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Im Tessin grünt und blüht die Schweiz schon

Während im Schweizer Hochgebirge noch reichlich Schnee liegt, ist im Tessin schon der Frühling eingezogen. Der Kanton im Süden erblüht frühzeitig.

Daniele Marcacci schaut den Kamelienbusch vor sich mit Kennerauge an. "Bald schon sind sie verblüht", sagt er und deutet auf die braunen Ränder an den farbenfrohen Blüten. Dabei ist es erst März. "Aber es ist zu trocken, die Natur ist schon sehr weit", erklärt der Stadtgärtner von Locarno am Lago Maggiore.

Marcacci ist Herr über das Kamelienfest, das hier eigentlich immer Ende März stattfindet. Vor Jahren wurde eine große Fläche jenseits der Therme mit Kamelien bepflanzt - weiße, pinke, rote, gelbe. Bäume und Büsche in verschiedenen Größen bilden eine hübsche Szenerie.

Wo das Frühjahr noch etwas früher beginnt

Das Tessin ist der südlichste und der am niedrigsten gelegene Kanton der Schweiz. Zwar schneit es im Winter gelegentlich, doch der Frühling hält meist schon früh Einzug. Die Region eignet sich ideal, um der grauen Jahreszeit zu entkommen - nicht nur wegen der Blumen.

Die Kamelie ist ein divenhaftes Gewächs, sie mag es nicht allzu kalt. Und sie wächst nur in sauren Böden, so wie die Azalee oder der Rhododendron. Darum sehe man sie in Deutschland eher selten, sagt Marcacci. Er kümmert sich schon seit Jahrzehnten um die Blumen, Bäume und Beete in der Stadt am Langensee, wie die deutschsprachigen Schweizer den Grenzsee zwischen der Schweiz und Italien nennen.

Die Palmen, die mediterranes Flair versprühen, nennt der Gärtner mit den lockigen Haaren "Unkraut". Sie sind nicht heimisch, wurden eingeschleppt. Aber sie prägen das Bild hier in der Südschweiz, in der es im März schon frühsommerlich warm sein kann.

Auf andere Gedanken kommen und neue Ideen tanken: Ausflug ins Künstlerdorf Carona
CARONA - SCHWEIZ: FOTO: APA/APA (dpa/gms/Verena Wolff)/Verena Wolff

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Noch eines gefällt dem Gärtner nicht: Die Palmen sind recht pflegebedürftig. Das allerdings gilt auch für die Kamelien, von denen auf der Welt mehr als 30 000 Sorten bekannt sind. "Und nahezu täglich werden neue entdeckt, vor allem im Fernen Osten."

Luxustee vom Monte Verità

Kamelien wachsen auch auf dem Monte Verità hoch über Ascona, ein paar Kilometer weiter Richtung Süden. Dort haben sie jedoch weder Duft noch Blüte, sondern einfach nur grüne Blätter. "Wir bauen Tee an", sagt Corinne Denzler, die zusammen mit ihrem Mann über 1400 Pflanzen wacht. Auch die Teepflanzen sind ein Kameliengewächs.

Lange hat das Paar in Asien gearbeitet und dort eine Leidenschaft für Tee entdeckt. Und schließlich herausgefunden, dass die Pflanzen auch in der Schweiz gedeihen. "Das Klima passt ihnen."

Allzu viel Ernte werfen die Pflanzen in ihrem Zen-Garten aber nicht ab. Im Frühjahr werden die Blätter geerntet und zu Grüntee verarbeitet. "So ein bis zwei Kilo pro Jahr", sagt Corinne Denzler. Die werden in 20-Gramm-Päckchen zu rund 40 Schweizer Franken (rund 38 Euro) verkauft. An Tee-Liebhaber, versteht sich.

Auf einer Wanderung nach Morcote kann man die Natur rund um den Luganersee genießen
MORCOTE - SCHWEIZ: FOTO: APA/APA (dpa/gms/Verena Wolff)/Verena Wolff

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Der Hügel der Freidenker

Der Monte Verità ist nicht nur wegen des Teeanbaus interessant, er gilt Esoterikern auch als Kraftort. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der 321 Meter hohe Hügel eine Naturalisten-Kolonie und ein Zuhause für Alternative, die sich vom Establishment abheben wollten: Lebensreformer, Künstler, Schriftsteller. "Sie konnten hier oben mehr oder weniger so leben, wie sie wollten", erzählt Corinne Denzler. Die Menschen aus dem Fischerdorf Ascona ließen die schrägen Besucher in Ruhe, diese hielten es andersherum genauso.

Wie nahezu alles rund um den Lago Maggiore ist auch der "Berg der Wahrheit" über ein gut ausgebautes Wander- und Spazierwegenetz zu erreichen. Die Wege führen auch entlang enger Straßen, verschachtelter Gassen sowie hübscher Häuser hinunter zum Seeufer und der sonnigen Promenade, an der sich Restaurants und Cafés aneinanderreihen. Der Blick über den See zu den weißen Gipfeln scheint wie gemalt. Postkartenidylle im frühlingshaften Sonnenschein. Ascona ist der mondänste Ort weit und breit, seine Geschichte reicht bis ins Mittelalter und die Renaissance zurück.

Wer noch nicht genug hat von Pflanzen und Blumen, kann während der Sommermonate einen Bootsausflug zu einem besonderen Ort machen: Die Brissago-Inseln beherbergen den einzigen Schweizerischen Botanischen Park auf einer Insel. Mehr als 1.700 Pflanzenarten aus allen Teilen der Welt gedeihen hier, etwa 15 Minuten entfernt von Ascona.

Jetset und Genügsamkeit

Viel Leben kommt in den Ort, wenn das Jazzfestival im Hochsommer stattfindet. Ähnliches gilt für Locarno, wenn dort das Filmfestival über die Bühne geht. Den Rest des Jahres geht es eher beschaulich zu. Wandern und Radfahren sind beliebte Beschäftigungen.

Da werden Frühlingsgefühle geweckt: Blick über den Lago Maggiore
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Wer Richtung Lugano fährt und von dort aus mit der Standseilbahn auf den Hausberg San Salvatore, kommt bei der Wanderung nach Morcote durch das Künstlerdorf Carona, das vor einigen Jahren zum schönsten Dorf der Schweiz gekürt wurde. Im Frühjahr braucht man hier keine dicken Wanderklamotten, an vielen Stellen scheint die Sonne schon warm durch die Kastanienwälder. Die Natur ist längst erwacht.

Magnolien und ein Mammutbaum

Davon kann auch Robert Eisenhut berichten, der seit vielen Jahren den Parco Botanico auf der östlichen Seeseite des Lago Maggiore besitzt und pflegt. Sein Vater legte den Park in den 1950er Jahren an. Heute befindet sich hier die größte Magnoliensammlung der Welt, sagt der Gärtner. Mehr als 600 Büsche und Bäume wachsen und blühen auf dem zwei Hektar großen Hanggrundstück zum See.

"Mein Vater hat Pionierarbeit geleistet, er hat die Bäume aus Amerika und Ostasien nach Europa gebracht", erzählt Eisenhuth. Nicht nur die Pflanzen mit ihren beeindruckend großen Blüten in Weiß, Gelb, Rosa und Lila schmücken den Garten. Sogar ein nordamerikanischer Sequoia, ein Mammutbaum, gedeiht hier. Auch ihm scheint das Klima am Lago Maggiore zu passen - das ganze Jahr über.