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Oregon: Kunst, wilde Natur und imposante Meerestiere

Badeurlaub an der Küste Oregons ist schwierig. Der Pazifik ist im Norden der USA das ganze Jahr über rau und kühl. Doch an der fast 600 Kilometer langen Küste gibt es viel zu entdecken. Ein Roadtrip.

Denny Dyke steht am Strand im Face Rock State Park und lässt die Augen über sein riesiges Werk streifen. Kreise haben er und sein Team seit Sonnenaufgang in den Sand gerecht, geschaufelt und gezeichnet, dazwischen Traumfänger, ein Ying-Yang-Zeichen, allerlei Meeresgetier. Ein ganzes Wegenetz ist entstanden, hier am Strand von Bandon, am südlichen Ende der Küste des US-Bundesstaats Oregon.

Gegen neun Uhr wird die Sonne langsam wärmer, Nachbarn und Touristen kommen aus ihren Häusern, Hotels und Wohnmobilen und spazieren zum Sand-Labyrinth, das alle Blicke auf sich zieht.

Ein Roadtrip ohne Schönwetter-Garantie

An Besuchern fehlt es nicht in den kleinen Örtchen entlang des Highway 101, der nicht nur durch Kalifornien führt, sondern auch durch den nördlichen Nachbarn Oregon. Und im Norden sogar fast bis an die Grenze zu Kanada. 120 Kilometer sind es nach Süden, von Bandon bis in den Staat Kalifornien. Und noch deutlich mehr als 400 bis nach Astoria, wo sich der Staat Washington anschließt.

Oregon bietet sich an für einen Roadtrip abseits allzu ausgetretener Pfade. Wer den Staat auf seinen knapp 600 Kilometern entlang der Küste durchquert, erlebt wilde Landschaften gesehen, finstere Wälder, einzigartige Ökosysteme, Leuchttürme, den rauen Pazifik und grandiose Sonnenuntergänge. Und zahlreiche Surfer in warmem Neopren.

Denn Palmen und warmes Wetter sucht man in Oregon vergeblich, auch im Hochsommer. Doch die Reise entlang der teils steilen und schroffen Pazifikküste ist landschaftlich mindestens so spektakulär wie der Ritt durch den südlichen Nachbarstaat.

Keine Megacitys, wenig Selbstdarsteller, kaum Lärm: In Oregon geht es eher gemütlich zu. Ein bisschen öko, alternativ und esoterisch ist man an vielen Orten. Auch bei Denny Dyke am Strand. Bevor er seine "Circles in the Sand" zur Erkundung freigibt, hat er ein Anliegen: "Umarmt vier Menschen, die in eurer Nähe stehen." Klingt ein bisschen merkwürdig - aber nach kurzem Zögern liegen sich Wildfremde in den Armen. "Jetzt geht es euch gleich besser, oder?" Alle nicken.

Mit seinem Projekt hat Dyke vor ein paar Jahren begonnen, eigentlich zur Meditation. "Aber es hat vielen Leuten gefallen, ich bin immer wieder darauf angesprochen worden", sagt der Mann mit dem grauen Bart und dem ausgeblichenen T-Shirt. "Also mache ich mit meinem Team jetzt ein paar Mal in der Woche die Kreise in den Sand."

Vergänglich ist diese Kunst, denn mit der nächsten Flut ist alles wieder weg. "Genau so soll es auch sein", sagt Dyke.

Begehrte Kunst aus Plastikmüll

Anders als die Sandkreise am Strand ist vieles, was im Pazifik vor der Küste Oregons schwimmt, so gar nicht vergänglich. Müll, Plastik, Styropor, Verpackungen, alte Flip-Flops: All das, was die Menschen rund um die Welt so achtlos wegschmeißen.

Angela Haseltine Pozzi beschäftigt das Problem schon seit vielen Jahren. Die Künstlerin entschied sich schließlich dazu, ihren Mitbürgern den Spiegel vorzuhalten.

"Wir gehen mit Freiwilligen an die Strände in der Umgebung und sammeln den Müll ein, der angeschwemmt wird", berichtet die Künstlerin. Die Abfälle werden mit Essig gespült und schließlich im Workshop in Bandon nach Farben sortiert. "Da machen auch unsere Besucher mit, ein paar Stückchen hier, ein paar Fetzen da."

Und dann geht Pozzi ans Werk. Eine große Meeresschildkröte ist in ihrer Galerie zu sehen, fast komplett aus grünem Müll installiert. Ein Korallenriff aus Styroporabfall. Ein Wal-Skelett aus Plastikflaschen. Und ein riesiges Seepferdchen aus Müll in allen Farben. Wochenlang, manchmal monatelang dauere es, bis so eine Skulptur fertig sei. "Aber wir hoffen, die Menschen mit diesen Werken zum Nachdenken zu bringen", sagt die Künstlerin.

Nicht nur in Bandon, sondern auch in anderen Orten in den USA stehen die Skulpturen von Washed Ashore, so der Name der Organisation. Die die Idee scheint Gefallen zu finden - oder das schlechte Gewissen reicher Menschen zu beruhigen. Jedenfalls werden die ungewöhnlichen Skulpturen inzwischen für Hunderttausende Dollar gehandelt.

Seltene Grauwale und Orcas auf Durchreise

Auch am Face Rock State Park steht ein Müllmahner, ein Tufted Puffin. Diese Papageientaucher mit zwei markanten blonden Haarsträhnen an ihrem schwarzweißen Kopf kommen an die Küste Oregons, um hier ihr Ei auszubrüten und den Nachwuchs aufzupäppeln. Um sie zu sehen, muss man allerdings die Felsen kennen, die die Puffins frequentieren. Sie bauen ihre Nester in Höhlen im Stein.

Wem das zu mühsam ist, der findet die Tiere auch im Oregon Coast Aquarium in Newport. Dort hat man sich auf Meerestiere und die Vögel der heimischen Küste spezialisiert. Zu sehen sind neben zahlreichen Vogelarten, Seelöwen und Seesternen auch Oktopusse, Quallen und Meeresbewohner, die tief unten im kalten Pazifik leben.

Einfacher haben Besucher es mit den größeren Tieren entlang der Küste. Ebenfalls in Newport läuft die "Marine Discovery" zweimal am Tag aus, ein kleines Boot, das zum Whale Watching fährt.

Grauwale leben an diesem Stückchen Küste, sie finden ihre Nahrung in einem Riff, das nicht weit vom Strand entfernt liegt. Immer mal wieder tauchen sie aus dem Meer auf, meist angekündigt durch eine meterhohe Wasser-Luft-Fontäne. Dann sieht man den dunkelgrauen Rücken dieser mächtigen Tiere, die bis zu 15 Meter lang und rund 30 Tonnen schwer werden können.

Der Fingerabdruck der Wale

"Seht ihr die vielen Flecken auf dem Rücken des Wals?", fragt Meeresbiologin Delpha in die Runde. "Das sind Krebstiere und Muscheln, die sich auf dem Wal ansiedeln", erklärt sie. Die Schwanzflosse hingegen kann man erst sehen, wenn der Grauwal sich zu einem Tauchgang verabschiedet. "Sie ist breit, hat oft viele Kerben und ein ganz besonderes Muster." Das sei einzigartig bei jedem Wal, quasi der Fingerabdruck der Meeressäuger. "Es gibt keine zwei Wale, die dasselbe Muster in der Schwanzflosse haben."

Einige Grauwale gibt es, die das ganze Jahr an der Küste vor Oregon schwimmen, fressen und sich fortpflanzen. Auch Orcas und Buckelwale werden auf ihren Wanderungen von Alaska nach Hawaii und wieder zurück im Frühjahr und im Herbst gesichtet. Die Küste hinauf und hinunter sind vielerorts Seelöwen und Robben zu sehen. Auch kurz vor dem Point Heceta Lighthouse findet man sie in Scharen.

Die Sea Lion Caves ist das größte Höhlensystem entlang der Küste, in dem sich in den rauen Wintermonaten teils Hunderte Seelöwen vor den Elementen schützen. Im Sommer hingegen findet man sie eher auf den steil abfallenden Felsen, wo sie die Sonne genießen und ab und zu ein Bad in den salzigen Wellen nehmen. Den Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum beim Jagen und Fressen zuzuschauen, ist für viele Touristen ein einmaliges Erlebnis.

Selbstgefangen schmeckt das Seafood am besten

In Kelly's Brighton Marina weiter nördlich am Highway 101, nahe Rockaway Beach, sieht man zwar keine Seelöwen, dafür mit etwas Glück aber Robben, die sich auf den Sandbänken der Nehalem Bay die Sonne auf den Pelz scheinen lassen.

Hier bekommt man außerdem den wohl frischesten Lunch im gesamten Staat - Besucher fangen ihre Krabben hier selber. Aus kleinen Booten werfen sie markierte Netze aus, die mit Fischkarkassen gefüllt sind.

Wer noch nie beim "Crabbing" war, hat mit Kelly Laviolette einen guten Lehrmeister. Er ist schon seit Jahrzehnten mit viel Leidenschaft dabei. Seine Marina will er als Outdoor-Wohnzimmer verstanden wissen. "Hier bleiben die Leute in ihren Wohnwagen oder Zelten, man fängt Krabben, kann sie gleich kochen und mit den anderen Gästen ins Gespräch kommen." Und weil man in einem Staat ist, dessen größtes Pfund die Natur ist und wo man auf den Straßen mehr Wohnmobile als Autos sieht, funktioniert das bestens.

Durch die Dünen mit dem Fatbike oder Sandbuggy

Wer lieber Sand als Wasser unter den Füßen hat, findet an Oregons Küste ausreichend Möglichkeiten, sich auszutoben. Mit dem Fatbike etwa. Die Fahrräder mit den dicken und damit strandtauglichen Reifen werden in vielen Orten verliehen. Wilder geht es in der riesigen Dünenlandschaft bei Florence zu - und deutlich lauter. Sandbuggy heißen die Gefährte, die eigentlich nur aus einem Rahmen und Sitzen bestehen. Und einem starken, lauten Motor.

Selbstfahren ist strengstens verboten. Zum Glück, werden sich viele denken, wenn der Sandbuggy bei Vollgas schräg in den Dünen liegt.

Krasser Gegensatz dazu ist das Cape Falcon: Tiefblaues Meer, das auch im Sommer nicht warm genug zum Baden wird, eingerahmt von Felsen und einem breiten Strand, der in einen dichten Mischwald übergeht. Der pazifische Nordwesten in seiner ursprünglichsten Form.

Dass diese Region für Natur und Tiere ein intakter Lebensraum bleibt, dafür setzt sich unter anderem Margaret Minnick vom Cape Falcon Marine Reserve ein. "Vor allem unter dem Meer ist es hier sehr bevölkert, und das soll auch so bleiben", sagt sie. Auf sogenannten Eco Tours erklärt sie den Besuchern, warum die Felsen für Muscheln und Seeanemonen so wichtig sind, dass am sandigen Meeresboden zahlreiche Krabbensorten ihre angestammte Heimat haben - und warum das allseits beliebte Fischen hier keine gute Idee ist.

Wenn der Roadtrip durch Oregon schließlich in Astoria sein Ende findet, ist es fast befremdlich, wieder in einer richtigen Stadt zu sein. Mit Hotels, Restaurants und vielen Menschen auf den Straßen. Denn die vier, fünf oder sechs Tage auf dem Highway 101 sind extrem entschleunigend. Zu schön sind die Ausblicke aufs Meer und zu kurvig die Straße, als dass man fest aufs Gas treten müsste.

Und dann bremsen noch die vielen Wohnmobile, die im Sommer in Oregon gemütlich unterwegs sind. Besucher aus den anderen Staaten - und aus dem Rest der Welt. Zum Roadtrip auf einer der weniger befahrenen Routen an der amerikanischen Westküste.

Reiseziel: Oregon liegt im pazifischen Nordwesten der USA. Zwar ist der Bundesstaat von der Fläche her der neuntgrößte der 50 Staaten, doch nur vier Millionen Menschen leben dort - die meisten von ihnen in der größten Stadt Portland.

Klima und Reisezeit: Der pazifische Nordwesten ist bekannt für das regnerische Wetter und die eher kühlen Temperaturen, auch in den warmen Jahreszeiten. Im Sommer allerdings kann auch beständig die Sonne scheinen, die Temperaturen sind sehr angenehm.

Künstler Denny Dyke malt am Strand seine Sand Circles
--- - USA: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Verena Wolff vom 10. März 2021: Denny Dyke ist Künstler und malt am Strand seine Sand Circles - die Bilder sollen die Menschen zum Nachdenken anregen. Foto: Verena Wolff/dpa-tmn - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit dem genannten Text - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA (dpa)/Verena Wolff

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Whale Watching in Newport
--- - USA: ARCHIV - Zum Themendienst-Bericht von Verena Wolff vom 10. März 2021: Whale Watching in Newport: Die Schwanzflosse eines Wals ragt aus dem Wasser. Foto: Verena Wolff/dpa-tmn - Honorarfrei nur für Bezieher des dpa-Themendienstes +++ dpa-Themendienst +++. - FOTO: APA/APA (dpa)/Verena Wolff

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