen zu tun.

Reist man beispielsweise von Wien nach Hamburg, dauert die Fahrt etwa neuneinhalb Stunden und kostet etwa 165 Euro. Der Billigflug würde etwa die Hälfte betragen. Wer auf Zeitersparnis und günstige Tickets setzt, wird vermutlich kaum auf das Zugfahren umsteigen. "Man muss derzeit bei der Bahn mit höheren finanziellen Ausgaben rechnen. Es liegt definitiv in der Hand der europäischen Politik, das zu ändern", so Bernadette Schwarz. Die langen Fahrtzeiten verbringt sie im Nachtzug oder nutzt sie zum Lesen, Filmeschauen oder Arbeiten. "Wenn man sich klimafreundlich Verhalten möchte, dann zahlt es sich moralisch aus", sagt Schwarz.