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"Project Makeover": Die App ist genau so schlimm, wie die Werbung vermuten lässt

"Project Makeover" vermittelt, dass Frauen hübsch und haarlos sein müssen, um geliebt zu werden – und feiert große Erfolge.
Franz Lichtenegger

Wer in den letzten Monaten pandemiebedingt vermehrt auf sein Smartphone gestarrt hat, um dort Zeit mit sinnlosen Spielen totzuschlagen, hat vielleicht schon mal einen ganz bestimmten Game-Trailer gesehen: Darin zu beobachten ist eine junge Comic-Frau, die gerade aufwacht. Ihre Frisur ist zerzaust, sie hat Augenringe, eine Monobraue und Körperbehaarung, grüne Wolken deuten außerdem an, dass sie übel riecht. Plötzlich meldet sich ein Mann bei ihr – mit der Nachricht, dass er gleich bei ihr ist. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

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Ziel des Spiels: Die Frau für den Mann begehrenswert machen, indem man sie ihrer Körperbehaarung entledigt, ihre Make-up ins Gesicht schmiert und sie in unbequeme Kleidung steckt. Ist die Protagonistin nicht rechtzeitig vorzeigbar, muss der männliche Besucher sie im schlimmsten Fall mit unrasierten Beinen sehen – und rennt angewidert davon.

Der Werbe-Trailer vermittelt eine klare Botschaft: Frauen sind nur dann begehrenswert, wenn sie gewachst, gebleicht, rasiert, gezupft, und geschminkt sind. Körperbehaarung, Körpergeruch, sogar eine Brille – gewöhnliche Körpereigenschaften, unschön und unakzeptabel.

Die Werte, die "Project Makeover" nach außen hin vermittelt, stoßen vielerorts auf Kritik – erst Anfang des Jahres hatte Blogger Riccardo Simonetti auf eine Version des Trailers aufmerksam gemacht und diese auf seinem reichweitenstarken Instagram-Account bemäkelt. "Ich finde, das ist eine total schlimme Botschaft“, erklärte er damals gegenüber "RTL". "Wenn du nicht der Norm entsprichst, dann ist das die Realität, in der du lebst. Wenn du dich aber anpasst und verschönerst und dich genauso anziehst und aussiehst wie alle anderen auch, dann hast du alle auf deiner Seite."

Mit seiner Meinung steht Simonetti nicht alleine da – auf Social Media gibt es haufenweise negative Reaktionen auf "diese eine Werbung", die alle schon mal gesehen haben und offenbar alle ganz schrecklich finden, weil sie puren Sexismus vermittelt.

Umso unverständlicher ist der riesige Erfolg, den die App einfährt: Wie "MobileAction" berichtet, konnte sich "Project Makeover" nur 15 Tage nach seinem ursprünglichen Release im November 2020 direkt in den Top 3 der meistgeladenen Spiele im US-amerikanischen App-Store platzieren. Das entspreche geschätzt zwölf Millionen Downloads, heißt es. Im österreichischen App-Store rangiert "Project Makeover" derzeit auf Platz zehn.

Was ist "Project Makeover"?

Entgegen der Erwartungen, die der Werbe-Trailer vermittelt, verbirgt sich hinter "Project Makover" ein Match-3-Game, ähnlich wie "Candy Crush“ – mit den erspielten Punkten muss man jedoch die Geschichte einer Umstyling-Show vorantreiben. Konkret übernimmt man dabei die Leitung eines Styling-Teams, dessen Aufgabe es ist, eine junge Frau für ihren ersten Arbeitstag vorzubereiten.

Zuvor wurde dieses Team von einer Cruella-DeVil-esken Bösewichtin namens Greta Von Deta regiert, die der Protagonistin in der Einführung mitteilt, sie sei ein hoffnungsloser Fall und "hässlich fürs Leben“. Das Team akzeptiert diese Schikane nicht länger und trennt sich von Greta. "In dieser Show geht es darum, Menschen zu helfen!“, so die Begründung.

Weil direkt zu Beginn vermittelt wird, es wäre nicht okay, die Protagonistin für ihr Aussehen zu verurteilen, und die Schurkin für ihre gehässigen Kommentare sogar gefeuert wird, bekommt man schnell den Eindruck, dieses Spiel sei vielleicht gar nicht so schlimm, wie die Werbung vermuten lässt. Hier wurde schließlich gerade Haltung bezogen. Wir sind die Guten!

Es dauert eine Weile, bis man merkt, dass Greta von Deta nicht wegen Mobbing rausgeworfen wurde, sondern vielmehr deshalb, weil sie die Hauptfigur als hoffnungslosen Fall bezeichnete – und niemand muss hässlich bleiben, so die Botschaft von "Project Makeover“. Im Verlauf des Spiels zupft man also Augenbrauen, rasiert Beine und Achseln, trägt Make-up auf und tauscht Turnschuhe gegen High Heels – zwar nicht, wie im Trailer vermittelt, um damit einem Mann zu gefallen, dafür aber um im Berufsleben akzeptiert zu werden.

Inzwischen gibt es einen weiteren Trailer für "Project Makeover", der die Runden macht. Das Szenario ist dasselbe: Bevor Besuch eintrifft, gilt es, Körperbehaarung zu entfernen und die Frisur auf Vordermann zu bringen – diesmal sind die Geschlechterrollen allerdings vertauscht: Der Mann muss haarlos, gestutzt und gegelt sein, um der Frau zu gefallen. Warum die MacherInnen sich dabei für einen Schwarzen Mann entschieden haben, sei mal dahingestellt.

Letztendlich vermittelt "Project Makeover" eine Botschaft, die offenbar Millennial-Gemüter erhitzt, aber vor allem für junge Menschen schädlich sein kann. Teenies oder Kinder, die in ihrem Selbstbild nicht gefestigt sind, lernen hier, dass Frauen (und eben auch Männer) nur dann geliebt werden können, wenn sie einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen.

Ein Make-over kann super sein – aber auch nur dann, wenn es nicht auf öffentlichen Druck hin, sondern aus eigener Motivation heraus passiert. Umstylings, so unterhaltsam sie in Rom-Coms auch sind, vermitteln ein gefährliches Bild – und man kommt nicht drum herum, sich daran zu erinnern, dass Mia Thermopolis aus "Plötzlich Prinzessin" mit ihren wilden Locken eigentlich ganz glücklich war.