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Wolle, Wärme und Wandern im Südtiroler Sarntal

Das Sarntal hat nicht die spektakulärsten Berge Südtirols. Doch gerade für Familien und Erholungsbedürftige ist die Region eine Reise wert - nicht nur wegen der abwechslungsreichen Wanderwege.

Sarner Toppar sind urgemütliche, handgefertigte Hausschuhe - und eine Beleidigung. "Toppar, kein nettes Wort. Früher wurde gesagt, die Sarner wären immer fünf Jahre hinterher", erklärt Albert Unterweger in seiner Werkstatt, deren Oberlichter den Blick auf Südtiroler Almwiesen und Wälder freigeben.

Tatsächlich wirkt die Wollmanufaktur fortschrittlich. Und das trotz betagter Maschinen, von denen eine "so alt wie der Papa ist" - 85 Jahre. Vater Josef war es auch, der in einer Zeit, als alle anderen aufhörten, als Handweber 1968 den Betrieb gründete. "Nachhaltigkeit" ist das Schlagwort, das Albert Unterweger häufig benutzt. Geduldig erklärt er, wie bei ihm die Sarner Jangger (Jacken), Teppiche, Kissen und noch einiges mehr entstehen - beliebte Mitbringsel.

Wolle von einheimischen Schafen

Unterweger klaubt ein Bündel verarbeitete Schafswolle hervor. Gut fühlt es sich an, minimal ölig. "Bei unserem Waschprozess bleibt etwas Restfett, das ist gut für die Verarbeitung", also fürs Kämmen, Spinnen, Verstricken und Nähen.

Der Südtiroler ist stolz auf seine Produkte. "Die Wolle ist ein Geschenk." In diesem Fall von ausschließlich heimischen Schafen. "Solange es Leute gibt, denen das bewusst ist, können wir das machen." Das Geschäft sei eine kleine Nische. Der Sarner Jangger ist in Schnitt und Modell traditionell geblieben.

Das wohltuende Öl der Latschenkiefer

Ein echtes regionales Naturprodukt sind auch die Öle des Familienunternehmens Eschgfeller. Latsche, Weißkiefer, Lärche, Fichte, Wacholder, Zirbe und Weißtanne landen hier nach dem Destillationsprozess, den man auch besichtigen kann, 100 Prozent naturrein und biozertifiziert in Flaschen und Flakons.

Die Familie exportiert 2.000 Liter Öl jährlich nach Deutschland und Österreich. Ein Teil wird im Wellnessbereich des eigenen Betriebs genutzt - etwa beim "Original Sarntaler Latschenkiefernbad".

Mit Heugabel und in Gummistiefeln wirkt Christine Eschgfeller keinesfalls wie eine konventionelle Kosmetikerin. Unter dem Holzüberstand in freier Natur legt sie ihre Kundschaft in das Material, das vom Latschenölbrennen übrig bleibt. 50 bis 60 Grad warm ist das wohlige Bett aus den vom Wasserdampf erhitzten Nadeln, Zweiglein und Holzstückchen. Der Geruch liegt irgendwo zwischen ofenfrischen Zimtschnecken und würzig-orientalischem Tabak. Der Blick fällt auf schneegesprenkelte Bergrücken und saftig grüne Wiesen. Natur-Wellness nach Sarntaler Art.

Wanderrouten im Sarntal

So viel Erholung macht fit für den Berg, immer den Latschen auf der Spur. Die Kabinenbahn schwebt zur Bergstation Pichlberg auf 2130 Meter: Startpunkt des Urlesteigs. Da surren Wasserräder geschäftig zwischen Latschenwäldchen im Gebirgsbach, Teiche können mit dem Floß gequert werden, und ein Latschenlabyrinth verspricht Abenteuer.

Ebenso familientauglich ist der Rundweg um den Durnholzer See: Natur pur mit Blick auf die Kirche und Almblumenidyll.

Außerdem kann man ab der Sarner Skihütte auf 1.618 Meter über die Auener Alm mit netter Gastschenke zu den Stoanernen Mandln auf der Großen Reisch aufbrechen, eine gut 2.000 Meter hohe Bergkuppe. Oben wartet eine Steingestalten-Armee samt imposantem Dolomitenblick.

Weniger alpin, aber ebenso abwechslungsreich ist der Sagenweg in Aberstückl. Schülerinnen und Schüler der lokalen Grundschule haben den Weg gemeinsam mit Forstbehörde und Tourismusverein gestaltet. Schmale Pfade, Weiden, Holzbrücken, Wasserfälle, Geröllfelder und immer wieder liebevoll erdachte Stationen zur Sagenwelt der Region.

Eine ganz besondere Handwerkskunst

Zurück im Tal markiert ein Pfau lautstark sein Revier auf einem der vielen pittoresken Höfe der Region. Pfauenfedern sind das Ausgangsmaterial eines weiteren traditionellen Gewerks im Sarntal. Federkielsticker Ulrich Thaler streicht im Untergeschoss des Familienbetriebs locker über ein Bündel Federn. "Im Juli, August verliert der Pfau die Federn, dann kommen wir beziehungsweise die Bauern und sammeln sie auf", erklärt er. Verwendet werden Federn von 80 bis 90 Zentimetern Länge aufwärts. In Feinarbeit werden je sechs bis acht Stickfäden gemacht - die Federkiele. Diese werden dann durch mit spitzer Ahle vorgestochene Löchlein zu filigranen Motiven auf Rinds- und Kalbslederprodukte verstickt.

Trachtengürtel zum Preis eines Kleinwagens

"Seit etwa 250 Jahren gibt es das Handwerk der Federkielstickerei. Wir haben immer noch die gleiche Arbeitstechnik wie damals", berichtet Thaler. Der Fachmann zeigt auf einen opulent bestickten Trachtengürtel. "100 Arbeitsstunden, der ist etwa 5.000 Euro wert. Wenn wir ganz aufwendig sticken, kann es den Preis eines Kleinautos haben." Solche Gürtel sind Statussymbole und Erbstücke. Sie werden von Schützengesellschaften, Musikgruppen und Trachtenvereinen bestellt. Lieferzeit der Schmuckstücke: durchaus mal zwei Jahre.

Schneller geht es bei Bestellungen des zweiten Hauptsektors der Federkielsticker - auf personalisierte Geldbörsen oder Schlüsselanhänger wartet man rund acht Wochen.

"Ein arbeitsames Tal mit arbeitsamen Leuten", so beschreibt Handweber Albert Unterweger seine 7000-Einwohner-Heimat, flächenmäßig die größte Gemeinde Südtirols. Die frühere Abgeschiedenheit des Sarntals hat seine Bewohner offenbar erfinderisch und das Haushalten mit Ressourcen zur Prämisse gemacht. Etwas, wovon Familien heute lernen können. Man nennt es Nachhaltigkeit.

Albert Unterweger zeigt Sarner Toppar - traditionelle, handgemachte Hausschuhe
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Rund um den Durnholzer See führt ein malerischer, familientauglicher Wanderweg
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Spaß auf dem Urlesteig: Per Floß kann man einen Minisee kreuzen
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