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WTF!? Diese Kiefersperre soll dabei helfen, sich nur flüssig zu ernähren

Forschende aus Großbritannien und Neuseeland haben eine magnetische Zahnsperre entwickelt, die nur noch Flüssignahrung erlaubt.
Sabrina Kraussler

Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um Fatshaming und Fettphobie. 

Aus der Serie "Diät-Produkte aus der Hölle": Britische und neuseeländische Forschende meinen eine "Lösung" gefunden zu haben, um Übergewicht in der Bevölkerung zu "bekämpfen". Ein Produkt, das uns mit Fassungslosigkeit zurücklässt: Eine magnetische Kiefersperre, die an zwei Zähnen am Ober- und Unterkiefer befestigt wird und nur noch Nahrung in flüssiger Form erlaubt. Essen ist seit Neuestem offenbar verboten, wenn es nach diesem Produkt geht.

Was wie ein Folterwerkzeug aus dem Mittelalter aussieht, wird von den Forschenden der University of Otago als "weltweit erstes" Instrument bezeichnet, um das globale Übergewicht, das als "Epidemie" bezeichnet wird, "in den Griff zu bekommen". Im Notfall könnte die Klemme entnommen werden. Bei Erbrechen könnte sie sonst nämlich lebensgefährlich sein. 

Die Klemmen, die unter dem Namen "Dental Slim Diet Control" laufen, sind ein deutlicher Beweis dafür, dass Fatshaming und Fettphobie in unserer Gesellschaft tief verankert sind und auch nicht von der wissenschaftlichen Forschung Halt machen.

Dabei müssten es WissenschaftlerInnen doch besser wissen: Studien beweisen, dass 90 Prozent aller Diäten (in welcher Form auch immer) ohnehin scheitern (Tribole & Resch, 2020). Davon abgesehen: Können wir ein für alle mal aufhören, mehrgewichtige Menschen ständig zu sagen, dass sie eigentlich nicht "richtig" sind, so wie sie sind? Sie sind weder gescheiterte Schlanke, noch brauchen sie Diät-Tipps und absurde Produkte wie Abführtees oder Kieferklemmen, um "endlich" in das Körperbild zu passen, das jahrelang von der Gesellschaft propagiert wurde – und immer noch wird. 

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Fatshaming bewegt dickere Menschen nicht dazu, "endlich abzunehmen", sondern triggert in manchen Fällen sogar übermäßiges Essen. Eine Abwärtsspirale, mit der viele Personen zu kämpfen haben und aus der die Diät-Industrie eine Menge Profit schlägt. 

Die Kiefersperre blieb im Netz nicht unbemerkt: Der Backlash auf Twitter ließ nicht lange auf sich warten, weshalb die University of Otago mittlerweile Stellung bezogen hat. "Wenn die Gesellschaft dicke Menschen so sehr hasst, dass sie Magnete an ihren Zähnen anbringt, um sie zu Flüssignahrung zu zwingen", so eine Userin auf Twitter, die das Bild der Kieferklemme postete.

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Kurz nach Veröffentlichung zu den Kiefersperren erklärte die University of Otago auf Twitter: "Das Gerät ist nicht dazu gedacht, auf lange Sicht abzunehmen", heißt es. Es soll für jene hilfreich sein, die vor einer Operation schnell Gewicht verlieren müssen. "Nach zwei oder drei Wochen können die Magnete entfernt werden."

Was sich erstmal so anhört, als würde man den Menschen helfen wollen (auch, wenn es natürlich alles andere als hilfreich ist), wird in einem zweiten Tweet richtig gestellt, denn es geht bei den Kieferklemmen nicht ausschließlich um Operationen: 

"Sie könnten eine Zeit lang mit einer weniger eingeschränkten Ernährungsweise weitermachen und dann wieder in Behandlung gehen", so die Uni auf Twitter. "Dies würde einen Ansatz zur Gewichtsabnahme ermöglichen, der durch die Ratschläge eines Ernährungsberaters unterstützt wird."

Phasen, in denen gegessen werden darf, und Perioden, in denen die Kieferklemmen getragen werden, sollen laut den Forschenden also beim Abnehmen helfen, anstatt mit PatientInnen bei Bedarf gemeinsam zu arbeiten oder Ursachen zu klären.

Wer jetzt noch immer behauptet, Fatshaming würde in unserer Gesellschaft nicht mehr existieren, hat schlichtweg Unrecht.