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Warum wir bewusster essen sollten

Beim Essen geht es um mehr, als nur darum, Nährstoffe in den Körper zu bekommen. Über die Rolle des Sehens, Schmecken und Kauens - und des gemeinsamen Beisammenseins am Tisch.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch einen Wald und sehen eine rote Beere. Auf den ersten Blick können Sie nicht erkennen, ob diese Beere giftig ist oder nicht. Sie ist zwar rot wie eine rote Ampel, aber Erdbeeren oder Johannisbeeren sind ja auch rot - und gelten als lecker und gesund.

Wenn Sie sich nun die rote Beere auf die Zunge legen und anfangen zu kauen, werden Sie vielleicht feststellen, dass die Beere süß, bitter oder sauer schmeckt. Es kann sein, dass Ihr gustatorisches System – also Ihre Geschmacksinne – Sie dazu bringt, die Beere auszuspucken. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass sie giftig ist - oder dass Sie Ihnen einfach nicht schmeckt.

Die Sensorik und der Hungerhaushalt

"Die sensorischen Qualitäten unterstützen den Menschen darin, zu sich zu nehmen, was er braucht und was ihm bekommt", erklärt der Ernährungsmediziner Hans Hauner.

In Zeiten der industriellen Lebensmittelherstellung habe der Mensch aber leider oft verlernt, seine sensorischen Fähigkeiten in Bezug auf seinen Hungerhaushalt zu nutzen, sagt Hauner. "Etwas überspitzt gesagt: In den Industriestaaten muss der Mensch heute vor der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Essen geschützt werden."

Auch alte Verhaltensmuster beeinflussen unsere Gewohnheiten. Viele Kinder etwa mögen besonders gerne Süßes, weil das süße Mundgefühl Sicherheit und sichere Energiezufuhr bedeutete, erläutert Hauner.

Das steckt in uns drin: Bei Menschen, die in der Zeit vor der neolithischen Revolution gelebt haben - also bevor die Menschen sesshaft wurden und begannen, Ackerbau und Viehzucht zu betreiben -, sei das nicht unähnlich gewesen. "Das menschliche Genom entwickelt sich extrem langsam", erläutert Hauner. "Diese Wahrnehmung ist immer noch in uns drin und steuert unsere Auswahl."

Die Erinnerung an die Kindheit und den Urlaub

Cäcilia Baldszus ist Geschäftsführerin und Chefköchin des Restaurants Baldon in Berlin. Sie sagt: "Bei der Entstehung unserer täglich wechselnden Lunch-Karte spielen oft Gerichte, die die Leute in unserem Team in ihrer Kindheit gegessen haben, eine wichtige Rolle." Was haben unsere Eltern für uns gekocht? An welche Gerichte erinnere ich mich besonders gerne?"

Auch Erinnerungen an leckere Gerichte, die man im Urlaub gegessen hat, spielten eine Rolle, sagt Baldszus. Denn auch der Ort, an dem man isst oder das Geschirr, aus dem man isst, behalte man oft angenehm in Erinnerung.

Entspannt am Esstisch sitzen

Egal aber, wo und mit wem man isst, ob selbst gekocht oder nicht – man sollte entspannt sitzen und sich auf das Essen konzentrieren: Verdauungssäfte werden nur im Ruhezustand ausgeschüttet und nicht, wenn wir auf der Flucht sind, erklärt die Ernährungsberaterin und Heilpraktikerin Wiebke Pinger.

Am Computer, mit Blick auf das Smartphone oder im Gehen zu essen, ist also nicht förderlich. Auch in der Familie sollte die Situation am Esstisch entspannt sein - das Gespräch über die misslungene Mathearbeit verschiebt man lieber.

Es kann gut tun, in Gesellschaft zu essen. Wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass viele ältere, alleinlebende Menschen mehr und gesünder essen, wenn sie ihre Mahlzeiten mit anderen gemeinsam einnehmen.

Eine wichtige und oft vergessene Rolle spielt auch, wie schnell das, was wir essen, in unseren Körper gelangt. "Die Verdauung beginnt im Mund", so Pinger. Dabei gelte die Faustregel: "Kaue für jeden Zahn einmal." Das lasse sich auch gut üben, indem man einen Bissen nimmt, das Besteck weglegt, kaut, und erst dann den nächsten Bissen nimmt.

Ein Dreiklang von Rosenseitling, Rosenblüten und Tofu aus dem Restaurant Baldon
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Beim Kochen fährt der Körper runter, man entspannt also
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